Kolonialismus und christliche Mission
Im 19. und 20. Jahrhundert war ein Großteil der Welt stark vom Kolonialismus betroffen, so Sanou. Was oft nicht bekannt sei, wäre die Tatsache, dass christliche Missionare mitunter Partner bei den kolonialen Bestrebungen waren. Sowohl dem Kolonialismus als auch den Missionaren werde ein Beitrag zum Fortschritt der jeweiligen Völker zugeschrieben. Die Art und Weise, wie die beiden zusammenarbeiteten, sei jedoch teilweise bedenklich.
Der Missionswissenschaftler erläuterte, dass während des Kolonialismus westliche Nationen Land, Kunstwerke und Ressourcen anderer Regionen an sich nahmen und den Einheimischen ihre Sprachen und Kulturen aufzwangen. Europäer hätten ihre Kultur nach Amerika, Australien und in Teile Afrikas und Asiens gebracht. Der Kolonialismus wurde als eine der besten Möglichkeiten angesehen, anderen Völkern Zivilisation sowie sozialen, wirtschaftlichen und politischen Fortschritt zu bringen. Es sei die Pflicht der „überlegenen weißen Rasse“ gewesen, die „minderwertigen Rassen“ zu zivilisieren und auf eine höhere Stufe zu erheben.
Unterschiedliche Sichtweisen
Selbst heute noch meinten manche, dass man sich auf die Vorteile des Kolonialismus für die kolonisierten Länder konzentrieren und sie würdigen solle. Sie beharrten darauf, dass die vermeintlichen Vorteile der Kolonialherrschaft ihre nachteiligen Folgen bei weitem überwiegen würden. Die Kritiker des Kolonialismus argumentierten hingegen, dass die Leistungen der Kolonialherrschaft nicht dazu benutzt werden sollten, die negativen Auswirkungen auf die kolonisierten Völker zu verharmlosen. Es habe sich um ein moralisch falsches und unterdrückerisches System gehandelt, das den kolonisierten Völkern und ihren Kulturen Schaden zugefügte. Die Kolonisatoren hätten Kulturen und Sprachen verdrängt, sich Land genommen, die Wirtschaft ausgebeutet, politische Unterdrückung ausgeübt und Systeme ethnischer und sozialer Ungleichheit geschaffen.
Missionare und Kolonialherren
Es habe auch Missionare gegeben, die mit den Kolonialherren zusammengearbeitet hätten. Sie sahen ihre Aufgabe nicht nur darin, den Menschen das Christentum zu bringen, sondern auch die westliche Kultur, betonte Sanou. Als die Menschen nicht daran interessiert waren, zum Christentum zu konvertieren, hätten einige Missionare Druck auf die Kolonialmächte ausgeübt, damit sie aktiv wurden. Diese Missionare begrüßten die Anwesenheit von Soldaten, die wie „von der Vorsehung bestimmte Eisbrecher für die Verkündigung des Evangeliums“ wirkten.
Adventistische Kirche in Südafrika
Es gebe Beispiele von adventistischen Missionaren, die gehorsam nach den von den Kolonialbehörden propagierten Werten lebten, anstatt ihre Stimme mahnend zu erheben, um biblische und moralische Standpunkte zu vertreten. Während der Anhörungen vor der Wahrheits- und Versöhnungskommission, die nach dem Ende der Apartheid zwischen 1995 und 1998 in Südafrika stattfanden, sei bestätigt worden, dass viele südafrikanische Glaubensgemeinschaften, darunter auch die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten, entweder aktive oder stille Unterstützer der Apartheid gewesen waren.
Die Historiker I. F. du Preez und Roy H. du Pre hätten festgestellt, dass „die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten der damaligen Regierung immer weit voraus war, wenn es um die Anwendung der Rassentrennung in der Kirche ging, und weit hinterherhinkten, wenn es um die Abschaffung rassendiskriminierender Maßnahmen ging. Als die Apartheid in Südafrika nach 1948 gesetzlich eingeführt wurde, hatten die Adventisten sie bereits zwanzig Jahre oder länger praktiziert.“
Falsches Verhalten bekennen
Boubakar Sanou nennt einige Vorschläge zum weiteren Vorgehen. Es müsse deutlich werden, dass das Hauptmotiv zur Aussendung adventistischer Missionare darin bestand, das Christentum zu verbreiten, und nicht darin, den Kolonialregierungen zu helfen. Es sei deshalb notwendig, die Handlungen von Einzelpersonen, die das Evangelium falsch darstellten, von den Kernlehren der Bibel zu trennen.
Auch sei es hilfreich, die Reaktion der adventistischen Kirche auf die Vergangenheit zu sehen. Die Generalkonferenz der Siebenten-Tags-Adventisten veröffentlichte beispielsweise am 27. Juni 1985 und am 15. September 2020 zwei offizielle Erklärungen, in denen sie verschiedene Formen der Rassendiskriminierung verurteilt habe. Drei Jahre nach dem offiziellen Ende der Apartheid habe auch die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Südafrika ihre unrechte Beteiligung an der Apartheid anerkannt.
Der Bibel treu bleiben, um Fehler nicht zu wiederholen
Auch müssten sich Adventisten engagiert an die Seite derer stellen, die auch heute noch unter verschiedenen Formen der Diskriminierung leiden, und sich für Veränderung einsetzen. Einer der besten Wege bestehe darin, sich für einen tiefgreifenden und dauerhaften Wandel einzusetzen, aber nicht Teil des Problems zu werden. Im Kampf gegen Diskriminierung müssten Adventisten darauf achten, dass sie nicht selbst andere diskriminieren. Extreme Reaktionen sollten vermieden werden.
Von zentraler Bedeutung sei zudem, offizielle kirchliche Erklärungen zu sozialen Fragen weiterzugeben. Dabei wäre es gut, wenn diese Erklärungen in Zukunft auch spezifische Empfehlungen und Möglichkeiten zur Förderung der Sache enthielten. Angesichts der offiziellen Positionen müssten auch alle adventistischen Institutionen und Prozesse daraufhin überprüfen werden, ob sie mit den vertretenen Werten übereinstimmen.
„Wir müssen danach streben, der Bibel treu zu bleiben, um Fehler und Versagen der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Unser Ziel sollte es sein, unsere grundlegenden Lehren und offiziellen Erklärungen nicht nur in verschiedene Sprachen zu übersetzen, sondern auch in biblisch begründete Entscheidungen für alle Aspekte des Lebens“, betonte Sanou.
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