Ausweitung der ESG-Berichtspflicht: „Nachhaltigkeit braucht jetzt eine Ansprechperson und eine Stimme im Unternehmen“
Konkret verlangt die neue Richtlinie erstmals für das Geschäftsjahr 2025 einen Nachhaltigkeitsbericht von Unternehmen, die zwei der nachfolgenden drei Bedingungen erfüllen: Eine Bilanzsumme von mindestens 20 Mio. Euro, Nettoumsatzerlöse von mindestens 40 Mio. Euro sowie mindestens 250 oder mehr Beschäftigte. Die ESG-Berichtspflicht soll dabei schrittweise der Finanzberichterstattung gleichgestellt werden.
Professor Dr. André Reichel unterrichtet Sustainability Management an der International School of Management (ISM) am Standort Stuttgart und ist Teil des Nachhaltigkeitsteams der privaten Wirtschaftshochschule. Nach seiner Einschätzung wirkt sich die Berichtspflicht der Großunternehmen auch auf kleinere Betriebe aus: „Wie so oft gibt es einen Sog von den Großunternehmen in ihre Zulieferketten. Die großen Unternehmen verlangen immer häufiger von Zulieferern entsprechend aufbereitete Informationen, auch wenn diese nicht unter die CSR-Berichtspflicht fallen.“ Zudem werde eine transparente Unternehmenskommunikation im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten auch von vielen Mitarbeitenden sowie den Kundinnen und Kunden erwartet, so der Nachhaltigkeitsexperte Reichel: „Gerade unter dem Aspekt des Recruitings wird das Thema Nachhaltigkeit auch für kleinere Unternehmen immer wichtiger.“
Der Nachhaltigkeitsbericht sollte Informationen zu den folgenden Aspekten beinhalten:
- Nachhaltigkeitsziele
- Rolle von Vorstand und Aufsichtsrat bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit
- Transparenz zu den wichtigsten nachteiligen Wirkungen des Unternehmens auf Nachhaltigkeit (seiner Nicht-Nachhaltigkeit also)
- Noch nicht bilanzierte immaterielle Ressourcen
Als Startpunkt empfiehlt der ISM-Professor für Sustainability Management alle schon laufenden Maßnahmen rund um das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen in dem Bericht zu dokumentieren. „Das betrifft alle Bereiche, welche ökologische und soziale Themen mit wirtschaftlichen Aspekten verknüpfen und die für diese Bereiche verantwortlichen Personen für den Bericht gleich mit an Bord zu nehmen,“ so Reichel. Zentrales Element der Berichterstattung sei die sogenannte doppelte Wesentlichkeitsprüfung (Double Materiality Analysis), eine Risikoanalyse durch die Nachhaltigkeitsbrille: „Die Inside-Out-Perspektive legt den Fokus auf die internen Nachhaltigkeitsmaßnahmen und ihre Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft; die Outside-In-Perspektive analysiert die finanziellen Chancen und Herausforderungen, die sich aus externen Anforderungen für ein Unternehmen ergeben.“
Die kritische Analyse von Nachhaltigkeit im Unternehmen sei eine zeitintensive und komplexe Aufgabe. Diese biete für das Unternehmen aber auch viele Ansatzpunkte, um über Ziele und Tätigkeiten kritisch und integrativ nachzudenken, ist André Reichel überzeugt. „Unternehmen, die sich ernsthaft mit Nachhaltigkeit beschäftigen, gelingt es besser, Risiken und Chancen zu erkennen. Das erweitert dann auch die strategischen Möglichkeiten, steigert also die Wettbewerbsfähigkeit. Gleichzeitig wird so ein Unternehmen für Kunden glaubhafter und für Mitarbeitende als Arbeitgeber attraktiver.“
In größeren Unternehmen sind dafür Spezialisten, sprich Sustainability Manager, gefordert. Diese müssten mit entsprechenden Ressourcen (Budget, Personal) ausgestattet sein und idealerweise direkt der Geschäftsführung unterstehen, erklärt André Reichel: „Sustainability Manager sind integrative Manager, die unterschiedliche Wissensbestände zusammentragen und durchdringen können. Das ist eigentlich eine Aufgabe für zukünftige Top-Führungskräfte. Denn, die Zeiten, in denen es reichte sich „irgendwie“ mit Nachhaltigkeit zu befassen, sind definitiv vorbei. Nachhaltigkeit braucht jetzt eine Ansprechperson und eine Stimme im Unternehmen.“
Die Mitarbeit im Nachhaltigkeitsteam der ISM hat dem Experten Reichel die Chancen der ESG-Berichtspflicht noch einmal verdeutlicht. Der ISM-Nachhaltigkeitsbericht stellt ab 2023 Ideen, Aktivitäten und Maßnahmen mit Nachhaltigkeitsbezug in den Bereichen Hochschulbetrieb, Lehre und Forschung sowie Initiativen, Engagement und Transfer übersichtlich dar. „Der Prozess der Berichterstellung hat uns und der Geschäftsleitung viele Selbsterkenntnisse gebracht und die diversen Bemühungen innerhalb der Hochschule zusammengeführt. So sind wir bei den Studiengängen und den Weiterbildungen bereits sehr stark, was das Thema Sustainability Management angeht. Zudem führen wir in vielen Studiengängen Praxisprojekte rund um eine nachhaltigere Unternehmensführung durch. Auch in der Hochschulleitung der ISM ist man sich der Aktualität und wachsenden Bedeutung des Themas bewusst.“ Entwicklungspotenzial für die Wirtschaftshochschule ISM sieht der Experte Reichel etwa bei der Verknüpfung der internen Kompetenzen. „Mit dem Institut für Nachhaltigkeit @ ISM unter Leitung meiner Kollegin Prof. Dr. Brigitte Spieß wurde 2022 bereits eine zentrale Schnittstelle für Lehre und Forschung geschaffen. Das interne und externe Netzwerk an Kompetenzträgern und Kooperationspartnern gilt es kontinuierlich auszubauen.“
Den ISM-Nachhaltigkeitsbericht sowie einen Überblick zu den Studien- und Weiterbildungsangeboten rund um das Thema Sustainability Management an der ISM gibt es unter: https://ism.de/hochschule/nachhaltigkeit-an-der-ism.
Die International School of Management (ISM) ist eine staatlich anerkannte, private Hochschule in gemeinnütziger Trägerschaft und zählt zu den führenden privaten Hochschulen in Deutschland. An Standorten in Dortmund, Frankfurt/Main, München, Hamburg, Köln, Stuttgart und Berlin wird in kompakten und anwendungsbezogenen Studiengängen der Führungsnachwuchs für international orientierte Wirtschaftsunternehmen ausgebildet. Zum Studienangebot gehören Vollzeit-Programme, berufsbegleitende und duale Studiengänge sowie das digitale Fernstudium. In Hochschulrankings schafft es die ISM mit hoher Lehrqualität, Internationalität und Praxisbezug regelmäßig auf die vordersten Plätze. Das internationale Netzwerk umfasst rund 190 Partnerhochschulen.
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