Mehr als 2.000 Teilnehmer bei Protest in Frankfurt: „Alarmstufe Rot“ – die HKG ruft in Kundgebung die Politik zum Handeln gegen das unkontrollierte Krankenhaussterben auf
Die bereits seit Monaten durch Energiekrise, Pandemienachwehen und inflationären Kostensteigerungen angespannte Finanzsituation für Gesundheitseinrichtungen verschärft sich zunehmend. Fehlende Ausgleichszahlungen für die anhaltend hohe Inflation und steigende Tariflasten treiben immer mehr Krankenhäuser in die Insolvenz.
Dr. Christian Höftberger, Präsident der Hessischen Krankenhausgesellschaft (HKG), sagt: „Das Wasser steht den Kliniken nicht nur bis zum Hals, es steht Ihnen bereits über dem Kopf. Bis die Bundesregierung ihre angekündigten Reformpläne umsetzt, wird vielen Häusern die Luft ausgehen. Ohne ein Eingreifen der Politik wird dieser kalte Strukturwandel zu spürbaren Engpässen und Lücken in der Versorgung führen. Unsere Krankenhäuser sind aktuell wirtschaftliche Notfallpatienten und brauchen dringend die Unterstützung der Politik – sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Es sind nicht nur kleine, ländliche Krankenhäuser, die unter dem Druck einknicken, auch große Einrichtungen sind auf auskömmliche Finanzierungsregelungen angewiesen. Wenn die ländliche Daseinsvorsorge nicht mehr gewährleistet ist, sehen wir auch das Land in der Pflicht, zu reagieren.“
Höftberger betonte, dass es den Krankenhäusern bei ihrer heutigen Protestaktion klar um die Zustimmung einer grundsätzlichen Reformbedürftigkeit gehe. Diese sei allein schon wegen des flächendeckenden Fachkräftemangels notwendig. Um einen zukunftsfähigen Wandel in der Branche durchführen zu können, brauche es jetzt einen Transformationsrahmen, der „nur im Dialog zwischen Krankenhäusern und Politik“ entstehen könne.
Gründe für die Löcher in den Haushalten der Kliniken in Millionenhöhe sind gedeckelte Refinanzierungen, die aktuelle Kostenentwicklungen nicht berücksichtigen sowie steigende Personalkosten, die von den Kliniken – mit Ausnahme der Kosten der Pflege am Bett – selbst getragen werden müssen – ohne Möglichkeit, die Kostensteigerungen kompensieren zu können. Jährliche Preisanpassungen in der Gesundheitsbranche sind vollständig gesetzlich festgelegt und damit stark begrenzt, weil der bisherige Anpassungsmechanismus die aktuelle Zins-, Tarif- und Kostenentwicklung nicht adäquat abbilden kann.
„Krankenhäuser können nicht einfach – wie andere Unternehmen – ihre Preise erhöhen. Sie stehen in der Pflicht, ihren Versorgungsauftrag rund um die Uhr zu erfüllen und tragen für ihre Patientinnen und Patienten eine große Verantwortung. Wir fordern, dass die Patientenversorgung auskömmlich für die Gesundheitseinrichtungen finanziert wird. Dafür müssen unvorhergesehene Kosten, wie durch Inflation, kompensiert und andere Preisanpassungen, wie Tariferhöhungen, refinanziert werden. Ohne eine Anpassung des seit Jahren nicht auskömmlichen Finanzierungssystems der Kliniken wird auch die Krankenhausreform von Herrn Lauterbach wirkungslos bleiben. Wo es keine Krankenhäuser mehr gibt, ist nichts mehr zu reformieren“, so Prof. Dr. Steffen Gramminger, geschäftsführender Direktor der HKG.
Hessens Sozial- und Integrationsminister Kai Klose weist darauf hin, dass die notwendige Krankenhausreform ohne finanzielle Mittel nicht umzusetzen ist. Dazu führt er aus: „Die Krankenhausreform ist dringend notwendig, um die qualitativ hochwertige bedarfs- und patientengerechte Krankenhausversorgung zu sichern. Die Umsetzung der Reform nimmt aber Zeit in Anspruch. In Hessen haben wir die Investitionsmittel für die Krankenhäuser im Doppelhaushalt 2023/2024 erneut gesteigert und auf ein Rekordniveau gehoben. Wir stellen insgesamt eine Milliarde Euro bereit und liegen damit bundesweit an der Spitze. Jetzt ist der für die Betriebskosten verantwortliche Bund in der Pflicht, denn eine so umfassende Reform lässt sich ohne zusätzliches Geld in der Transformationsphase und damit zusätzliche Mittel des Bundes nicht stemmen.“
Inhaltlicher Fokus der Kundgebung lag auf der Erläuterung und Darstellung der aktuellen Probleme des deutschen Krankenhausfinanzierungssystems und der Diskussion von Lösungsansätzen und des politischen Handlungsbedarfs.
Als Gesprächspartner vor Ort waren neben Krankenhausgeschäftsführern und Mitarbeitern aus dem Bereich der Pflege auch Vertreter des Marburger Bundes Hessen und Ver.di.
Dr. Christian Schwark, Landesverbandsvorsitzender Marburger Bund Hessen, sagt: „Reformen im Gesundheitswesen begrüßen wir grundsätzlich. Aktuell ist aber die stationäre Versorgung der Patienten durch Inflation, berechtigte Lohnanpassungen, weiterhin fehlende Investitionsmittel der Länder und das gescheiterte DRG-Abrechnungssystem akut gefährdet. Sparzwang und Wettbewerbsdruck bei gleichzeitigem Effizienzdrang führt zu ausgebranntem Personal und Gefahren für die Patientensicherheit. Ohne eine Überbrückungsfinanzierung drohen unkontrollierte Klinikschließungen mit weiteren Versorgungslücken, die die flächendeckende medizinische Versorgung in Hessen gefährden.“
„Zur Aufrechterhaltung eines funktionierenden Krankenhauses braucht es eine ganzheitliche Lösung und das bedeutet die Zusammenarbeit auf allen Ebenen, von der Ärzteschaft bis hin zu den Servicebereichen, ohne die ein Krankenhausbetrieb nicht funktionieren kann. Die Veränderungen der Krankenhauslandschaft dürfen nicht auf den Rücken der Klinikbeschäftigten ausgetragen werden. Unkontrollierte Klinikschließungen werden den Fachkräftemangel weiter ankurbeln, denn die Ärzte, Pflegekräfte und Funktionskräfte lassen sich nicht einfach wie Humankapital hin- und herschieben“, so Saskia Jensch von Ver.di.
Arne Evers, Pflegedienstleiter des St. Josefs-Hospital in Wiesbaden, sagt: „Die heranrollende „Insolvenzwelle“ erzeugt Ängste vor einem Verlust des Arbeitsplatzes und ein unsicheres Beschäftigungsumfeld für das Pflegefachpersonal. Die Flucht aus dem Beruf wird dadurch noch zusätzlich befeuert. Der Teufelskreis ist bereits im Gange. Ohne ein schnelles Einschreiten der Politik werden sich die ohnehin bereits knappen Personalressourcen dramatisch verschlechtern. Und wer könnte es meinen Kolleginnen und Kollegen verübeln. Sehr viele haben Familien und sind auf die wirtschaftliche Stabilität unserer Krankenhäuser und deren Verlässlichkeit als Arbeitgeber angewiesen.“
Die Preissteigerung für Krankenhausleistungen lag im Jahr 2022 bei 2,3 Prozent, die Inflationsrate aber bei 7,9 Prozent. Dadurch ergab sich für das Bundesland Hessen schon im Jahr 2022 ein monatliches Defizit von ca. 33,3 Millionen Euro. Im Jahr 2023 liegt die Veränderungsrate bei 4,3 Prozent, die Inflationsrate aber noch immer bei 6,6 Prozent. Jeden Monat ergibt sich daraus im Jahr 2023 auch nach Abzug der 1,5 Milliarden Euro pauschaler Energiehilfen ein monatliches Minus wiederum bezogen auf Hessen von rund 50 Millionen Euro. Eine laufende Defizit-Uhr auf der Startseite der HKG zeigt das Minus aller Krankenhäuser in Hessen.
Bereits im Herbst 2022 hatte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und die 16 Landeskrankenhausgesellschaften im Rahmen der bundesweiten Kampagne „Alarmstufe Rot“ auf die prekäre wirtschaftliche Notlage der Krankenhäuser hingewiesen, ohne dass seitens der Politik eine Reaktion zu verzeichnen war. Im Gegenteil: Eine Insolvenz von Krankenhäusern wird billigend in Kauf genommen. Noch einmal finden bundesweit Kundgebungen statt. Die Politik – Bund wie Länder – müssen JETZT handeln.
Die Hessische Krankenhausgesellschaft e.V. (HKG) ist der Dachverband der Krankenhausträger in Hessen. Sie ist Interessenvertretung der Krankenhäuser in der gesundheitspolitischen Diskussion, nimmt gesetzlich übertragene Aufgaben im Gesundheitswesen wahr und unterstützt ihre Mitglieder durch individuelle Beratung. Des Weiteren nimmt sie die durch Satzung oder Vertrag übernommenen Aufgaben wahr. Die Hessische Krankenhausgesellschaft unterstützt ihre Mitglieder bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und pflegt und fördert den Erfahrungsaustausch der Mitglieder untereinander.
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