Das Deutsche Architekturmuseum vergrößert seine Ausstellungsfläche im DAM OSTEND um 1000 Quadratmeter und zeigt ab September dort Protestarchitektur zwischen 1848 und 2023
Zu sehen sind eine Vielzahl von Modellen, Fotos und eine eigens für die Ausstellung entstandene 16-minütige Dokumentarfilmcollage des Frankfurter Regisseurs Oliver Hardt („The Black Museum“, 2018). In Zusammenarbeit mit Aktivist*innen konnten Bauteile aus der Baumhaus-Protestsiedlung im Hambacher Wald übernommen werden. Aus dem 2023 geräumten Protestcamp im Fechenheimer Wald in Frankfurt am Main wird die Spitze eines sogenannten „Monopods“ ausgestellt. Auch das Kriminalmuseum im Frankfurter Polizeipräsidium ist mit Leihgaben vertreten, u.a. von den Protesten gegen die Startbahn West im Jahr 1980/1981.
Den Schwerpunkt der Ausstellung bilden 13 Protestereignisse zwischen 1968 und 2023 aus Ägypten, Brasilien, Deutschland, Hongkong, Indien, Österreich, Spanien, der Ukraine und den USA. Dort entstanden jeweils Protestcamps von unterschiedlicher Dauer und mit sehr verschieden ausgeführten baulichen Strukturen: In Madrid wurde 2011 ein Platz mitten im Stadtzentrum mit Plastikplanen überdeckt, in Hongkong und bei „Occupy New York“ entstanden Zeltstädte, in Delhi dauerte eine Autobahnblockade mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen, die zu Häusern umgebaut waren, ganze sechzehn Monate.
Einige dieser Protestbewegungen konnte ihre Ziele erreichen, wie beispielsweise den Sturz der Regierung zu erzwingen (Tahrir-Platz-Proteste im „Arabischen Frühling“, Kairo, 2011 / Majdan-Bewegung, Kyjiw, 2013–2014), den Bau von Sozialwohnungen voranzubringen (MTSTBewegung, Brasilien, seit 1997) oder einen Braunkohletagebau einzudämmen (Hambacher- Wald-Besetzung, seit 2012).
Die Architektur spielte für das Erreichen der Protestziele oft eine wesentliche Rolle. Der Majdan in Kyjiw, Ukraine, wurde während der zweieinhalbmonatigen, oft brutalen Auseinandersetzungen immer mehr zu einer Festung ausgebaut. Die brasilianischen MTST-Protestcamps hingegen sind filigrane Konstruktionen und können durch präzise Vorausplanung von tausenden Wohnungslosen innerhalb von nur einer einzigen Nacht aufgebaut werden. Am Beispiel von Hongkong wird gezeigt werden, wie die Menschen auf restriktive Gegenmaßnahmen reagiert haben. Konnten 2014 noch wichtige Verkehrsadern fast drei Monate lang durch Zeltsiedlungen belagert werden, so musste 2019 das mittlerweile geltende Demonstrationsverbot durch kreative und technisch ausgefeilte Maßnahmen umgangen werden.
Ein lokaler Bezug der Ausstellung besteht zu den Protesten gegen den Bau der Startbahn West. Zwischen Mai 1980 und November 1981 blockierte das „Hüttendorf“ die Erweiterung des Frankfurter Flughafens. Es bestand aus bis zu 60 Hütten, Baumhäusern sowie einer Kirche, die als einziges Gebäude bei der Räumung nicht zerstört wurde. Sie steht heute als Kulturdenkmal neben einem Originalteil der Startbahnmauer am Ortsrand von Mörfelden-Walldorf. In der Ausstellung werden die präzisen Zeichnungen des Hüttendorfs zu sehen sein, die von Architekturstudierenden aus Darmstadt damals angefertigt wurden. Die Waldbesetzung von 1980/1981, die zudem vom „Dorfschreiber“ Horst Karasek protokolliert wurde (dem Bruder des bekannten Literaturkritikers Hellmuth Karasek), ist das wahrscheinlich am genauesten jemals dokumentierte Protestcamp.
Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher, deutsch/englischer Katalog in Form eines Lexikons:
Protestarchitektur. Barrikaden, Camps, raumgreifende Taktiken 1830–2023
Protest Architecture. Barricades, Camps, Spatial Tactics 1830–2023
Verlag Park Books, Zürich, ca. 19 Euro
526 Seiten, 13 Case Studies, 68 Protestereignisse, 176 Lexikoneinträge von A bis Z (Abschütten bis Zwentendorf)
Die gemeinsam mit dem MAK – Museum für angewandte Kunst, Wien, entwickelte Ausstellung wird ab Februar 2024 bis August 2024 in Wien zu sehen sein.
Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes.
Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Teilprojekt zur Architekturvermittlung in Kooperation mit der Wüstenrot Stiftung.
Liste der 13 Protestereignisse, die in der Ausstellung besonders ausführlich dargestellt werden,
in chronologischer Abfolge:
1968 Washington, DC, USA: Resurrection City
1980 Gorleben, Bundesrepublik Deutschland: Republik Freies Wendland
1980–1981 Frankfurt am Main, Bundesrepublik Deutschland: Hüttendorf Startbahn West
2011–2013 Kairo, Ägypten: Tahrir-Platz („Arabischer Frühling“)
2011 Madrid, Spanien: Movimiento 15M
2011 New York City, USA: Occupy Wall Street
2012–heute Hambacher Wald, Bundesrepublik Deutschland: Waldbesetzung
2013–2014 Kyjiw, Ukraine: Majdan-Proteste
2017–2018 São Paulo, Brasilien: MTST-Protestcamp „Povo Sem Medo“ („Volk ohne Angst“)
2014 und 2019–2020 Hong Kong: Umbrella-Movement und Proteste gegen ein Auslieferungsgesetz
2020–2023 Lützerath, Bundesrepublik Deutschland: Dorfbesetzung
2020–2021 Delhi, Indien: Farmers-Proteste
2021–2022 Wien, Österreich: Lobau-bleibt!-Proteste
Kuratorisches Team DAM + MAK
Kurator DAM, Projektleitung: Oliver Elser
Kuratorische Assistenz DAM, Recherche: Anna-Maria Mayerhofer
Wissenschaftliche Volontärin DAM: Jennifer Dyck
Kurator MAK: Sebastian Hackenschmidt
PROTEST/ARCHITEKTUR
BARRIKADEN, CAMPS, SEKUNDENKLEBER
16. September 2023 – 14. Januar 2024
im DAM OSTEND,
Henschelstraße 18, 60314 Frankfurt am Main
PRESSERUNDGANG:
Do, 14. September 2023, 11 Uhr
AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG:
Fr, 15. September 2023, 19 Uhr
Deutsches Architekturmuseum DAM
Schaumainkai 43
60596 Frankfurt am Main
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