Wirksamere Maßnahmen gegen SLAPPs nötig
„Wenn die EU-Mitgliedstaaten nicht nachziehen, wird diese Richtlinie Medienschaffenden keinen wirklichen Schutz vor SLAPPs bieten“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „In dieser Form ist die Richtlinie reine Zeitverschwendung. Der EU-Rat hat wichtige Bestimmungen gestrichen, die aber notwendig sind, um Journalistinnen und Journalisten vor diesen missbräuchlichen Knebelklagen zu schützen.“
RSF beobachtet, dass fast überall in Europa vermehrt SLAPPs dazu benutzt werden, Medien und Medienschaffende einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. Journalistinnen und Journalisten sind zunehmend hohen finanziellen Forderungen in SLAPP-Verfahren ausgesetzt – die Kosten für die Verfahren kommen noch hinzu.
In Griechenland wurden mehrere Medien und Medienschaffende, die zur Überwachung durch die Regierung recherchierten, von einem engen Berater des Premierministers verklagt. Er forderte Schadensersatz in Höhe von 150.000 und 250.000 Euro. 2022 verlangte die Investmentgesellschaft Eurohold in einem Prozess gegen die bulgarische Investigativzeitung Bivol 500.000 Euro Schadensersatz – für das Medium eine potenziell existenzielle Bedrohung.
Neue EU-Richtlinie
Die Europäische Kommission hatte bereits im April 2022 eine Empfehlung für die EU-Mitgliedstaaten verabschiedet, die allerdings keinen verbindlichen Charakter hat. RSF begrüßte den Vorschlag damals, der es unter anderem möglich machen sollte, SLAPPs zügig als missbräuchlich einzustufen und demzufolge die Klage nicht zuzulassen. Eine europäische Richtlinie zu SLAPPs soll diese Initiative nun neu beleben und stärken.
Der aus Vertreterinnen und Vertretern der Mitgliedstaaten bestehende Rat der EU und das Europäische Parlament müssen sich in der nun laufenden Verhandlungsphase auf den endgültigen Wortlaut der Richtlinie einigen. Am 11. Juli haben die Abgeordneten des Europäischen Parlaments mit großer Mehrheit (498 Ja-Stimmen, 33 Nein-Stimmen und 105 Enthaltungen) eine weitreichende Fassung der Richtlinie angenommen. Der Rat der EU hingegen hat zentrale Punkte aus dem ursprünglichen Vorschlag der Europäischen Kommission gestrichen und ihn dadurch so weit abgeschwächt, dass die Richtlinie in ihrer aktuellen Version Medienschaffenden keinen wirklichen Schutz vor SLAPP-Klagen bieten würde.
Abschwächung durch den Rat der EU
Der Anwendungsbereich von EU-Recht ist auf grenzüberschreitende Sachverhalte beschränkt, also auf Fälle, in denen die betroffenen Parteien ihren Wohnsitz in verschiedenen Mitgliedstaaten haben. Dies ist bei der überwiegenden Mehrheit der SLAPPs aber nicht der Fall. Die EU-Kommission hat nun versucht, den Begriff „grenzüberschreitend“ neu zu definieren, sodass die Richtlinie auch für weniger eindeutige Fälle gelten würde. Demnach soll sie Anwendung finden, sobald der Gegenstand eines Rechtsstreits „grenzübergreifende Auswirkungen“ hat und „auf elektronischem Wege zugänglich“ ist. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass der Rat der EU und somit die Mitgliedstaaten dieser Definition der „grenzübergreifenden Auswirkungen“ zustimmen. Andernfalls würde die Richtlinie nur in wenigen konkreten Fällen angewendet werden können. Zudem hat der Rat Zivilklagen, die im Rahmen von Strafverfahren erhoben werden, vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen.
Der im Entwurf der Kommission vorgeschlagene Mechanismus, nach dem eine offensichtlich unbegründete SLAPP schnell vom Gericht abgewiesen werden kann, wurde vom Rat geschwächt. Die die Möglichkeit, in Berufung zu gehen, wenn eine solche schnelle Ablehnung einer SLAPP nicht stattfand, wurde gar ganz gestrichen. Dieser Mechanismus ist aber der Kern der ganzen Idee, zu verhindern, dass sich offensichtlich unbegründete Klagen über Jahre hinweg in die Länge ziehen.
Weiter hat der Rat eine Bestimmung gestrichen, nach der Medienschaffende oder ein Medium vollen Ersatz für den materiellen und psychologischen Schaden verlangen können sollen, den sie infolge einer SLAPP. Außerdem wurde die Frist für die Umsetzung der Richtlinie durch die Mitgliedstaaten in nationales Recht von den üblichen zwei Jahren auf drei Jahre verlängert.
Es gibt aktuell noch eine große Kluft zwischen den Positionen des Rats und des Parlaments. Reporter ohne Grenzen drängt darauf, dass in den Verhandlungen die positiven Anstöße, die das Parlament gegeben hat, gründlich erwogen und nach Möglichkeit berücksichtigt werden.
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