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Estnische Bürgerwehr und Frauen mit Behinderung in Armenien

Zwei Recherchen haben den diesjährigen Recherchepreis Osteuropa gewonnen. Irina Peter und Arthur Bauer (Fotografie) setzen sich in ihrem Text „Kleine Schritte in Armenien“ mit der doppelten Diskriminierung von Frauen mit Behinderung auseinander. Über Kaitseliit, einen Freiwilligenverband des estnischen Militärs, recherchiert Kolja Haaf in seinem ebenfalls prämierten Recherchevorhaben „Wenn Adler flügge werden“.

Noch vor wenigen Jahren wurde Frauen in Armenien nahegelegt, ein Neugeborenes mit Behinderung unmittelbar nach der Geburt in Heimen unterzubringen. Noch immer stellt es keine Ausnahme dar, dass ein Mann seine Frau verlässt, wenn sie ein Kind mit Behinderung zur Welt bringt. Die Preisträger Irina Peter und Arthur Bauer wollen aufzeigen, wie sich die Situation, in der sich armenische Frauen und Kinder mit Behinderung befinden, ganz langsam verbessert. "Die Recherche eröffnet ganz neue und ungewöhnliche Perspektiven auf ein Land, von dem wir sonst vor allem als Kriegsschauplatz hören", lobte die Jury. Eine weitere Stimme der Jury beschreibt: „Ausgegrenzt und rechtlos: Frauen in Armenien werden oftmals diskriminiert. Sind sie behindert, wird das Leid sogar zu einem doppelten. Noch dramatischer ist ihre Lage, wenn sie ein behindertes Kind zur Welt bringen. Aber es gibt im Land auch engagierte Projekte, die Vorurteilen und Benachteiligungen etwas entgegensetzen und die Würde jedes Menschen stärken. Irina Peter und Arthur Bauer nehmen mit ihrem Reportage-Vorhaben dieses andere Armenien in den Blick. Ein verdienstvolles journalistisches Anliegen.“

Für ein deutsches Publikum überraschend ist auch das Thema, dem sich Kolja Haaf während seines zweimonatigen Recherche-Aufenthalts in Estland zugewandt hat: Der Kaitseliit ist ein Freiwilligenverband des estnischen Militärs, in dem sich Bürgerinnen und Bürger für den Verteidigungsfall ausbilden lassen. “Die Bereitschaft, mit der Waffe in der Hand für die eigene Nation zu kämpfen, ist in Deutschland eher schwach ausgeprägt”, so die Jury. “Die Menschen im Baltikum empfinden nicht nur die Bedrohung durch Russland, sondern auch die Pflicht zur Verteidigung des eigenen Landes viel intensiver. Die Recherche wirft so ein Schlaglicht auf hoch aktuelle Debatten, die wir in Europa führen müssen.” Weiter würdigt die Jury das Rechercheprojekt: „Sie sind jung, wollen ihr Land verteidigen und fürchten Putins Machthunger: In Estland bereiten sich Frauen und Männer auf den Ernstfall eines russischen Überfalls vor – mit paramilitärischen Manövern im Freiwilligenverband der Streitkräfte. Aber warum rennen junge Menschen in Tarnanzügen durch Wald- und Sumpfgelände? Wie wirkt sich das auf das Zusammenleben mit der russischstämmigen Minderheit aus? Kolja Haaf begleitet Erwachsene und Minderjährige bei ihren Übungen. Die Reportage verspricht anregende Einblicke in eine besondere Form des Patriotismus.“

Der mit insgesamt 7.000 Euro dotierte Preis soll Journalistinnen und Journalisten die Recherche und Produktion aufwändiger Sozialreportagen über Themen in Osteuropa ermöglichen. Ziel ist, den Alltag der Menschen in den Blick zu nehmen, den Umgang mit gesellschaftlichen Umbrüchen zu thematisieren und die Lebensumstände von Randgruppen zu zeigen. Verliehen wird der Preis von Hoffnung für Osteuropa, einer Aktion des Diakonischen Werks Württemberg, und Renovabis, der Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa. Kooperationspartner des Preises ist n-ost, Netzwerk für Osteuropa-Berichterstattung. Die Preisverleihung findet im Rahmen des 30-jährigen Jubiläums von Hoffnung für Osteuropa am 29.09.2023 in Stuttgart statt.

Zur Jury gehören Petra Bornhöft (taz Panter Stiftung), Kerstin Holm (FAZ), Christian Böhme (Tagesspiegel), Anneke Hudalla (n-ost), Matthias Dörr (Renovabis) und Matthias Rose (Diakonie Württemberg).

Seit 30 Jahren setzt das Diakonische Werk Württemberg Zeichen der Solidarität mit Menschen in den östlichen Nachbarländern durch die Aktion Hoffnung für Osteuropa.

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