Rückblick mit Trauer und Schmerz, eine Lebensbilanz in Gedichten und große Aufregung in Seberitz
Ein Werk, mit seiner Produktion einst lebensnotwendig für den jungen Arbeiter- und Bauern-Staat, wird „umprofiliert“, verschrottet. Dieser Prozess greift tief in die Schicksale, bis in die intimsten Beziehungen jener Figuren ein, die dem Leser bereits aus Erik Neutschs vorangegangenen Büchern von „Der Friede im Osten“ bekannt sind: Achim Steinhauer und seine Frau Ulrike, Erich Höllsfahrt und Frank Lutter.
Überzeugend und mit großer künstlerischer Gestaltungskraft zeigt der Autor, unter welcher Anspannung die Menschen am Ende der fünfziger und zu Beginn der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts um den Aufbau der neuen Gesellschaft kämpfen, wie sie die Macht der Arbeiter und Bauern verteidigen. Umso trauriger und schmerzhafter kann man daher aus heutiger Sicht auf die späteren Ereignisse und Entwicklungen in den folgenden Jahrzehnten vor und nach der Wende blicken, als ein großes gesellschaftliches Experiment gescheitert ist. „Wenn Feuer verlöschen“ bekommt so einen ganz anderen Sinn. Ob sie noch einmal entfacht werden können?
Eine Bilanz dessen, was im Leben als wichtig befunden wurde. Das sind die mit „Quintessenzen“ überschriebenen Gedichte von Ingrid Möller.
Ein Kinderbuch mit viel Musik und schönen Liedern, aber kein Liederbuch. So versteht sich „Ein Tag voll Musik. Beschäftigungsbuch für kleine Kinder“ von Steffen Mohr: Ein pädagogisch wertvolles Buch aus der DDR, das auch jetzt noch in den Kindergärten und zu Hause den Eltern eine wertvolle Hilfe ist, den Kleinen aber viel Spaß macht.
Große Aufregung im Dorf. Die herrscht in dem spannenden Kinderbuch „Die Pferdediebe von Seberitz“ von Martin Meißner. Denn das Ackerpferd Luci ist verschwunden. In seiner freien Zeit durften die Kinder auf ihr reiten. Doch dann sollte Luci verkauft werden …
Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Wieder einmal spiegelt sich die große Geschichte in der Geschichte eines Lebens, das der Autor sehr gut kannte:
Erstmals 1989 veröffentlichte Klaus Möckel im Verlag Neues Leben Berlin die „Geschichte eines knorrigen Lebens“: Man hat es nicht leicht mit ihm. Max ist eigenwillig, ein Mensch mit allerhand Schrullen. Ein Wühler, der jäh alles hinschmeißen kann, ein Querkopf, der sich nicht gern in eine Sache hineinreden lässt. Geboren 1907 in der Familie eines ehemaligen Bergarbeiters, der das Wohnzimmer seines Hauses zum Schankraum macht, ist er nach eigenen Worten zu ungeschickt, um anderswo als im „Schacht“ zu schuften. So rackert er jahrzehntelang untertage. Er überlebt einen Unfall, bei dem er zwischen zwei Kohlenzüge gerät, und beide Weltkriege – beim zweiten bewahrt ihn das „schwarze Gold“ vor der Front.
Der Hunger ist lange Zeit sein Begleiter. Was Wunder, wenn ihn der Gedanke ans Essen fasziniert. Viel muss es sein, zehn Klöße zum Mittag und zwanzig Pfund Brot die Woche, um die bei der Arbeit verbrauchten Kalorien auszugleichen. Doch Max, der seiner Frau das Rechnen überlässt, gern Bücher über ferne Länder liest, ohne großen Erfolg Englisch oder Russisch zu lernen versucht, ist viel mehr als ein starker Esser …
Mit viel Humor und einem Gespür für das Besondere hat Klaus Möckel die Geschichte seines Vaters aufgeschrieben, eines Arbeiters, wie man ihn in der heutigen Literatur kaum noch findet.
Der Auszug zeigt den Erfindungsreichtum, um die Not der Kriegs- und Nachkriegszeit zu überwinden:
"Ich kauf Leder und mach es selber. Wie bei den Arbeitslatschen."
Er reparierte die Schuhe tatsächlich, auf dem eisernen Dreifuß, laienhaft und fluchend, aber am nächsten Tag kam von unten ein Nagel durch, scheuerte ihm den Fuß wund, so dass aus dem Laufen die reinste Humpelei wurde. Und so fort. Schließlich wurde es ihm zuviel: "Also, hör zu, Frau, ich hab mit Karl Schmutzler geredet, er ist an der Harmonika interessiert. Hat mich schon früher mal angesprochen. Er will sie seiner Tochter zu Weihnachten schenken."
"Und ich war bei Fahrrad-Hempel, hab mir alles angeguckt und erklären lassen. Wir nehmen eins, das ganz stabil ist, legen lieber ein paar Mark drauf. Was die Harmonika nicht bringt, müssen wir eben abzahlen."
Der Austausch wurde vollzogen, die Kunst überließ ihren Platz dem so dringend benötigten Fortbewegungsmittel. Für Max war das Fahrrad, mit Vorderradbremse, Rücktritt und seinem Dynamo zur Beleuchtung, ein Wunderwerk der Technik. Dazu – lackglänzend und chromblitzend – eine Augenweide.
"Es trug mich von der Haustür bis zum Zecheneingang", sagt er. "Aus diesem Grund hat sich das Rad durchgesetzt wie heutzutage das Auto. Der Mensch macht sich’s gern bequem, verstehst du. Von Tür zu Tür fahren, das gefällt ihm. Nicht zu Fuß zur Bahn und nach Verlassen der Bahn wieder zu Fuß oder mit irgendeinem anderen Beförderungsmittel. Nein, von Tür zu Tür!"
"Wenn damals ein Auto kam", schaltet sich Mutter trocken ein, "ist er abgestiegen und hat sich hinter einen Baum gestellt. Aus Angst, überfahren zu werden."
"Ach Unsinn", Max ist verlegen.
"Behaupte bloß, es stimmt nicht."
"Lediglich am Anfang", gibt Vater zu, "ich musste ja das Fahren erst lernen. Außerdem war ich unsicher, den Verkehr nicht gewohnt. Andererseits war das Absteigen bloß möglich, weil es noch wenig Autos gab. Heutzutage käme man vor lauter Rauf und Runter gar nicht mehr vom Fleck."
"Jedenfalls war es eine große Erleichterung für dich", sage ich.
"Man konnte sich nach der Schicht auch mehr Zeit lassen. Mit dem Ausfahren, Waschen und so. Nicht hopp, hopp, damit man nur ja den Zug erreichte."
"Nur wenn er unterwegs eine Panne hatte", schränkt Mutter ein, "wenn er flicken musste oder gar schieben. Dann stand kein Stecken gerade."
"Vor allem später, im Krieg, als die Bereifung immer schlechter wurde und die Gummilösung nichts mehr taugte, musste ich oft vom Rad. Bin manchmal fast verrückt geworden."
Und ich stell mir vor, wie er am Straßenrand das Vorder- oder Hinterrad ausbaut. Der Schlauch hat ein winziges Loch, das erst lokalisiert werden muss. Also aufpumpen und ihn in einer Pfütze, im Graben nebenan so lange unter Wasser drücken, bis man die Blasen aufsteigen sieht. Dann die Stelle markieren und aufrauen, damit der Leim hält, dann kleben. Warten, bis die Verbindung stabil ist – das vielleicht Schwerste, weil man dazu Geduld braucht. Geduld aber, das kennen wir ja, hat Max nicht, immer wieder wird ihm das zum Verhängnis. So flickt er, reißt ab, flickt erneut, zieht die Bereifung auf und muss nach ein paar hundert Metern bereits erneut vom Rad.
"Einmal hat er das Rad in den Graben geschmissen", sagt Mutter, "und ist zu Fuß weiter. Fast zwei Kilometer. Dann hat er sich’s überlegt, ist umgekehrt." Und nach einer Pause: "Nicht nur unterwegs hat Vater Schläuche geflickt, sondern auch zu Hause. Wenn’s nicht gleich klappte, war dicke Luft. Wir haben uns verdrückt, du und ich."
Daran erinnre ich mich nicht, wohl aber an Augenblicke, da der Fahrradschlauch gegen die Hofmauer klatschte, wenn die Reparatur nicht erfolgreich war.
Erstmals 1985 erschien beim 1985 beim Mitteldeutschen Verlag, Halle (Saale) das dritte Buch des großangelegten Romanzyklus „Der Friede im Osten“ von Erik Neutsch: „Wenn Feuer verlöschen“. Schauen Sie doch mal rein:
Erich war zu Herbert Buchner nach Brumby gefahren, der bei einem Bauern den Kauf eines Ferkels vermittelt hatte. Er wollte es sich als Mastschwein halten und in den verwaisten Stall von Hanna Steinhauer stellen, die endlich, auch auf Anraten Achims, ihre Ziege abgeschafft hatte. Frau Borsky, seine Schwiegermutter, sollte es füttern. Im Winter würde das Schlachtfest sein. Und schon jetzt, wenn er daran nur dachte, lief ihm das Wasser im Mund zusammen, kitzelte der Geschmack von würziger Wurstsuppe und noch dampfendem, brühheiß aus dem Kessel geholtem Stichfleisch seinen Gaumen.
Der Bauer hatte gegrollt: "Schlimme Zeiten sind anjebrochen, und unsereins muß ja nu sehen, wo hei bliewt. Ik make noch schnell alles zu Jeld. Ooch die Säue… Im nächsten Jahr, wer wett, ob’s dann noch ein Abferkeln jibt uff eigenem Hof, ob sie uns dann nicht schon längst dat Fell über die Ohren jetreckt häwwen… Deine Kumpane, meine ik, Herbert, die von de Jenossenschaft."
"Nanana…", murmelte Buchner, doch ziemlich verlegen, so daß er allein hinzufügte: "Ich bin für die Öfen verantwortlich, nicht dafür, was in Zukunft aus euren Klitschen wird."
"Bist aber ooch so’n Roter."
Erich wollte Schärferes erwidern, unterließ es jedoch, um den Handel nicht zu gefährden, zumal der Bauer ihm anbot, das Ferkel noch einige Wochen von der Muttermilch zu nähren, sobald er einen Vorschuß zahle.
"Hoffentlich versetzt er mich nicht", sann Erich, als sie danach in Buchners Garten saßen, auf der Bank unter der Laube aus Jelängerjelieber, und die fast sommerliche Wärme genossen. "Du aber hättest nicht so zimperlich sein und ihm für seine Propaganda eins aufs Maul hauen sollen."
"Und warum hast du geschwiegen?"
"Bei mir war das was anderes. Er hatte seinen Preis noch nicht genannt."
"Daran siehst du, wie’s zugeht", entgegnete Herbert. "Geld verdirbt den Charakter. Kaum witterst du ein Geschäft, verläßt dich dein politisches Gespür, verrätst du dein Vaterland. Mich aber willst du vorschicken. Doch ich werde mich hüten, ich wohne hier. Ihr in den Neubauvierteln merkt ja gar nicht, welche Stimmung jetzt herrscht auf den Dörfern, seit die Kollektivierung auch den letzten Quertreiber eingefangen hat. Nur das ist der Unterschied: Mit der Peitsche, sagen die einen, mit dem Ochsenziemer die anderen …"
Das Buch „Quintessenzen“ von Ingrid Möller erschien erstmals 2006 im Verlag NORDWINDPRESS, Hof Grabow.
Viele Dinge sind anders, als sie scheinen. Viele Menschen sind anders, als sie sich geben. Es ist schwer zu erklären, wie Gedichte entstehen. Manche Probleme fressen sich so tief ins Innere und scheinen unlösbar. Bis sie schließlich – auf den Kern reduziert – in knapp gefassten Worten auf einen Zettel gekritzelt werden müssen und somit ihre Schwere verlieren, erledigt sind, irgendwo abgelegt werden. Oder es gibt Beobachtungen, plötzlich wahrgenommene Besonderheiten, die sich gewissermaßen von selbst formulieren, auch in knappster Form. So fügen sich im Laufe eines langen Lebens aus unterschiedlichen Zeiten, in unterschiedlichen Situationen „Quintessenzen“ zusammen, die mitunter schon vergessen waren, dann aber im Zusammenhang einen überraschenden Sinn ergeben: eine Bilanz dessen, was im Leben als wichtig befunden wurde.
Hier eine kleine Kostprobe:
Die Macht des Wortes
Die Alten glaubten
an die Macht des Wortes.
Segen oder Verwünschung
war ihnen
wie Leben oder Tod.
Erstarren lässt
die Unbedachtsamkeit
im Umgang mit Worten
heute.
Verletzbar durch Worte
sind wir nicht weniger.
Ein Wort tötet,
gesprochen im Zorn.
„Spring doch ins Wasser!“
und ich fühl mich ertrinken.
„Leg dich in die Gruft!“
und ich spüre den Moder,
„Wirf dich vors Auto!“
und ich fühl mich zermalmt.
Und es fällt mir
unendlich schwer,
weiterzuleben
nach so einem Wort.
Das Buch „Ein Tag voll Musik. Beschäftigungsbuch für kleine Kinder“ von Steffen Mohr erschien erstmals 1976 im VEB Deutscher Verlag für Musik Leipzig. Ein Kinderbuch mit viel Musik und schönen Liedern, aber kein Liederbuch. Kleine Geschichten und der jeweils anschließende Beschäftigungsteil führt Kinder ab 4 Jahre an Musik und das Musizieren heran. Man kann das Hören, Singen und Rhythmus schlagen mit den Kindern üben. Sie lernen laute und leise, hohe und tiefe Töne, traurige und fröhliche Weisen zu unterscheiden. Ein pädagogisch wertvolles Buch aus der DDR, das auch jetzt noch in den Kindergärten und zu Hause den Eltern eine wertvolle Hilfe ist, den Kleinen aber viel Spaß macht.
Und hier eine kleine Leseprobe:
„Du hast wohl keine Ohren?“
Matti brachte vor Schreck kein Wort heraus. Mit rotem Gesicht stand er vor Onkel Hajo, sah auf seine Schuhspitzen herunter und schämte sich. Sogar die Sommersprossen auf Mattis Nase wurden rot und schämten sich mit.
Und dann, weil Matti gar nichts sagte, fragte Onkel Hajo:
„Du hast wohl keinen Mund?“
Dann nahm er Matti an eine Hand und seinen Ball in die andere und brachte Matti in das grüne Haus zurück. Oh, hat die Oma da geschimpft! Man läuft ja auch nicht einfach auf die Straße los, ohne sich richtig umzusehen, nicht wahr?
Und Matti hat sich Onkel Hajos Fragen gut gemerkt. Er hat sich über sie gewundert, und immer wieder fielen sie ihm ein:
„Du hast wohl keine Ohren? Du hast wohl keinen Mund?“
Ja, darum träumt Matti jetzt: Es kommt — husch — husch! — ein Wind, und beide Ohren fliegen Matti weg! Matti hört nichts mehr!
„Ich brauche meine Ohren wieder!“, ruft er ärgerlich. „So kann ich doch nichts hören!“
Da eilt in seiner grünen Uniform mit seiner weißen Mütze Onkel Hajo herbei. „Wart’s ab, du Schlingel!“, ruft er. „Ich fange deine Ohren wieder ein!“
Doch das ist schwer. Denn überall im ganzen Garten und auf der Straße fliegen lauter Ohren im Wind!
Der Bello lugt aus seiner Hütte — hat keine Ohren.
Die Katze springt ihn miauend an — hat keine Ohren.
Der Fuchs schleicht aus dem Tann — auch ohne Ohren.
Und aus dem Haus heraus tritt Oma aufgeregt, sie schimpft: „Wo sind denn meine Ohren?“
Da hascht der Onkel Hajo ein Paar Ohren aus der Luft. Er setzt sie Matti an den Kopf: Klapp! Und: Klapp! Doch unser Matti staunt: Er hört mit diesen Ohren ja fast nichts! Was ist nur geschehen?
Da fangen alle an zu lachen: Denn dort an Mattis Kopf, dort kleben Bellos Ohren! Und der alte Bello hört ja schwer. Deshalb kann Matti jetzt fast gar nichts hören. Schnell gibt er Bello seine Ohren wieder. Der springt davon.
Und Onkel Hajo greift sich schon ein neues Ohrenpaar. Und setzt sie — klapp und klapp! — dem Matti an.
Doch was ist das? Ganz laut hört Matti alles nun und ganz genau. Sogar die Ameisen im Gras hört er so laut marschieren wie ein Heer Soldaten.
„Das sind nicht meine Ohren!“, ruft er. Reißt sie wieder ab und schaut sie an. Und sieht: Das waren die feinen, ganz genauen Ohren vom Fuchs. Dem gibt er seine Ohren, und der Fuchs springt in den Wald davon.
Was es für verschiedene Ohren gibt! Ganz feine und genaue – und solche, die fast nichts oder nur wenig hören.
Mit Omas Ohren würde Matti auch nicht viel verstehen. Bei alten Leuten hören die Ohren meist nicht so gut wie bei jungen.
Da! Endlich fängt Onkel Hajo Mattis Ohren wieder ein.
„Ja, das sind meine Ohren!“, freut sich Matti. Und nun ist er zufrieden.
Das alles träumt Matti. Und draußen geht die Sonne auf. Und Matti dreht sich noch mal um in seinem Bett. Und Matti hat noch einen komischen Traum.
„Du hast wohl keinen Mund?“, fragt Onkel Hajo ihn im Traum.
„Natürlich hab’ ich …“, will Matti gerade antworten. Da kann er kein Wort reden. Sein Mund ist weg!
„So ein verflixter Wind!“, schimpft Onkel Hajo. Ja, sieh mal an: Der Wind hat allen ihre Münder weggeweht! Gerade fliegt ein Katzenschnäuzchen durch die Luft. Es schwirrt vorbei! Er hascht es schnell und setzt sich’s auf. Und Matti sagt: – ja, was sagt Matti bloß? – „Miau! Miau!“, mauzt Matti.
„Ach, gib mal her“, brummt Onkel Hajo. Und nimmt ihm das Schnäuzchen wieder weg. Und fischt ihm einen Amselschnabel aus der Luft.
„Piep! Piep!“, zwitschert Matti. „Piep! Piep!“
Ein Schweinerüssel hilft dem Matti auch nicht weiter: „Gchru … Gchru“, grunzt Matti wie das Schwein im Stall.
Die Oma läuft mit Bellos Hundemaul im Garten hin und her. Die Oma bellt: „Wau-wau! Wau-wau!“
Da ist der Traum schon aus.
Das Kinderbuch „Die Pferdediebe von Seberitz“ von Martin Meißner erschien erstmals 1972 in Der Kinderbuchverlag Berlin. Am schönsten war es für Mikusch und seine Freunde, wenn Luci frei hatte. Luci war ein dickes Ackerpferd, das einen schweren Pflug über die Felder von Seberitz und Erntewagen voll beladen in die Scheunen zog.
In der freien Zeit graste das Pferd draußen auf der Koppel. Dann durften die Kinder auf ihm reiten. Fünf mit einem Mal, so stark und gutmütig war das Tier. Auch Kunststücke machte es bereitwillig mit.
Das änderte sich aber, als die Bauern der landwirtschaftlichen Genossenschaft Traktoren und große Erntemaschinen anschafften. Luci wurde arbeitslos und sollte verkauft werden.
Eines Nachts aber war Luci verschwunden. Große Aufregung im Dorf!
Wer waren die Pferdediebe von Seberitz?
Bringt der folgende Textauszug die Lösung?
Als Bauer Dobberkau zuletzt die Zinkwanne hochgab, band Bolle schon die Leine los. Da waren die Tiere nicht mehr zu halten. Noch ehe Dobberkau aufsteigen konnte, preschten sie vom Hof. Er schrie den Jungen nach: „Haltet euch fest! Und von der Straße herunter! Von der Straße herunter, sobald es geht!“
Aber das letzte hatten die beiden schon nicht mehr gehört. Der Mann rannte gleich zur Garage, um das Motorrad herauszuholen. Er kannte die Pferde und wollte den Kindern zu Hilfe eilen.
Indessen ratterte der Wagen mit seinen eisenbeschlagenen Holzrädern schon über das Straßenpflaster. Emil klammerte sich mit der einen Hand an der Horde fest, und mit der anderen hielt er die Wanne. Bolle versuchte, die Pferde mit der Leine zum Stehen zu bringen, aber es gelang ihm nicht. Dadurch wurde es noch schlimmer. Die Leine riss beim kräftigen Ziehen. Er konnte jetzt nur noch nach rechts lenken. Das nützte aber wenig, denn dorthin führte gar keine Straße. Es hätte auch keinen Sinn gehabt. Die Pferde gingen durch.
Als sie am Spritzenhaus der Feuerwehr vorbeikamen, konnte Emil die Wanne nicht mehr halten, sie schepperte gewaltig auf das Straßenpflaster. Durch das Getöse erschraken die Tiere und rasten in immer wilderer Fahrt dem Dorfausgang zu.
Zu allem Überfluss hörten die Jungen noch, wie auf der Chaussee die Bahnschranken heruntergelassen wurden. Dadurch kam plötzlich eine große Gefahr auf sie zu. Die Pferde konnten in ihrer Wildheit in den fahrenden Zug galoppieren oder durch den Chausseegraben auf einen Acker ausweichen. Das würde den Wagen bestimmt umwerfen.
Die beiden Jungen konnten sich allein nicht helfen. Emil klammerte sich an der Seitenwand fest, die schon immer mehr nach innen wegrutschte. Bolle rief den Pferden Kommandos zu, doch sosehr er auch schrie, sie reagierten nicht auf seine Befehle.
„Halt!“, rief Bolle und, „Brr!“ Er versprach ihnen Zucker und Hafer, soviel sie fressen konnten. Doch es nützte alles nichts. Harraß und Laura waren mit keinem Mittel aufzuhalten. Es waren schnelle Tiere, und sie hatten viel Kraft, weil ihnen die neuen Maschinen die schwere Arbeit abnahmen.
Emil konnte in der Höllenfahrt schon gar keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen. Er nahm seine Brille ab und steckte sie in die Tasche. Wenn das Unglück kam, konnte er es wenigstens nicht so genau sehen.
Bolle tat sein Möglichstes, aber er war machtlos, weil das eine Leinenende abgerissen herunterhing.
Das alles geschah gerade zu der Zeit, als Mikusch Luci wieder einmal auf die Weide ritt. Er ließ das Pferd langsam die Dorfstraße entlangtrotten.
Plötzlich hörte er, wie ein Kastenwagen über die Straße knatterte. Es war der letzte, der noch im Dorf gefahren wurde, aber auch nur gelegentlich, wenn die Gummiwagen gerade alle zu anderen Arbeiten genutzt wurden. Die unpraktischen Kastenwagen verwendete man gewöhnlich nicht mehr. Früher stellte sie der Stellmacher des Dorfes selbst her. Die Zeiten waren aber längst aus dem Dorf gegangen.
Es dauerte nicht lange, da sah Mikusch, wie Harraß und Laura um die Ecke rasten. Er hörte, wie Bolle aus dem Stroh die Pferde anschrie: „Brr!“ und „Halt!“ Doch das Fahrzeug stürmte an dem Reiter vorbei. Mikusch erkannte sofort, dass sich die beiden Freunde nicht selbst helfen konnten. Er begriff auch die Gefahr, in der sie sich befanden.
Luci hatte die Ohren angelegt und erregt zu den anderen Pferden geschaut, als sie im Galopp angerannt kamen. Mikusch hatte keinen anderen Gedanken, als dass sie beide hier helfen mussten.
Er rief der Stute zu: „Lauf, Luci, lauf, die müssen wir noch kriegen!“ Heute war er barfuß, und so konnte er ihr die Hacken etwas kräftiger in den Bauch drücken.
Luci wieherte und legte die Ohren noch mehr nach hinten. Aus einem leichten Trab ging sie gleich in den schnellen Galopp über. Mikusch machte sich auf ihrem Rücken ganz klein. Jetzt brauchte er das Pferd nicht mehr anzufeuern, es erkannte die Situation selbst.
Die Lokomotive auf dem Bahnhof hatte ihre Abfahrt schon mit einem harten Pfiff angezeigt. So wurde die Gefahr für Bolle und Emil immer größer.
Luci war jetzt sehr schnell, und die Entfernung zu dem Wagen wurde zusehends kleiner.
Sie lief, wie es noch keiner im Dorf gesehen hatte, und Mikusch war ein guter Reiter. Auch bei diesem Tempo hielt er sich nur mit einer Hand in der dichten Mähne fest.
Bald war das Hinterrad des Wagens erreicht. Mikusch sah, wie sich Emil verzweifelt an der Wand festhielt. Gerade fiel wieder ein Bund Stroh auf die Straße.
„Haltet euch ganz fest“, rief Mikusch den Freunden zu. Sie waren nicht mehr weit von der Schranke weg. Der Zug, der sich nun schniefend näherte, machte die Pferde noch wilder, aber der Reiter war schon am Vorderrad. Er drückte Luci immer dichter an Harraß heran, der auszuweichen versuchte.
Jetzt kam gleich links der Weg, der nach Langenvorbeck ging. Hier war die einzige Möglichkeit, von der Chaussee herunterzukommen. Aber Bolle konnte ja nicht lenken. Als die Stute nun in Höhe der beiden anderen Pferde war, fasste Mikusch die Mähne fester und beugte sich weit zu Harraß hinüber. Er hing Luci fast am Hals. Blitzschnell griff er nach dem Zaumzeug des wilden Wallachs und zog kräftig an dem Leinenende. So bogen sie in den Langenvorbecker Weg ein. Die Gefahr war gebannt. Mikusch und Luci hatten es geschafft, die Freunde waren gerettet.
Was meinen Sie, warum Luci, das Ackerpferd aus Seberitz, verschwunden ist? Sollte es in dem Dorf tatsächlich Pferdediebe geben? Oder haben vielleicht die Kinder etwas mit seinem Verschwinden zu tun? Das sind spannende Fragen, die zur Lektüre dieses Kinderbuches aus den 1970er Jahren einladen – und in ein altmärkisches Dorf zu DDR-Zeiten, als dort die LPG-Zeit begann und sich vieles änderte.
Ebenfalls ein Stück DDR-Geschichte thematisiert Erik Neutsch im dritten Buch seines großangelegten Romanzyklus „Friede im Osten“, in dem man noch einmal erfahren kann, wie es damals gewesen ist – zumindest aus Sicht des vor nunmehr zehn Jahren gestorbenen Autors, der bis zuletzt an seinen kommunistischen Überzeugungen festgehalten hatte. Und das sollte man akzeptieren, auch wenn sich heute sicher über nicht wenige Entscheidungen und geschichtliche Ereignisse der Vergangenheit diskutieren lässt.
Komplettiert wird die heutige Post aus Pinnow durch eine Lebensbilanz in Gedichten, ein ungewöhnliches Musik- und Liederbuch sowie noch einen ebenfalls spannend und mit viel Gewinn zu lesenden biografischen Text über ein knorriges Leben. Und damit sind wir auch schon wieder fast am Ende der heutigen Sonderangebote. Alles in allem wieder ein abwechslungsreiches Angebot aus dem Hause EDITION digital.
Viel Vergnügen beim Lesen, beim Zurück- und Vorausblicken, weiter einen schönen Sommer, bleiben auch Sie weiter vor allem schön gesund und munter und bis demnächst. Worauf dürfen sich die Newsletter-Leserinnen und Newsletter-Leser dann freuen?
Zum Beispiel auf ein weiteres, ebenfalls recht bekanntes und auch verfilmtes Buch von Erik Neutsch sowie auf die historisch-fantastische Erzählung „Unter dem Banner des weißen Hirsches“ des vielseitigen Berliner Schriftstellers Klaus Möckel. Möckel? Genau, das ist doch der mit dem „knorrigen Leben“. Siehe weiter oben.
EDITION digital war vor 28 Jahren ursprünglich als Verlag für elektronische Publikationen gegründet worden. Inzwischen gibt der Verlag Krimis, historische Romane, Fantasy, Zeitzeugenberichte und Sachbücher (NVA-, DDR-Geschichte) sowie Kinderbücher gedruckt und als E-Book heraus. Ein weiterer Schwerpunkt sind Grafiken und Beschreibungen von historischen Handwerks- und Berufszeichen sowie Belletristik und Sachbücher über Mecklenburg-Vorpommern. Bücher ehemaliger DDR-Autoren werden als E-Book neu aufgelegt. Insgesamt umfasst das Verlagsangebot, das unter www.edition-digital.de nachzulesen ist, mehr als 1.300 Titel. E-Books sind barrierefrei und Bücher werden klimaneutral gedruckt.
EDITION digital Pekrul & Sohn GbR
Alte Dorfstraße 2 b
19065 Pinnow
Telefon: +49 (3860) 505788
Telefax: +49 (3860) 505789
http://www.edition-digital.de
Verlagsleiterin
Telefon: +49 (3860) 505788
Fax: +49 (3860) 505789
E-Mail: editiondigital@arcor.de