Deutsches Leben in Brno/Brünn
Das Herbstgespräch der baden-württembergischen Landesgruppe der Sudetendeutschen Landsmannschaft stand in diesem Jahr ganz im Zeichen der mährischen Stadt Brünn und der Arbeit der deutschen Minderheit. Waltraud Illner, stlv. Landesobfrau der Sudetendeutschen hieß die Gäste willkommen und leitete durch das Programm.
Mit dem Namen Brünn verbinden die Sudetendeutschen unweigerlich den Brünner Todesmarsch am 31. Mai 1945 und 6. Juni 1945, bei dem Tausende aus ihren Häusern vertrieben wurden und auf dem Weg zur österreichischen Grenze den Tod fanden.
Seit 1989 pflegt die Landeshauptstadt Stuttgart eine Städtepartnerschaft, die seit ihrem Bestehen auf vielfältige Weise das deutsch-mährische Zusammenleben thematisiert und damit einen wichtigen Baustein für die heutige Gesellschaft liefert.
Hanah Zakhari, Leiterin des Brünner Begegnungszentrums von 2008 bis 2022, berichtete über das breite Arbeitsprogramm der deutschen Minderheit. Regelmäßige Treffen der deutschen Minderheit gehören ebenso dazu wie kulturelle Veranstaltungen, die allen Bevölkerungsgruppen offenstehen und ein Ort der Begegnung sind. Das Begegnungszentrum ist auch Ort der Sprache. Denn insbesondere junge Menschen kommen zusammen, um Deutsch zu lernen. So werden Studierende und Schüler gleichermaßen beim Erlernen der deutschen Sprache unterstützt wie Erwachsene. Aktiv wird die deutsche Minderheit auch, wenn Projekte im Rahmen der Städtepartnerschaft mit Stuttgart umgesetzt werden.
Das Programm spiegelt deutlich das Verständnis des Begegnungszentrums wider, zwischen der Brünner Gesellschaft, Brünner Institutionen und allgemein kulturell interessierten Einzelpersonen der Region Brünn und der Gesellschaft, Institutionen und Einzelpersonen in der Bundesrepublik Deutschland sowie in den deutschsprachigen Regionen Europas zu vermitteln.
Hierbei setzt der Kulturverein auf eine enge Zusammenarbeit mit der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik unter der Leitung von Martin Dzingel. Auch das Auswärtige Amt arbeitet mit dem Begegnungszentrum zusammen und unterstützt bei der Sprachvermittlung oder einzelnen Projekten. Hervorzuheben ist hier das Internationale literarische Symposium zu UNGAR-KAFKA, das als Teil des Jahresprogramms des Festivals “Meeting Brno” im Rathaus in Brünn stattfand. Deutlich zeigt sich die gewachsene Verbindung zwischen Heimatvertriebenen, Heimatverbliebenen und den heute in Brno/Brünn lebenden Menschen. „Meeting Brno“ greift den Brünner Todesmarsch von 1945 auf und veranstaltet seit 2005 den „Brünner Friedensmarsch“, um auf das damalige Unrecht hinzuweisen und sich für den Verständigungs- und Versöhnungsprozess zwischen Sudetendeutschen und Tschechen einzusetzen.
Hannah Zakhari zitiert mit Verweis auf die herausragende Arbeit des Begegnungszentrums das Bundesinnenministerium mit den Worten „Heute bietet die jeweilige deutsche Minderheit als bikulturelles Bindeglied eigener Prägung besondere Chancen zur Entwicklung kultureller Brücken und Netzwerke innerhalb der Europäischen Union“. Diese Brücken und Netzwerke bauen der Kulturverein e.V. Region Brünn sowie das Begegnungszentrum seit ihrer Entstehung.
Sichtbares Zeichen der Wertschätzung erfuhr der stellvertretende Leiter des Begegnungszentrums Dr. Zdenek Marecek im Jahr 2020 mit der Verleihung des Verdienstkreuzes am Bande der Bundesrepublik Deutschland.
Waltraud Illner, stellvertretende Landesvorsitzende der Sudetendeutsche Landsmannschaft, dankte Frau Zakhari für den ausführlichen Vortrag und wünschte den Verantwortlichen alles Gute für die Zukunft.
Das Herbstgespräch 2024 „100 Jahre Volkmar Gabert – Leben und Wirken eines Sudetendeutschen“ findet am Freitag, 20.09.2024 statt. Als Referentin konnte die Generalsekretärin des Sudetendeutschen Rats Frau Christa Naaß MdL a.D. gewonnen werden.
Sudetendeutsche Landsmannschaft Landesverband Baden-Württemberg e.V.
Wir vertreten die im Land Baden-Württemberg wohnenden Sudetendeutschen.
Die Nachfahren jener Deutschen, die vor mehr als 800 Jahren in den sogenannten "Böhmischen Ländern", nämlich in Böhmen, Mähren und dem südlichen Teil Schlesiens (diese Länder bilden heute die "Tschechische Republik") ansässig geworden sind, wurden in diesem Jahrhundert unter dem Sammelnamen "Sudetendeutsche" bekannt.
1945/46 wurden 3,2 Millionen von den insgesamt 3,5 Millionen Sudetendeutschen aus ihrer Heimat vertrieben, ihr Eigentum wurde entschädigungslos konfisziert. Konfiskation und Vertreibung waren begleitet von blutigen Exzessen. Grundlage dieser gegen Menschen- und Völkerrecht verstoßenden "ethnischen Säuberung" bildeten Dekrete, die vom damaligen tschechoslowakischen Staatspräsidenten Edvard Beneš erlassen worden waren und die heute noch gültig sind.
Rund 600 000 dieser vertriebenen Sudetendeutschen kamen nach Baden-Württemberg, wo sie sich eine neue Existenz aufbauten und in das wirtschaftliche, gesellschaftliche, kulturelle und politische Leben eingegliedert wurden. Sie fanden sich in zahlreichen Vereinigungen zusammen, deren Grundlage ganz verschiedenartig war: Herkunftsgebiete, politische oder kulturelle Interessen, Freizeitgestaltung, berufliche Gemeinsamkeiten und manches mehr.
Jeder 15. Einwohner Baden-Württembergs ist Sudetendeutscher. Heute gibt es in Europa und Übersee insgesamt rund 3,8 Millionen Sudetendeutsche. Rund 600 000 von ihnen kamen im Zuge der Vertreibung aus ihrer Heimat nach dem 2.Weltkrieg nach Baden-Württemberg. Gemeinsam mit der einheimischen Bevölkerung trugen sie in der Nachkriegszeit zum Wiederaufbau des Landes bei. Durch ihre Stimmabgabe bei der Volksabstimmung 1952 waren sie wesentlich am Zustandekommen des "Südweststaates" beteiligt. Die für Baden-Württemberg kennzeichnende Ausgewogenheit zwischen großen Weltfirmen, Mittel- und Kleinbetrieben hat die wirtschaftliche Eingliederung der Sudetendeutschen und die Gründung neuer Werke und Fabriken durch sudetendeutsche Unternehmer in besonderem Maße erleichtert. Stellvertretend dafür seien genannt die Autofirma Porsche in Stuttgart, die Wiesenthal-Glashütte in Schwäbisch Gmünd, die Aluminium-Hütte Grohmann in Bisingen,die Maschinenfabrik Panhans in Sigmaringen, die Papierwerke Zechel in Reilingen,das Pharmawerk Merckle in Blaubeuren, dazu zahlreiche weitere mittlere und kleinere Betriebe.
27 Städte und Gemeinden Baden-Württembergs übernahmen Patenschaften über sudetendeutsche Kreise, Gemeinden und Landschaften. Insgesamt 24 kulturelle sudetendeutsche Einrichtungen – wissenschaftliche Gesellschaften, Archive, Büchereien, Sammlungen, Heimatstuben – wurden durch eigene Kraft der Sudetendeutschen und mit Hilfe öffentlicher Stellen in Baden-Württemberg aufgebaut.
Aus dem kulturellen Leben des Landes sind manche Namen von Sudetendeutschen nicht mehr wegzudenken, wie z. B. der Bildhauer Prof. Otto H. Hajek, die Tänzerin Birgit Keil, die Komponisten Karl-Michael Komma und Widmar Hader, der weltbekannte Posaunist Armin Rosin, die Dirigenten Wolfgang G. Hofmann und Emmerich Smola, die Malerin Traude Teodorescu-Klein oder der Dichter und Schriftsteller Josef Mühlberger – um nur einige wenige stellvertretend zu nennen.
Das Sudetenland im Vergleich zur Fläche einzelner deutscher Bundesländer
Bayern 70550 km2
Baden-Württemberg 35750 km2
Sudetenland 26500 km2
Hessen 21100 km2
Schleswig-Holstein 15700 km2
Saarland 2600 km2
Die kulturelle Verflechtung der Sudetendeutschen mit den übrigen deutschen Ländern und Landschaften ist seit Jahrhunderten eng und vielgestaltig.
Beispiele sind: Der schwäbische Baumeister Peter Parler aus Schwäbisch Gmünd, der im 14. Jahrhundert u. a. den Veitsdom in Prag erbaute, oder der aus dem Egerland kommende Barockbaumeister Balthasar Neumann, der nicht nur die Würzburger Residenz, sondern z. B. auch berühmte Treppenhäuser in Brühl und Bruchsal schuf. Auch andere Namen, herausgegriffen aus einer großen Zahl, beweisen den lebendigen Anteil, den die Deutschen aus den böhmischen Ländern am geistigen Leben des gesamten deutschen Volkes hatten und haben: Der Komponist Johann Wenzel Stamitz aus Deutsch-Brod beispielsweise, der später in Mannheim wirkte, Vinzenz Prießnitz und Johann Schroth, die großen Naturheiler, der Brünner Abt Gregor Mendel, dessen Vererbungslehre zur Grundlage moderner Genetik wurde, die Friedensnobelpreis-Trägerin Bertha von Suttner, die Dichter Rainer Maria Rilke, Adalbert Stifter, Marie von Ebner-Eschenbach, die Maler Alfred Kubin oder Ferdinand Staeger, aber auch die Bamberger Symphoniker, die nach der Vertreibung aus den "Prager Deutschen Philharmonikern" hervorgegangen waren, oder auch der Schriftsteller Otfried Preußler aus Reichenberg, dessen "Räuber Hotzenplotz" und "Kleine Hexe" heute Millionen Kinder und Erwachsene erfreuen.
Die Organisationen der Sudetendeutschen spiegeln in ihrer Vielfalt und Vielschichtigkeit das Leben und die Interessen der Angehörigen dieser Volksgruppe wider. Im politischen, kulturellen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, beruflichen, sozialen und gesellschaftlichen Bereich gibt es sudetendeutsche Zusammenschlüsse, aber auch auf Generationsebene und im Bereich der Freizeitgestaltung.
In Baden-Württemberg gibt es heute 27 größere sudetendeutsche Vereinigungen, von denen viele noch Untergliederungen auf Orts- und Kreisebene haben.
Mehrere sudetendeutsche Zeitschriften werden in Baden-Württemberg herausgegeben, ebenso haben verschiedene sudetendeutsche Stiftungen, Institute und Gesellschaften ihren Sitz in diesem Lande.
Die Sudetendeutschen im Vergleich zur Einwohnerzahl verschiedener Staaten
Norwegen 4,1 Mio
Sudetendeutsche 3,8 Mio
Irland 3,3 Mio
Albanien 2,7 Mio
Luxemburg 0,36 Mio
Island 0,23 Mio
Sudetendeutsche Landsmannschaft Landesgruppe e. V
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70176 Stuttgart
Telefon: +49 (711) 625411
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