Logistik im Wandel
So wie die Branche, hat sich auch die BCO Conference in den letzten Jahren erkennbar gewandelt. Aus einem Management-Meeting, das erstmals im Herbst 2018 in Düsseldorf stattfand, ist eine hochkarätige Veranstaltung geworden, die in diesem Jahr nicht nur namhafte Speaker anlockte, sondern auch rund 100 Teilnehmer aus Europa und Asien. Eine erstmals ausgerichtete Inhouse-Messe, auf der sich Mitglieder und Netzwerkpartner mit ihrem Angebot präsentierten, bot eine weitere, willkommene Gelegenheit zum Networking und Ideenaustausch.
Mit Innovationskraft Herausforderungen bewältigen
Ob die Auswirkungen des demografischen Wandels, die Folgen des Klimawandels oder durch den digitalen Wandel ausgelöste Veränderungen – wie viele andere Wirtschaftsbereiche, steht die Logistikbranche vor großen Herausforderungen. Eine Situation, die nach Ansicht von Dr. Martin Schwemmer, Geschäftsführer des Bundesvereinigung für Logistik e.V. (BVL), nicht von ungefähr kommt. „Dass sich solche Szenarien ergeben können, ist seit langem bekannt. Allerdings haben wir gedacht, dass die globalen Supply Chains widerstandsfähiger wären. Hier sind wir in den letzten Jahren eines Besseren belehrt worden.“ Dennoch sieht er gute Chancen in der Bewältigung dieser globalen Krisen. „Die Megatrends unserer Zeit haben eines gemeinsam: eine innovative, technologische Komponente. Hier können und sollten wir ansetzen.“ Allein im deutschen Markt, mit einem Volumen von 319 Milliarden und einem Anteil von acht Prozent am Bruttosozialprodukt einer der wichtigsten Logistikmärkte weltweit, gäbe es aktuell zahlreiche Ansätze, um beispielsweise das Thema Nachhaltigkeit stärker in der Logistik zu verankern. Dabei im Blickpunkt: die Themenfelder Softwareentwicklung, Infrastruktur, Datenmanagement und Network Design. „Hier werden zumeist von Start-ups innovative Lösungen insbesondere für das b2b-Segment entwickelt. Deren Konzepte zeigen, was passiert, wenn Technologie und Innovation Hand in Hand gehen. Nur so kann es gelingen, die globalen Wertschöpfungsketten digitaler, nachhaltiger und widerstandsfähiger zu machen.“
Künstliche Intelligenz auf dem Vormarsch
Dabei soll unter anderem das Thema Künstliche Intelligenz (KI) helfen. Für Dr. Max Pillong, Business Director Lufthansa Industry Solutions, ist es ein wichtiges Zukunftsthema, das viel Potenzial bietet: „Mit Chat GPT gibt es bereits ein sehr gutes Angebot, dass wir für unser Geschäft mit dem Smart Assistent weiterentwickelt haben.“ Auch XSTAFF setzt mittlerweile auf die innovative Technologie. Hier entwickelt man eine eigene KI-Lösung, welche die Vorteile der neuen Technologie an die Erfordernisse der verladenden Unternehmen anpasst. Für Projektleiter Christian Boekhoff ein erfolgsversprechender Ansatz, der Kunden erhebliche Mehrwert bietet: „Ob Kapazitäts- und Routenplanung, die Steuerung von Ladungs- und Transportlösungen oder Fehleranalysen: Künstliche Intelligenz kann entlang der gesamten Supply Chain zum Nutzen aller Beteiligter eingesetzt werden.“ Seit Anfang 2023 läuft das Pilotprojekt, für das Daten aus 12.000 Sendungen und rund 130.00 Schätzungen bezgl. der Ankunftszeit gesammelt, analysiert und verarbeitet wurden. Noch befindet sich das System in der Erprobungsphase, 2024 soll der Rollout erfolgen.
Immer mehr Akteure setzen auf nachhaltige Lösungen
Innovative Entwicklungen, die weitere Dynamik in einen Markt bringen, der ohnehin vor massiven Veränderungen steht, sagt Jan Tiedemann, Senior Analyst von Alphaliner: „Was 2024 im Markt passieren wird, ist nur schwer vorherzusagen. Noch machen die meisten Reedereien gute Gewinne. Aber schon heute ist absehbar, dass sich die Ära der großen Allianzen ihrem Ende zuneigt. Von den Top Ten der Reedereien werden spätestens 2025 sicherlich einige in die Verlustzone abrutschen.“ Dennoch werde der Ausbau der Transportkapazitäten in einem stark konsolidierten Markt weiter vorangetrieben, auch aufgrund der Notwendigkeit, die Schiffe mit nachhaltigen Technologien auszurüsten. „“Die grüne Transformation der Flotten ist auf dem Weg, sowohl was die Bauart und Ausrüstung der Schiffe betrifft als auch mit Blick auf die Treibstoffe. Bis 2024 werden rund die Hälfte aller Schiffe, die in den Markt kommen, mit alternativen Treibstoffen wie LNG, Methanol und Ammoniak betrieben werden.“
Aber auch andere Akteure richten ihre Aktivitäten entlang der Supply Chain mittlerweile stärker an Nachhaltigkeitskriterien aus, so auch der Hafen von Antwerpen/Brügge. Der zweitgrößte Hafen Europas mit einem Umschlagvolumen von 287 Millionen Tonnen jährlich will in Zukunft Kunden ein breites Angebot an alternativen Triebstoffen zugänglich machen und auf diesem Weg dazu beitragen, die CO2-Emissionen in der internationalen Seeschifffahrt deutlich zu senken. Zum Angebot gehören u.a. die Beschaffung der Kraftstoffe (LNG, Methanol, Ammoniak etc.) und deren Bereitstellung über ein modernes Bunkersystem, Unterstützung bei Lieferungen auf der letzten Meile sowie die Förderung von Alternativen. „Bis 2025 wollen wir den so genannten „Green Shipping Corridor“ implementieren und ich denke, hier sind wir auf einem guten Weg“, sagt Jan Cuyt, Business Development Advisor beim Hafen Antwerpen/Brügge.
Ähnlich zufrieden ist man bei der belgischen Colruyt-Gruppe, neben COOP Swiss sowie den spanischen Modeunternehmen Mango und Tendam Gründer der XSTAFF GmbH. Bereits seit 2005 arbeitet man bei Colruyt an der Elektrifizierung seiner Fahrzeugflotte. „Dabei war es uns immer wichtig, eigene Ideen und Vorstellungen einzubringen und gemeinsam mit den Herstellern Lösungen zu erarbeiten. Wenn das nicht klappte, haben wir zur Not auch schon mal selbst ein Hybrid-Fahrzeug gebaut“, blickt Peter Leonard schmunzelnd auf die Anfänge zurück. Das Ziel ist klar formuliert: Bis zum Jahr 2035 sollen die Co2-Emissionen der gesamte Fahrzeugflotte der Gruppe auf Null reduziert werden. Ein ambitioniertes Vorhaben, das aber den richtigen Weg weist, sagt Dr. Günther Bachmann, Nachhaltigkeitsexperte und -berater: „Wir können nicht immer nur über Nachhaltigkeit reden, sondern müssen auch handeln. Nachhaltigkeit ist heute und nicht erst morgen oder übermorgen. Dann kann es schon zu spät sein.“ Für den früheren Generalsekretär des deutschen Nachhaltigkeitsrates geht es um mehr als nur einzelne Maßnahmen: „Wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Der alte Spruch „Erst das Geschäft, dann die Umwelt“ funktioniert einfach nicht mehr. Heute ist das Geschäft vom Geschäft die Transformation des Geschäfts – und da muss Nachhaltigkeit an erster Stelle stehen.“
China bleibt die große Unbekannte
Innovative KI-Lösungen, die Umstellung der Schiffflotten oder auch Maßnahmen in der Infrastruktur – die BCO Conference hat gezeigt, wie engagiert in der Branche an neuen und innovativen Lösungen gearbeitet wird. Unabhängig davon bleibt die Logistik abhängig von den großen geopolitischen Entwicklungen, die wiederum maßgeblich von der Situation in China bestimmt werden. Eine Situation, die Felix Lee, Journalist und exzellenter Kenner des chinesischen Marktes, trotz nachlassender Wirtschaftsdaten aus dem Reich der Mitte, für stabil hält. „Nach wie vor ist die Geschwindigkeit, mit der chinesischen Unternehmen Prozesse implementieren und Produkte entwickeln, deutlich höher als in den meisten europäischen Ländern. In vielen Bereichen hat China ein Niveau erreicht, an das Europa nicht mehr herankommen wird.“ Beispielsweise seien aktuell ca. 85 Prozent der Solarsystem weltweit „Made in China“ und auch beim Thema eMobilität ist das Land inzwischen weltweit die Nummer Eins. Um den gegenwärtigen Status Quo in den Beziehungen zu China nachhaltig zu verändern, ist aus seiner Sicht eine Paradigmenwechsel nötig: „Wir sollten China weniger als Systemgegner betrachten, sondern stärker als Wettbewerber. Auf dieser Ebene wird man sich verständigen können, während die gegenwärtige Diskussion um Werte und Ideale fruchtlos bleiben wird.“
BCO Conference 2024 in Hamburg
Am Ende eine abwechslungsreichen Veranstaltungstages zogen Stephan Schiller und Antonios Rigalos, beide Managing Partner von XSTAFF, ein durchweg positives Fazit: „Wir haben hochinteressante Vorträge gehört und spannende Diskussionen erlebt, die verdeutlicht haben, wie viel Potenzial in dieser Branche steckt, aber auch, wie groß die Herausforderungen sind, die wir noch zu meistern haben“, fasste Stephan Schiller die Ergebnisse der Veranstaltung prägnant zusammen, die für Antonios Rigalos auch bezüglich der Themen Teambuilding und Networking viel zu bieten hatte: „Mit der Premiere des Marketplace haben wir einen Ort geschaffen, der für alle Akteure hervorragende Möglichkeiten zum Dialog und Ideenaustausch bietet. Diese Option werden wir 2024 in Hamburg, wo die nächste BCO Conference stattfinden wird, sicher wieder anbieten.“
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