Die sanfte Revolution der venezianischen Malerei
Die Ausstellung widmet sich den bahnbrechenden Neuerungen der venezianischen Malerei, die bis weit in die europäische Moderne nachwirkten. Sie vereint 15 Meisterwerke der Münchner Sammlung mit rund 70 internationalen Leihgaben und konzentriert sich dabei auf Porträts und Landschaften aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Denn hier treten die Charakteristika und Errungenschaften der in Venedig florierenden Malkunst besonders deutlich hervor.
Kriege und Epidemien sowie auch die Entdeckung neuer Seewege bedrohten zu Beginn des 16. Jahrhunderts den Wohlstand der See- und Handelsmacht Venedig. Doch auf dem Fundament der vielseitigen kulturellen Traditionen der Stadt und dank deren humanistischer Prägung setzte sich ihre künstlerische Blüte fort. In enger Verbundenheit mit ihren Mäzen:innen schufen die führenden Künstler:innen subtile Darstellungen individueller Persönlichkeiten, die zwischen Real- und Idealbildnis, zwischen repräsentativem und lyrischem Porträt changieren. Ebenso erfolgreich und im Wettstreit mit der Poesie malten sie atmosphärische Landschaftsansichten, die sich bald als eigenständiges Bildthema etablierten.
Um 1500 war das autonome Porträt, das den einzelnen Menschen zum alleinigen Gegenstand der Darstellung macht, fest in der venezianischen Kunst verankert und wurde vor allem nach nordalpinen Vorbildern weiterentwickelt. MitGiorgiones revolutionärem Schaffen entstanden dann neue Bildnistypen, die lebensnah oder idealisierend die äußere wie innere Bewegung der Porträtierten einfangen. Zahlreiche männliche Porträts aus dem Zeitraum 1505 bis 1530 dokumentieren den Wandel vom vordergründigen Abbild hin zu einer stärker psychologisch motivierten Erfassung des Menschen. Vor allem Tizianrichtete seinen Blick nicht nur auf den gesellschaftlichen Status, sondern auf den Charakter seines Gegenübers. Als Inbegriff des venezianischen Frauenporträts gelten die rätselhaften belle donne, die dem petrarkistischen Schönheitsideal entsprechen, zugleich aber Individualität und Lebensnähe zeigen. Die daraus resultierende Mehrdeutigkeit trägt zu ihrem besonderen Reiz bei.
In weiten imaginären Landschaftsräumen präsentieren Giovanni Bellini und die seinem Vorbild folgenden Maler:innen die Figuren ihrer Andachtsbilder – inspiriert von nordalpiner Tafelmalerei und Druckgraphik. Die Ausblicke in die Natur sind dabei mehr als schmückender Hintergrund: Sie transportieren Bedeutungen und Stimmungen, regen zum assoziativen Schauen und kontemplativen Nachsinnen an. Neben den Andachtsbildern boten allegorische oder mythologische Darstellungen Gelegenheit, Landschaftsmotive in Szene zu setzen. Poetische von Hirten und Nymphen bewohnte Idyllen, die im Medium der Zeichnung und Druckgraphik weite Verbreitung fanden, erklären sich aus der in Venedig kultivierten Sehnsucht nach arkadischen Gegenwelten. Die humanistischen Zirkel, in denen mit Giorgione, Tizian und Sebastiano del Piombo auch die Protagonisten der neuen Landschaftsmalerei verkehrten, pflegten ein intensives Interesse an der antiken wie zeitgenössischen Hirtendichtung.
Mit ihren innovativen Bildfindungen entsprachen die in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts tätigen Künstler:innen den Wünschen ihrer Auftraggeber:innen – deren Sehnsucht nach Muße und Schönheit, nach Liebe und Erkenntnis. Die sanfte Revolution der venezianischen Malerei macht das Selbstverständnis der damaligen kulturellen Eliten bis heute gegenwärtig. Ihre Schöpfungen laden zu einer Zeitreise ein und rufen Themen auf, die von ungebrochener Relevanz sind.
Die szenographisch gestaltete Ausstellungspräsentation, die an einzelnen Positionen von Klanginstallationen begleitet wird, befragt die Exponate hinsichtlich ihrer Entstehungszusammenhänge und zeitgenössischen Lesarten – in thematischen Gruppen sowie in Gegenüberstellungen mit Zeichnungen, druckgraphischen Arbeiten und Skulpturen. Zu sehen sind vor allem Werke folgender Künstler: Giovanni Bellini, Giovanni Battista Cima da Conegliano, Marco Basaiti, Vincenzo Catena, Andrea Previtali, Giorgione, Palma il Vecchio, Lorenzo Lotto, Giovanni Girolamo Savoldo, Giulio und Domenico Campagnola, Bartolomeo Veneto, Sebastiano del Piombo, Bernardino Licinio, Tizian, Paris Bordone und Tintoretto.
Kurator: Andreas Schumacher
Wissenschaftliche Mitarbeit: Annette Kranz, Johanna Pawis
Kuratorische Assistenz: Theresa Gatarski
KATALOG
Begleitend zur Ausstellung erscheint ein umfangreich bebilderter Katalog in einer deutschen und einer englischen Ausgabe.
Beiträge von T. Gatarski, J. Grave, C. Henry, H. Kaap, A. Kranz, A. Mazzotta, J. Pawis, A. Schumacher, C. Whistler.
Hirmer Verlag, 256 Seiten und 166 Abbildungen, 21,5 x 26,5 cm, Klappenbroschur, erscheint 10/2023
Museumsausgabe: 34 Euro (begrenztes Kontingent)
Verlagspreis/Buchhandelspreis: 39 Euro
ISBN: 978-3-7774-4174-0 (dt.) / ISBN: 978-3-7774-4176-4 (engl.)
Hg. Andreas Schumacher
BEGLEITPROGRAMM
Neben einem umfassenden Führungsangebot begleiten Workshops, Konzerte sowie das Format „After Work – Vino, Arte, Musica“ die Ausstellung.
Weitere Informationen zur Ausstellung und zum Begleitprogramm
ÖFFNUNGSZEITEN
Bitte beachten Sie die verlängerten Öffnungszeiten am Dienstag und Mittwoch bis 20.00 Uhr.
DI-MI 10.00-20.00
DO-SO 10.00-18.00
MO geschlossen
Kooperationspartner
Orchesterakademie der Münchner Philharmoniker, Yehudi Menuhin Live Music Now München e. V., Staatstheater am Gärtnerplatz, Garibaldi, Highlights – Internationale Kunstmesse München, The Charles Hotel, Air Dolomiti, All About Italy
Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft des Botschafters der Italienischen Republik in Deutschland.
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