Buntes Treiben an der Fassade
Nach fünfjähriger Sanierungspause soll die denkmalwürdige Stadthalle Göttingen im Februar 2024 wiedereröffnet werden. Seit bald 60 Jahren bietet die Institution unterschiedlichsten Events die ideale Bühne. 2.600 m² Veranstaltungsfläche auf drei Ebenen sowie eine Gesamtfläche von knapp 5.400 m², zuzüglich 900 m² Dachterrassenfläche, eröffnen dabei viel Raum für Kultur und Austausch. Sie ist unter anderem Spielstätte des Göttinger Symphonieorchesters und der Internationalen Händel-Festspiele. Ein kontroverses Thema war in den 60er-Jahren die ungewöhnlich gestaltete Fassade, die der Stadthalle den liebevollen Spitznamen „Kachelofen“ einbrachte und sich mit den Jahren als einzigartiges Wahrzeichen der Stadt etablierte.
Die Erneuerung der Gebäudehülle begann im Dezember 2019 und konnte Anfang 2023 erfolgreich abgeschlossen werden. Dabei unterstützte fischer BWM die Planer und Ausführenden mit der passenden Systemlösung für die Fassadenrenovierung. Vorhandene, angemörtelte und mechanisch befestigte Keramikkacheln an der Gebäudehülle wurden zunächst schonend rückgebaut, aufgearbeitet und bei der jetzigen vorgehängten hinterlüfteten Fassade (VHF) wieder verwendet. Beschädigte oder fehlende Kacheln wurden durch neu entworfene ersetzt, welche die m&r manufaktur (Saarbrücken) produzierte. Zugrunde liegt dem Vorgehen das prämierte, nachhaltige Fassadenkonzept des Büros soll sasse architekten BDA aus Dortmund. Beauftragtes Fassadenbauunternehmen war die Dach Schneider Weimar GmbH (Umpferstedt).
Die 50 x 50 x 3 cm großen Keramikplatten verfügen über zwei verschiedene geometrische Reliefs mit Kreis und Dreieck sowie fünf Farbglasuren in Dunkelblau, Blau, Rot, Violett und Weiß. Neue Kacheln in Altrosa und Taubenblau bleiben im Farb-Duktus der Bestandskacheln. Das quadratische Relief der neuen Kacheln ergänzt die geometrischen Grundformen des Bestands. Die Anbauten (Logistik und Vordächer) sind mit den weißen Kacheln bekleidet worden, der Hallenkörper ist ausschließlich bunt gestaltet. „Die neue Fassade verbindet Vergangenheit und Zukunft des Gebäudes auf nachhaltige Art und Weise“, betont Heiko Sasse, Gesellschafter des Architekturbüros soll sasse architekten BDA. „Die von Weitem farblich flächig wirkende Fassade zeigt während der Annäherung zudem ein differenziertes und heterogenes Farbspiel, was durch die geometrischen Reliefs noch verstärkt und erweitert wird – ähnlich der Stadt als einheitlichem Gefüge, das aber aus unterschiedlichen Individuen besteht.“
Der Traggrund der Gebäudehülle besteht aus Stahlbeton und undefiniertem Mauerwerk. Hierauf waren die Bestandskacheln mit Mörtelstreifen und Messingbändern befestigt. Zur Fassadensanierung sind die Elemente komplett manuell demontiert und gereinigt worden. Der Beton des freigelegten Untergrunds wurde saniert. Dabei ließ sich die teilweise nicht ausreichende Betonüberdeckung der Bewehrung wiederherstellen. Auf dem Traggrund erfolgte die Errichtung der VHF mitsamt einer neuen Wärmedämmung gemäß den energetischen Anforderungen. „Wir erbrachten bei der Fassadenbefestigung umfassenden technischen Support“, berichtet Jochen Burbach, Leiter fischer BWM Fassadensysteme Deutschland. „Unsere Leistungen reichten von der Beratung und Berechnung in der Planungsphase über unsere Unterstützung bei dem Erlangen der Zustimmung im Einzelfall (ZiE) bis zur Lieferung des geeigneten Gesamtsystems aus Unterkonstruktion, Rahmendübeln, Injektionsankern und Hinterschnittankern aus einer Hand.“ Zum Vor-Ort-Support führt Jochen Burbach aus: „Wir begleiteten die Fassadenbauer bei der Fassadenmontage mit etlichen Baustellenversuchen mit unseren fischer Langschaftdübeln sowie chemischen Befestigungssystemen und boten Hilfestellung bei der Bauausführung.“
Sowohl die alten als auch die neuen Kacheln bestehen aus einem Baustoff, der für die hinterlüftete Fassade nicht geregelt ist. Die Anwendung erforderte daher eine ZiE vom Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz, die von dem Experten und Gutachter Prof. Dr. Alfred Stein betreut wurde. Die Befestigung erfolgte mit Zykon-Plattenankern FZP II in der Ausführung 11×21 M6/SO/9 Carbon. Obwohl die Kacheln geringe Abmessungen aufweisen, wurden trotzdem vier Befestigungen pro Platte ausgeführt, um ein „Klappern“ der Fassade unter Windeinfluss zu vermeiden.
Nachdem die ZiE erfolgreich erwirkt wurde, wurden die Fassadenelemente mit der fischer BWM Aluminium-Unterkonstruktion angebracht. Die Distanz-Unterkonstruktion führten die Fassadenbauer vertikal mit der ATK 100 ZeLa aus. „Der thermisch optimierte Halter ZeLa mit Edelstahlschwert spielt hierbei seine Vorteile aus“, betont Steffen Bendix, der als Vertriebsingenieur bei fischer BWM das Projekt mitbetreute. „So gewährleistet der Halter ZeLa die Einhaltung der geforderten Wärmeschutzanforderungen (U-Wert) bei gleichzeitig geringem Aufbau.“ Auf dieser Basiskonstruktion erfolgte die Anbringung der Horizontalsysteme, die aus der ATK 103 P20 für die verdeckte Agraffenbefestigung zusammen mit P20 Horizontal-Profilen bestehen. fischer Langschaftdübel und Injektionsanker verankern die Wandhalter der Unterkonstruktion im Tragwerk. Die Sichtelemente mit den erhaltenen und neuen Kacheln wurden mit den fischer Hinterschnittankern sicher und verdeckt an der Unterkonstruktion befestigt.
„Wir danken dem Experten und Gutachter Prof. Dr. Alfred Stein, dessen Begutachtung der Fassadenkonstruktion einen wichtigen Beitrag zur bestgeeigneten Fassadenbefestigung leistete“, sagt Jochen Burbach. „So vereinbart das System die sichere und gleichzeitig verdeckte Befestigung der Kachelfassade, um das ursprüngliche Gesicht der Stadthalle Göttingen über Generationen hinweg für die Zukunft zu bewahren.“
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