Löst ein soziales Pflichtjahr gesellschaftliche Probleme?
IHK-Präsident Markus Maier hieß die 60 Zuhörer am außergewöhnlichen wie imposanten Veranstaltungsort bei der Firma Richter in Heubach zur Diskussionsveranstaltung willkommen. Das kontrovers diskutierte Thema eines Pflichtdienstes für junge Menschen und die Argumente Pro und Contra seien äußerst vielschichtig. Dafür sprächen eine Stärkung des Zusammenhalts in der Gesellschaft und der Persönlichkeit junger Menschen. „Das soziale Pflichtjahr kann als Orientierungszeit, auch für den beruflichen Werdegang, genutzt werden und dem Fachkräftemangel in einigen Bereichen entgegenwirken – durchaus wichtige Themen für unsere Gesellschaft und unsere Mitgliedsunternehmen“, so IHK-Präsident Maier. Gegen einen verpflichtenden Dienst sprächen verfassungsrechtliche Bedenken, eine daraus resultierende mangelnde Motivation oder ein Zurückstehen von beruflicher Bildung für ein Jahr. Bernd Richter, IHK-Vizepräsident und Geschäftsführer der Richter lighting technologies GmbH, Heubach, stellte die Räumlichkeiten zur Verfügung. Ihm sei es wichtig, diese Veranstaltung zu ermöglichen. Und das Thema passe natürlich perfekt zum Unternehmen Richter lighting technologies: Dort arbeiten junge Menschen aus einer Vielzahl von Ländern mit einem besonderen „Spirit“ gemeinsam am Erfolg des Unternehmens. IHK-Hauptgeschäftsführer Thilo Rentschler moderierte die Veranstaltung. „Solidarische Systeme sind notwendig. Schulabgänger stehen dem Arbeitsmarkt zwar erst ein Jahr später zur Verfügung, doch es ist kein volkswirtschaftlicher Verlust, wenn Menschen mitarbeiten und sich für Gesellschaft engagieren“, so Rentschler. Es sei eine Orientierungszeit um sich auszuprobieren – auch für den späteren Beruf. Und natürlich könne die Begeisterung für ehrenamtliches Engagement entfacht werden.
Richard Arnold, Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd, führte in die Thematik ein. Das Klima in der Gesellschaft sei rauer und kälter geworden. Angriffe auf Ordnungshüter häuften sich und Populisten nutzten Ängste und Sorgen der Menschen aus. „Es gilt Orte zu stärken, die Menschen wieder zusammen bringen und die Bereitschaft sich für das Gemeinwohl einzusetzen vorantreiben“, so Arnold. Gemeinsinn entstehe nicht von selbst und Fähigkeiten müssten ausgebildet werden, hierfür wäre ein soziales Pflichtjahr sinnvoll. Ohne Pflicht gehe es nicht. Er wies dabei auf die existierende Schul- und Steuerpflicht hin.
Einen zweiten Impuls gab es von David Grüner, Wirtschaftsjunior und Geschäftsführer der Firma Grüner GmbH in Gerstetten. Durch seinen eigenen Perspektivenwechsel als junger Mensch wurde er ehrenamtlich tätig. Im Ausland war er im Einsatz für Schulen und Menschen, aber auch im kirchlichen Ehrenamt. Durch das Ehrenamt habe sich seine Motivation entwickelt. Egoismus aus – Gemeinwohl an, sei seine Motivation für sein Engagement. „Ich engagiere mich, denn ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben“, so Grüner. Persönliche Entwicklung, Horizonterweiterung, aber auch eine erfüllende Pause seien Vorteile durch soziale Dienste.
Siegmar Nesch, Vorstandsmitglied der BARMER, gab einen weiteren Impuls. Inzwischen sei Fluktuation ein Problem für viele Arbeitgeber geworden, denn die jungen Menschen suchten nach Orientierung. Diese Orientierung könne die „Dienstpflicht“ geben. Früh Verantwortung zu übernehmen, beispielsweise in Vereinen könnte dafür sorgen, dass die Jugendlichen aus ihrer „Blase herausblicken“. So ließen sich Vereine und auch das Ehrenamt stärken, zumindest für eine gewisse Zeit. Vielleicht ließe sich das soziale Engagement auch auf Lebensperioden ausweiten.
Durchaus positiv sahen die Teilnehmer der Veranstaltung das soziale Pflichtjahr. Einige Denkanstöße gab es jedoch: Müssten dann unmotivierte Jugendliche ein Jahr lang „mitgenommen werden“ und blockierten so vielleicht den Betrieb? Was ist mit den bis 2030 fehlenden 30.000 Fachkräften für Ostwürttemberg – wird das soziale Pflichtjahr diese Lücke noch vergrößern?
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