Praxen schlagen Alarm: Enormer Kostendruck gefährdet ambulante Versorgung
Eine Inflationsrate von aktuell mehr als sechs Prozent lässt die Praxisausgaben massiv in die Höhe schnellen. Eine ausreichende Gegenfinanzierung ist wegen der gedeckelten Arzthonorare kaum noch möglich. „Ein niedergelassener Fach- oder Hausarzt kann die gestiegenen Kosten nicht über höhere Preise ausgleichen, sondern muss diese aus der eigenen Tasche bezahlen. Aufgrund der niedrigen Honorarpauschalen sind wichtige Untersuchungen und Behandlungen für die Patienten nicht mehr kostendeckend zu erbringen. Die Abschaffung der Neupatientenregelung hat die Lage für die Facharztpraxen weiter verschärft“, verdeutlicht Dr. Karsten Braun, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg.
„Die Stimmung bei Ärztinnen und Ärzten sowie Praxispersonal ist auf dem Tiefpunkt angelangt. Für junge Medizinerinnen und Mediziner wird die ambulante Versorgung zunehmend unattraktiv. Medizinische Fachangestellte (MFA) verlassen die Praxen in Richtung Krankenhäuser, weil sie dort besser verdienen“, so Braun. Allein in Baden-Württemberg hat sich Zahl der freien Arztsitze innerhalb von wenigen Jahren mehr als verdoppelt: 2015 gab es 465 freie Arztsitze, aktuell sind es 1090.
Dr. Karsten Braun fordert deshalb gemeinsam mit der stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Dr. Doris Reinhardt: „Das Bundesgesundheitsministerium und die Krankenkassen müssen jetzt dringend handeln, da sonst eine flächendeckende ambulante Patientenversorgung nicht mehr gewährleistet werden kann.“
In den in dieser Woche beginnenden Finanzierungsverhandlungen zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung und Krankenkassen müsse daher eine deutliche Steigerung des Orientierungswertes und damit der Preise für alle ärztlichen und psychotherapeutischen Leistungen erzielt werden. Durch die geringeren Steigerungsraten im ambulanten Bereich verschärft sich das Ungleichgewicht zu den Arztgehältern im Krankenhaus. Damit wird Niederlassung und die Übernahme unternehmerischer Risiken nicht adäquat vergütet. Aber auch die Anstellung in den vertragsärztlichen Praxen ist nicht adäquat gegenfinanziert.
Sollten die Krankenkassen nicht bereit sein, Verantwortung für ihre Versicherten zu übernehmen und ausreichend Geld für die ambulante Versorgung zur Verfügung zu stellen, wird sich die wirtschaftliche Lage der Praxen weiter verschlechtern mit entsprechenden Folgen für die Patientinnen und Patienten. Braun: „Damit Wartezeiten nicht noch länger werden, müssen die Praxen in die Lage versetzt werden, die enorm gestiegenen Kosten zu stemmen. Ohne Kompensation werden die Praxen ihr Leistungsangebot zwangsläufig einschränken müssen.“
Die KVBW veröffentlicht diese Pressemitteilung im Rahmen der bundesweiten Aktion aller Kassenärztlichen Vereinigungen unter dem Titel „PraxenKollaps – Praxis weg. Gesundheit weg!“
Heute und in den nächsten Wochen werden alle KVen themengleiche Pressemitteilungen in ihren Bundesländern veröffentlichen, um auf die akut gefährdete Situation der ambulanten Versorgung aufmerksam zu machen. Hintergrund sind die Finanzierungsververhandlungen auf Bundesebene, die am 9. August starten.
Höhepunkt der Aktion wird am 18. August eine gemeinsame Krisensitzung der Vertreterversammlungen aller Kassenärztlichen Vereinigungen gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in Berlin sein. Es werden ärztliche und psychotherapeutische Vertreterinnen und Vertreter aus ganz Deutschland erwartet.
Die KVBW vertritt als Körperschaft des öffentlichen Rechts über 23.500 Mitglieder (Ärzte, Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten) in Baden-Württemberg. Sie gestaltet und sichert die medizinische Versorgung für die gesetzlich Versicherten in Baden-Württemberg, schließt Verträge mit den gesetzlichen Krankenkassen, kümmert sich um die Fortbildung ihrer Mitglieder und die Abrechnung der Leistungen. Mehr unter www.kvbawue.de
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