Neue Studie zu Berliner Schultoiletten zeigt den Ernst der Lage – macht aber Hoffnung auf Besserung
Die Berliner Schüler*innen stellen ihren Schultoiletten ein schlechtes Zeugnis aus und bewerten sie durchschnittlich mit der Note 4-. Eine Mehrheit versucht den Gang auf die Toilette zu vermeiden: 46 % der Schüler*innen vermeiden das Urinieren, 85 % das Defäkieren. Dies hat gravierenden Auswirkungen auf das Ess- und Trinkverhalten: Mehr als ein Viertel der Schüler*innen trinkt und isst in der Schule weniger, um nicht gehen zu müssen. Gestank, fehlende Privatsphäre und das Fehlen von Klopapier sind die meistgenannten Gründe für die Meidung.
Im Rahmen der Studie wurden 949 Schüler*innen des 9. Jahrgangs von 17 weiterführenden Schulen aus 11 Berliner Bezirken zum Zustand der Schultoiletten und ihrem Nutzungsverhalten befragt. Überdies wurde eine standardisierte Bestandsaufnahme zur Funktionsfähigkeit und Ausstattung durchgeführt und Schulleitungen wurden zu Wartungs- und Reinigungsmaßnahmen der Schultoiletten befragt.
Rund 60 % der Schulleitungen berichten, dass in ihrem Schulhaus nicht alle Sanitäranlagen vollständig funktionsfähig sind. Ein Problem dabei ist Vandalismus. In mehr als der Hälfte der begutachteten Sanitäranlagen waren sichtbare Zerstörung, Schäden oder Vandalismus vorhanden, beispielsweise Löcher in den Kabinenwänden und Türen, nasse Papierhandtücher oder Wasserflecken an der Decke.
Die Mehrheit der Schüler*innen hat nicht den Eindruck, dass sich gut gekümmert wird, was auch der Vorsitzende des Landesschülerausschusses Aimo Görne bestätigt. Nur wenige Schüler*innen berichten, dass etwas passiert, wenn sie Probleme melden und selten werden die Schüler*innen in die Entwicklung von Lösungen einbezogen. Nur 3 % der Befragten geben an, dass es bei ihnen eine Schultoiletten AG gebe und dass sie schon einmal in die Gestaltung der Schulklos einbezogen wurden. Görne betont, dass für die Schüler*innen schnell eine Situation der Ausweglosigkeit entsteht, gerade weil sie nur selten bei den Prozessen zu den Schultoiletten beteiligt werden und sie deswegen auch nicht wüssten, ob das Thema ernst genommen wird.
„Die Studie zeigt, dass genau hier ein Schlüssel für eine Verbesserung liegt“, sagt Dr. Andrea Rechenburg von der Universität Bonn. Die Analyse der Daten zeige signifikante Zusammenhänge zwischen Messgrößen, die den Zustand sowie die Wahrnehmung der Schultoiletten beschreiben, und konkreten Maßnahmen der Schulen, so Dr. Rechenburg. Werden Schüler*innen in die Entscheidungsfindung und Gestaltung der Schultoiletten einbezogen oder ist ein Meldeverfahren für Mängel vorhanden, sind Verschmutzung und Vandalismus geringer und die Schüler*innen bewerten ihre Schultoiletten besser. Ist Klopapier häufiger vorhanden oder die Reinigungsfrequenz an den Schulen höher, gibt es tendenziell weniger Verschmutzung und Vandalismus sowie mehr vollständig funktionelle Schultoiletten.
Die Studie empfiehlt eine strukturell verankerte Partizipation der Schüler*innen. Zwei Drittel der befragten Schüler*innen geben an, dass ihnen die Schultoiletten im Schulalltag wichtig oder sehr wichtig sind. Darauf müsse aufgebaut werden, sagt Thilo Panzerbieter, der Gründer und Geschäftsführer der GTO im Rahmen der Pressekonferenz zur Veröffentlichung der Studie. „Erwachsene an einer Schule sollten sich bei dem Thema mehr auf eine positive Gruppendynamik mit dem Großteil der Schülerschaft konzentrieren, statt nur die wenigen „Schuldigen“ zu bestrafen. Die große Mehrheit der Schüler*innen leiden unter dem Verhalten einiger weniger, und dem fehlenden Handeln der Verantwortlichen“, sagt Panzerbieter. Deswegen gelte auch schnelles Handeln bei der Mängelbehebung. Hierfür müssten die Schulleitungen und Schulverwaltungen die Weichen stellen. „Die kurzfristigen Mühen und Kosten sollten nicht gescheut werden, denn langfristig könne durch weniger Vandalismus auch Geld eingespart werden“, sagt Panzerbieter.
Dr. Torsten Kühne, Berliner Staatssekretär für Schulbau und Schuldigitalisierung lobt die Initiative: „Die Studie liefert endlich belastbare Zahlen und nicht nur gefühlte Wahrheiten. Das bringt uns weiter, vielen Dank!“ Laut Kühne hat der Berliner Senat und die Bezirksebene bereits Maßnahmen ergriffen, um die Schulreinigung zu verbessern. Dazu gehöre eine engere Taktung der Tagesreinigung und selbstverständlich auch die große Berliner Schulbauoffensive. Auch sei eine ständige Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die an stadtweiten Qualitätsstandards und an einem nachhaltigen Controllingsystem arbeitet. Dazu werde man das Nutzungsverhalten von Schülerinnen und Schülern systematischer in den Blick nehmen, so Kühne.
Laut der Studie korreliert eine erhöhte Reinigungsfrequenz mit weniger Verschmutzung, weniger Vandalismus und erhöhter Funktionalität der Anlagen. Der Vorsitzende des Landeselternausschusses (LEA), Norman Heise berichtet, dass sich der LEA schon seit Jahren für zwei Reinigungszyklen in den Schulen mit Ganztagsbetrieb einsetzt und sich nun freue, dass die wissenschaftlichen Ergebnisse die Forderung des LEA untermauern.
Die Ergebnisse der Studie will die GTO nun sinnvoll nutzen. Der Verein plant im startenden Schuljahr eine Neuauflage des bundesweiten Wettbewerbs „Toiletten machen Schule“, der einen weiteren Anreiz zur Lösung von Problemen geben soll. Im Wettbewerb können Schulen, die Verbesserungen angehen und die Empfehlungen der Studie besonders gut umsetzen, Preise zur Verbesserung ihrer Sanitäranlagen gewinnen.
Die Studie der GTO und der Universität Bonn wurde gefördert von Domestos, einer Marke der Unilever Deutschland GmbH. Domestos und Unilever hatten keinen Einfluss auf die Fragestellungen, Durchführung und Auswertungsergebnisse.
Die German Toilet Organization e.V. (GTO) ist ein gemeinnütziger Verein, der im Oktober 2005 in Berlin gegründet wurde. Ziele der Arbeit der GTO sind: Schutz der Umwelt und Verbesserung der allgemeinen Gesundheit durch Steigerung des Bewusstseins für saubere und nachhaltige Toiletten- und Abwassersysteme.
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