Sport

Schneller Ritt durch ein stürmisches Küstenrennen

Der Auftakt in die ORC Worlds 2023, die Weltmeisterschaften der Seesegler vor Kiel, hätte kaum rasanter ausfallen können. Nach dem Startschuss vor dem Sportboothafen Düsternbrook rauschten die 113 Yachten durch die Kieler Innenförde, flogen auf der Außenförde über den Parcours in Richtung Stollergrund und zogen dann in einer langen Perlenschnur ins Ziel vor dem Olympiahafen von Schilksee. Bei Windgeschwindigkeiten in den Spitzen von über 40 Knoten (75 bis 80 km/h) hatten viele Crews ihre Segelfläche reduziert, die Titelanwärter indes holten alles aus ihren Yachten heraus. In die Führungspositionen schoben sich die „Beau Geste“ (Karl Kwok, Hongkong) in der Klasse A, die „Windwhisper 44“ (Marcin Sutkowski, Polen) in der Klasse B und die beiden estischen Yachten „Matilda 4“ (Juss Ojala) und „Shadow“ (Harles Liiv). Trotz der harten Bedingungen brachen nur sechs Mannschaften das Rennen ab, das wegen der Windbedingungen nicht durch die Nacht führte, sondern nur durch die Kieler Innen- und Außenförde.

Nach dem Marsch der Nationen am Sonntagabend zur Eröffnungsfeier gab es am Montagmorgen vor dem ersten WM-Start das Einlaufen der Yachten in die Kieler Innenförde, bevor alle Starter vor dem Sportboothafen eingecheckt waren. Die Ambitionen der Crews waren da schon an der Segelgarderobe zu erkennen. Während die Top-Mannschaften viel Tuch oben hatten, fuhren andere mit maximal gerefftem Großsegel, und sogar ein orange-farbenes Sturmsegel war zu sehen. Im Schutz der Innenförde, ohne Welle, aber mit einigen heftigen Böen, gelang dem Wettfahrtleiterteam um Eckart Reinke das Startverfahren ohne Probleme. Alle vier Gruppen wurden ohne Frühstart auf den Kurs geschickt.

In der Gruppe A setzte sich die WM-Titelverteidigerin „Beau Geste“ von Karl Kwok (Hongkong) gleich an die Spitze des Feldes, die „Outsider“ von Tilmar Hansen (Kiel) dicht dran auf der Steuerbordseite. In dieser Reihenfolge und mit einem Abstand von weniger als drei Minuten jagten sich die beiden TP52 über den Kurs. Kurzzeitig wurde auf der „Beau Geste“ sogar der Spinnaker gezogen, bevor sie als erste Yacht nach gerade einmal einer Stunde und 20 Minuten Segelzeit über die Ziellinie zog.

„Wir lagen auf dem Downwinder in Führung, wurden durch den Wind aus 140 Grad angehoben. Daher schien es uns sicherer, den Spinnaker zu setzen, um tief genug zur Bahnmarke zu segeln. Das war nicht meine erste Wahl, aber das war besser, als zweimal halsen zu müssen. Ich glaube, wir hatten den Spi nur drei Minuten oben“, berichtete Gavin Brady, Taktiker auf der „Beau Geste“. Auch nach berechneter Zeit lag die TP52 aus Hongkong damit an der Spitze. Auch Tilmar Hansen von der „Outsider“ war mit Tag rundum zufrieden: „Es war eine perfekte Entscheidung des Race Committes, dieses Rennen zu starten. Das Startgebiet war fantastisch. Es war großartig, so viele bekannte Gesichter dort draußen zu sehen. Jeder hat hart gearbeitet und hatte Spaß.“

In den Gruppen der kleineren Yachten war der Spaßfaktor zwar geringer, aber auch dort ging es ohne große Komplikationen über die Bahn. „Es war an der Grenze. Wir hatten in der Spitze 40 Knoten Wind. Das ist wirklich viel für diese Boote. Gerade die Kreuz war hart, obwohl es dort für uns sehr gut lief. Am Ende muss man sagen, es ist eine WM und damit war es okay. Aber es muss nicht mehr sein“, sagte Jens Kuphal (Berlin) von der „Intermezzo“, die als erste B-Klasse-Yacht ins Ziel kam, berechnet auf Rang vier liegt. „Das ist ein guter WM-Auftakt. Auf die ‚Windwhisper‘ konnten wir nicht genügend Zeit rausfahren“, so Kuphal.

Überglücklich war Harald Brüning (Kiel) von der „Topas“ in der Gruppe C: „Unsere lokalen Kenntnisse von dem Revier haben uns geholfen. Wir hatten volles Groß oben und wussten: Das halten wir, das kennen wir. Der Start war super, andere waren dagegen sehr zurückhaltend. Damit konnten wir uns gleich gut positionieren und sind ganz nach vorn gefahren. Wir hatten richtig Spaß: Bei jedem Surf gab es ein großes ‚Hurra‘ an Bord.“ Berechnet reichte es für die Kieler zum zweiten Platz in ihrer Startgruppe. Durch die Aufteilung der Teilnehmer-stärksten Klasse in zwei Startgruppen gibt es mit den beiden estischen Mannschaften von der „Matilda 4“ und „Shadow“ aktuell zwei Führende. Harles Liiv von der „Shadow“ berichtete von dem Kurs: „Es war eine neue Erfahrung für uns, bei starkem Seitenwind und so engen Bedingungen in der Förde zu segeln. Das Einzige, was das Segeln erschwerte, waren die langsameren Boote der vor uns gestarteten Flotte, die wir nach acht Minuten erwischten. Die Bedingungen waren noch nicht so schwierig, wir mussten nicht reffen und hatten ein tolles Rennen – wir haben ein gutes Boot und ein tolles Team und sind mit dem Ergebnis zufrieden. Es war ein viel kürzeres Rennen, als wir erwartet hatten, aber wenn wir jetzt auf das Meer schauen, sind wir genau zum richtigen Zeitpunkt losgefahren.“ Auch die nationale Konkurrenz um Juss Ojala von der „Matilda 4“ war sehr zufrieden: „Es war ein ungewöhnlicher Start, aber für alle gleich war. Die schnellsten Boote waren bei solchen Bedingungen im Vorteil, und die J112-E-Boote wie unseres waren heute die Gewinner. Das Besondere für uns heute war, dass wir zum ersten Mal im Leben dieses Bootes unser Großsegel gerefft haben, was sich positiv auf die Geschwindigkeit des Bootes auswirkte. Die bisher geleistete Arbeit für diese Veranstaltung hat uns nach einem so tollen Start ein Lächeln ins Gesicht gezaubert!“

Für den weiteren Ablauf der WM wurde bis in die Abendstunden im Kreise der Wettfahrtleitung beraten. Für den Dienstag gibt es zwei Optionen: Ob ein weiteres Coastal Race oder die Langstrecke gesegelt wird, entscheidet sich am Dienstag um 7 Uhr.

Weitere Stimmen zum ersten WM-Tag:
Jonas Misul, „Universitas“, Klasse B: „Wir haben das Rennen auf dem Upwind abgebrochen. Es schien uns zu gefährlich und wir wollten das Material schonen. Wir sind alles Studenten, wollen Spaß bei dieser WM haben. Ab Mitte der Woche, wenn der Wind etwas nachlässt, starten wir durch.“

Lars Hückstädt, „X-Day“, Klasse A: „Die Hälfte des Rennens hat Spaß gemacht, die andere Hälfte war zu viel Wind für unser Boot – vor allem auf der Kreuz. Mit der Ausschreibung, dass es kein Windlimit gibt, hat man sich im Vornherein vielleicht etwas zu sehr herausgewagt. Man sollte auch an das Material denken. Aber wir hatten auch unsere Spaß-Momente, sind ohne Spi 19 Knoten gesegelt und sind da rausgekommen, was wir uns vorgenommen hatten.“

Jani Lehti, „Mercedes Benz“, Klasse A: „Es war ein hartes Rennen mit 30 bis 40 Knoten Wind – mehr ein Überlebenskampf als eine Rennen. Auf dem Downwinder hatten wir mit dem kleinsten Vorsegel und dem ersten Reff im Groß 20 bis 21 Knoten Speed. Am Ende sind froh, dass wir ohne Schaden in den Hafen gekommen sind. Wir haben uns für die WM einen Podiumsplatz vorgenommen, aber das wird schwer gegen die TP52.“

Kai Mares, „Immac Fram“, Klasse C: „Leider haben wir den Start etwas verpennt, dadurch war es für uns kein so gutes Rennen. Vom Wind her war es an der Grenze des Segelbaren. Zum Glück waren wir rechtzeitig im Hafen, bevor es richtig losging.“

Jürgen Klinghardt, „Patent 4“, Klasse C: „Es war ein schnelles, aber anspruchsvolles Rennen, sogar mit einer kleinen Kreuz. Wir hatten die Genua 4 oben und ein Reff im Großsegel. Die Bedingungen waren hart. Aber wenn man richtig vorbereitet war und die richtige Segelwahl getroffen hat, dann war es okay. Heute hat die Seemannschaft gewonnen.“

Arjen von Leeuwen, „Joule“, Klasse C: „Dreiviertel des Kurses waren okay, aber wir haben auch Böen bis 42 Knoten gesehen. Es war mehr ein Überlebenskampf. Die größte Schwierigkeit war allerdings in die Hafenbox zu kommen. Wir sind froh nun hier zu sein und ein Bier zu trinken. Ein Ziel für die WM haben wir nicht ausgegeben, dazu kennen wir das Revier zu wenig.“

Gordon Nickel, „Aquaplay“, Klasse C: „Das hatte heute wenig mit Racing zu tun. Für diesen Zweck sind wir nicht hier. Wir sind froh, dass wir heil angekommen sind, denn wir müssen auch die Verantwortung für die Boote übernehmen. Heute steht noch etwas Bootsarbeit an. Wir mussten auf dem Downwinder das Vorsegel wechseln, nachdem wir uns einen Riss zugezogen hatten.“

Zeitplan der ORC-Weltmeisterschaft (4. bis 12. August 2023):

  • Montag, 7. August, bis Freitag, 11. August: Wettfahrten
  • Samstag, 12. August: Abschlussrennen und Siegerehrung
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