USA und Australien müssen Fall Assange diplomatisch beenden
„Noch nie ging es um so viel wie jetzt, denn Julian Assange könnte schon in wenigen Wochen ausgeliefert werden“, mahnte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Wenn die Regierungen der USA und Australiens ihre Zusicherungen zur Wahrung der Pressefreiheit ernst meinen, dürfen sie das Thema Assange nicht aussparen, wenn der australische Premier Albanese im Oktober nach Washington reist. Wir fordern beide Regierungen dringend dazu auf, sich noch vor dem Besuch für eine diplomatische Lösung einzusetzen. Wenn der politische Wille da ist, ist es möglich, Assange nach all den Jahren in Haft schnell und bedingungslos freizulassen und seine Auslieferung abzuwenden.“
Bevor US-Präsident Joe Biden den australischen Premierminister Anthony Albanese vom 23. bis 26. Oktober zu einem offiziellen Staatsbesuch in Washington empfängt, nehmen hinter den Kulissen die Spannungen in den laufenden diplomatischen Verhandlungen zwischen den USA und Australien zu. Der Besuch Albaneses könnte die letzte Chance sein, eine langjährige Haftstrafe für Assange abzuwenden, da die letztinstanzliche Gerichtsentscheidung in Großbritannien über die Auslieferung des Wikileaks-Gründers in wenigen Wochen anstehen dürfte.
Politische Lösung für hochpolitischen Fall
RSF setzt sich intensiv sowohl öffentlich als auch in politischen Gesprächen für Assange ein. Die Organisation fordert beide Regierungen dazu auf, eine diplomatische Lösung für den Fall zu finden, die keine weitere Haftstrafe vorsieht. RSF hat im Vorfeld der jüngsten hochrangigen Treffen in San Diego und Brisbane Briefe an beide Seiten geschrieben und im Juli in Washington eine Woche lang gezielt intensive Gespräche mit der US-Regierung und dem Kongress geführt. Dabei drängte RSF darauf, im Sinne des Journalismus und der Pressefreiheit eine politische Lösung für diesen hochpolitischen Fall zu finden.
Seit dem Wahlsieg der australischen Labour Party im Mai 2022 setzt sich die Albanese-Regierung kontinuierlich für den australischen Staatsbürger Assange ein. Dabei betonen der Premierminister und andere Regierungsvertretende immer wieder, dass der Fall schon zu lange andauere und nun endlich gelöst werden müsse. Albaneses Engagement setzt sich deutlich ab von der zurückhaltenden Vorgehensweise seines Vorgängers, des ehemaligen australischen Premierministers Scott Morrison. Dieser hatte noch 2021 erklärt, dass es Assange „freistehe, nach Hause zurückzukehren“, sobald die Angelegenheit juristisch geklärt sei.
Kürzlich wurde bekannt, dass US-Außenminister Antony Blinken und die australische Außenministerin Penny Wong den Fall Assange diskutierten, als sie sich im Juli in Brisbane zu australisch-amerikanischen Ministerkonsultationen (AUSMIN) trafen. Blinkens Einlassung in einer anschließenden Pressekonferenz, in der er betonte, dass Assange „sehr schweres kriminelles Verhalten“ vorgeworfen werde, löste in Australien öffentliche Kritik aus – wobei Blinken damit nur die langjährige Position der US-Regierung bestätigte. Bemerkenswerterweise wich die US-Botschafterin in Australien, Caroline Kennedy, zwei Wochen später auf Nachfrage gegenüber der Presse von dieser Linie ab, möglicherweise in Reaktion auf die Kritik an Blinkens Aussage: „Es könnte durchaus eine Lösung für den Fall geben“, sagte Kennedy, beispielsweise durch einen Vergleich.
Öffentliche Unterstützung für Assange in Australien nimmt zu
Gleichzeitig hat die öffentliche Unterstützung Assanges in Australien stark zugenommen, und die #FreeAssange-Rufe werden im ganzen Land lauter. Parlamentsabgeordnete fordern seine Freilassung, Journalistenorganisationen bringen ihre Solidarität zum Ausdruck. Der Druck auf Albanese, bei seinem Staatsbesuch in Washington Assanges Freilassung zu erreichen, wächst.
Dass über Assanges Schicksal auf diplomatischer Ebene entschieden werden könnte, ist zuletzt deutlich wahrscheinlicher geworden. Vor britischen Gerichten steht nur noch ein letzter Schritt aus: eine Anhörung vor einem Gremium aus zwei Richtern, die voraussichtlich in den kommenden Wochen anberaumt werden wird und von Assange-Unterstützenden als „Tag X“ bezeichnet wird.
Im Falle einer Auslieferung drohen Assange bis zu 175 Jahre Gefängnis. 17 der 18 Anklagepunkte berufen sich auf das US-Spionagegesetz, das keine Ausnahmen für Veröffentlichungen im öffentlichen Interesse vorsieht und somit auch auf Medienschaffende angewendet werden kann. Im US-Kongress mehren sich inzwischen die Stimmen, die diesen und weitere Mängel des Gesetzes beheben wollen. Auf Assanges ursprüngliche Anklage wegen Computerbetrugs und -missbrauchs steht nur eine potenzielle Höchststrafe von fünf Jahren. Erst im Mai 2019 wurde die Anklage nach dem Spionagegesetz hinzugefügt.
Assange hat bereits fast viereinhalb Jahre im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh verbracht. Seit April 2019 sitzt er dort in Untersuchungshaft. Bereits seit Dezember 2010 wurde er auf unterschiedliche Weise willkürlich seiner Freiheit beraubt, darunter zehn Tage Isolation im Wandsworth-Gefängnis, 550 Tage Hausarrest und sieben Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London, in der er aus Angst vor einer Auslieferung an die USA Zuflucht suchte.
Im Vorfeld des Besuchs von Premierminister Albanese in Washington wird RSF weiter zur Unterstützung der #FreeAssange-Kampagne mobilisieren. RSF setzt sich auf allen Ebenen für die Freilassung Assanges ein, weil sein Fall ein alarmierender Präzedenzfall für Journalismus und Pressefreiheit weltweit ist. Entscheidend sind dabei Beiträge zu journalistischer Berichterstattung durch die Veröffentlichung von geleakten geheimen Dokumenten über Wikileaks. Mit ihnen prägte Assange die Berichterstattung auf der ganzen Welt und deckte Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen der USA auf, die ihrerseits nie strafrechtlich verfolgt wurden.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit liegt das Vereinigte Königreich auf Platz 26, Australien auf Platz 27, die USA liegen auf Platz 45. Mehr zur Lage der Pressefreiheit in diesen Ländern unter
https://www.reporter-ohne-grenzen.de/vereinigtes-koenigreich
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