Erinnerung an eine Hoffnung, moderne Schatzgräber und eine Botschaft an die Menschen der Zukunft – 5 E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis
Eigentlich sucht Hannah nur nach Informationen für ihre Doktorarbeit, als sie über einen toten Bundestagsabgeordneten stolpert. Selbstmord? Oder wusste das Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums zu viel über die Machenschaften der Geheimdienste?
Gemeinsam mit dem traumatisierten Sohn des Toten beginnt die Juristin, Fragen nach der deutschen Vergangenheit zu stellen. Die Spur führt in die siebziger Jahre, in ein westdeutsches Gefängnis und nach Chile unter Pinochet.
Chile 1973, Militärputsch: Einige junge Chilenen fliehen in die Bundesrepublik. Kurz darauf wird die chilenische Botschaft in Bonn angegriffen. Jahrzehnte später wird einem mutmaßlichen Attentäter der Prozess gemacht. Doch war der Terroranschlag die Tat der Guerilleros?
Bald schon geraten Hannah und ihre Kollegen selbst ins Visier eines übermächtigen Gegners …
In dem Kinderbuch „Der goldene Schlüssel von Mangaseja“ von Egon Richter begegnen wir Mischa, der vom südlichen Palmenstrand Bakus in das nördliche Reich der Bären und Wölfe umzieht. Denn seine Eltern sind moderne Schatzgräber, die im sagenhaften Land Mangaseja das schwarze Gold suchen. Auf seiner langen Reise erlebt er viel Abenteuerliches. Und am Ende begegnet er sogar einem zottigen Mammut.
Das ist das einzige zu DDR-Zeiten geschriebene Kinderbuch von Erik Neutsch: Mit „Olaf und der gelbe Vogel“ wendet er sich an junge Leserinnen und Leser von sechs Jahren an: Olaf hat auf seinem Zeugnis der 1. Klasse nur eine Zwei, sonst alles Einsen. Als er ganz unten eine Fünf erkennt, Ist er sehr, sehr traurig. Doch er sieht auf einem Baum einen unbekannten gelb-schwarzen Vogel, der rasch wegfliegt. Olaf folgt ihm und kommt immer weiter aus der Stadt heraus …
Auch im 4. Teil der Zeitreisenden-Reihe von Hardy Manthey „Der Tempel und das geheime Grab. Ein phantastischer Roman“ will Aphrodite, so der Name jener Zeitreisenden, eine Botschaft an die Menschen der Zukunft verstecken. Und zwar so gut verstecken, dass über die Jahrtausende, Kriege und Katastrophen hinweg ihre Nachrichten ankommen. Wird es ihr gelingen?
Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Das heute vorgestellte Buch befasst sich unter anderem noch einmal mit dem Zweiten Weltkrieg, mit Erinnerungen an den Verlust der Heimat und der alten Ordnung, an die Flucht und die Ankunft in einer neuen Welt und erinnert auch an eine kleine, aber wichtige politische Lektion, die ein englischer Arbeiter, der als Soldat nach Deutschland gekommen war, einem Mädchen erteilt, das bisher zu den besseren Kreisen gehörte und erst durch den Krieg flüchten musste: „The russians are not bad!“
Erstmals 1989 veröffentlichte Elisabeth Schulz-Semrau im Mitteldeutschen Verlag Halle-Leipzig „Küchengespräche mit Frau L. Porträts und Geschichten“:
Ich bin heute fix und alle – ein türkischer Kaffee, und schon wird die große – kleine Welt lebendig in den Küchengesprächen mit Frau L., die ihre vier Kinder allein großzieht.
Wie überlebte Trude R. zwanzig Jahre Lagerzeit und Verbannung?
Warum will die Fürsorgestelle der minderjährigen Ines das Kind absprechen?
Was geschieht, wenn Gerda, das Nuschtchen, Ziehschwester und Dienstmagd der Königsberger Zeit, plötzlich wieder mit ihrem Pappkoffer in der Tür steht?
Eine lange gedemütigte Ehefrau ersinnt eine heilsame Kur für ihren pflegebedürftigen Ehemann … Mit Wärme, Anteilnahme und Witz erzählt Elisabeth Schulz- Semrau von tapferen Leuten, denen sie begegnete.
Im wörtlichen Sinn zwischen Tür und Angel frage ich sie: Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich über Sie schreibe? Mit dieser Unbedenklichkeitsgeste, die ein Charakteristikum ihres Wesens ist, wirft sie den Kopf hoch, leicht rechts, schüttelt ihn kurz, wobei sie die Unterlippe ein wenig über die obere schiebt, am Kinn bilden sich Grübchen, die Nase gerät in der Bewegung schmaler, sie sagt: Können Sie ruhig. Mich kennt ja doch keiner …
Ein sehr zu empfehlendes Stück Literatur ist auch die Skizze „Anna Seghers liest“ von 1967. Ebenso beeindruckend ist ihre Auseinandersetzung mit der Lebensgeschichte der kommunistischen Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin Trude Richter, Jahrgang 1899, die von den Stalinistischen Säuberungen in der Sowjetunion betroffen war und darüber in der DDR nicht sprechen und veröffentlichen durfte. Ihr bereits 1964 abgeschlossenes Manuskript „Totgesagt. Erinnerungen“ konnte erst 1990 veröffentlicht werden. Trude Richter, die bis zum Schluss ihren Überzeugungen treu blieb, war Anfang 1989 mit fast 90 Jahren gestorben. Eine spannende Lektüre.
Während des gesamten Monats Oktober preisgesenkt ist außerdem der erstmals 1967 im Verlag Neues Leben Berlin erschienene Utopische Roman „Als die Götter starben“ von Günther Krupkat, einem der wichtigsten und besten Autoren der frühen SF-Literatur der DDR: Fünf Jahre, bevor der Name von Däniken auf dem Büchermarkt erschien, veröffentlichte Günther Krupkat seinen Roman „Als die Götter starben“. Ausgehend von einer Hypothese des sowjetischen Wissenschaftlers Agrest, wonach die große Steinterrasse von Baalbek am Fuß des Antilibanongebirges als Start- und Landeplatz außerirdischer Raumschiffe gedeutet werden könne, bezog er astronomische Fakten und biblische Überlieferung in eine phantastische Handlung ein. Sie beginnt im Dämmerlicht der Frühgeschichte und endet in einer strahlenden Zukunftsvision.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem spannenden Buch:
Der siebente Tag, Immer noch arbeiten die Roboter im Schacht; es ist nicht abzusehen, wann sie auf die Sohle treffen werden. Mit eingefallenen Gesichtern hocken Olden und Gombare vor dem Schutt, den die Förderkörbe auswerfen. Fast mechanisch greifen sie nach Steinen und Splittern. Die Lider ihrer Augen sind geschwollen, entzündet von der tagelangen Sichtarbeit.
Olden spricht selten ein Wort. Er braucht seine ganze Energie, um wach zu bleiben und die Aufmerksamkeit nicht erlahmen zu lassen. Es könnte ja doch … Stein um Stein fliegt zur Seite. Nichts … nichts!
„Die Stücke sind seit gestern wesentlich kleiner. Finden Sie nicht auch?“, sagt Gombare. „Schwerere Brocken kommen fast nicht mehr.“
Olden nickt, starrt auf das, was seine Hände erfassen. Steine, Steine, Steine …“
„Wera meint, dass wir spätestens …“ Gombare unterbricht sich. Er blickt auf Olden, der auf einmal unbeweglich dasitzt, so sonderbar still, dass es Gombare die Kehle zuschnürt. „He, Erik!“, ruft er mit heiserer Stimme.
„Percy!“, flüstert Olden, ohne den Kopf zu wenden.
Als Gombare zögernd herantritt, bemerkt er in Oldens Händen einen kleinen Gegenstand. „Was ist das?“, fragt er.
Olden reicht ihm das sonderbare rundliche Ding.
„Sie … fanden das … hier?“, stammelt Gombare. „Es könnte beinahe …“
„Es ist ein Mikrofon!“ Olden springt auf, packt den anderen und schüttelt ihn. „Ein Mikrofon!“
Gombare sieht Olden fassungslos an.
Der entreißt ihm den Fund, „Sehen Sie!“ Er löst mit zitternden Händen einen Teil der metallisch glänzenden Hülle. „Eine uns fremde Bauart und doch unverkennbar das Prinzip des Schallwandlers. Hier befanden sich Kontaktschrauben. Die Leitung ist herausgerissen. Und dort sind Spuren eines Bindemittels, so etwas wie Mörtel. Wahrscheinlich war das Mikrofon in eine Mauer eingelassen,“
„Technik unserer Entwicklungsperiode!“, murmelt Gombare verblüfft.
Die beiden wechseln einen Blick. Dann stürzen sie zu dem Trümmerhaufen, den ein Förderkorb gerade ausgeschüttet hat. Sie werfen sich auf den Boden, durchwühlen in fieberhafter Eile das Geröll.
Ein Stück Kabel kommt zum Vorschein, später verbogene Rohre, ein paar Schalthebel. Nun fällt den Männern ein Lukendeckel vor die Füße. Er ist aus unbekanntem, metallähnlichem Stoff gefertigt. Und Zeichen stehen darauf. Keilschriftartige Zeichen!
Mit einem erstickten Laut bricht Olden über dem Deckel zusammen.
Gombare ruft Wera.
„Stoppen Sie den Roboter!“
„Ist etwas passiert?“
„Funde, Wera! Funde!“
Am folgenden Morgen trifft Novak ein. Er umarmt Olden. Worte findet er vor Erregung nicht.
Bleich, aber mit leuchtenden Augen, führt Olden den Gast zum Bunker, wo die ersten Funde sorgsam verwahrt sind. Es ist inzwischen noch vielerlei hinzugekommen: Bruchstücke polierter Wände und Fußböden, Leitungsdrähte, automatische Türen. Bemerkenswert ist die sparsame Verwendung von Metall. Fast alles ist aus synthetischem Material hergestellt.
„Mir fällt auf, dass nicht ein einziger Einrichtungsgegenstand zutage gefordert wurde“, bemerkt Novak. „Alles, was Sie bisher sammeln konnten, sind Dinge, die sich im oder unterm Mauerwerk befunden haben mussten.“
„Wir nehmen an, dass die Fremden ihre Anlagen systematisch geräumt haben, als sie den Phobos verließen“, erklärt Olden. „Das ist natürlich schade. Aber wir hoffen, noch mehr zu entdecken“, setzt er hinzu.
Nach der Besichtigung des Schachts kehrt Novak zum Planeten zurück. Olden und Varkony begleiten ihn. Über das Videophon von Aeria meldet Olden dem Weltforschungsrat seine ersten Erfolge.
Konski winkt ihm zu. „Der Fehlschlag in den Mondalpen ist wettgemacht, lieber Olden. Nun haben wir Beweise! Ich danke Ihnen und Ihrer Gruppe und beglückwünsche Sie. Alf Curtius ist gerade auf der Erde. Auch er wird sich freuen. Was wir nach unserem besten Können vermögen, soll in den Dienst Ihrer großartigen Aufgabe gestellt werden. Ich bitte Sie, Stan Novak, als Leiter des Hauptstützpunktes Mars diesen Wunsch und Willen des Forschungsrats zur Kenntnis zu nehmen.“
Zwölfter Tag. Der Grund des Schachts liegt frei. Die Räumautomaten werden zurückgezogen. Olden, Wera und Gombare fahren mit dem Paternoster hinab. Oben warten die anderen, stumm, voll Spannung über den Rand gebeugt, bereit, sofort einzugreifen, falls Hilfe vonnöten ist.
Die Sohle besteht aus einem glatten Belag, der sehr massiv zu sein scheint. Immerhin hat er dem Einsturz standgehalten, ohne auch nur die geringsten Risse aufzuweisen.
Meter für Meter untersucht Olden den staubbedeckten Boden. „Glauben Sie wirklich, darunter noch mehr zu finden?“, fragt Gombare.
„Die Trümmer, die wir beseitigten, stammen zweifellos von irgendwelchen Nebenräumen. Das wenige, was wir geborgen haben, beweist nur, dass die Räume technischen Zwecken dienten. Es muss im Phobosinneren noch mehr geben, als wir bis jetzt wissen,“
„Erik, hier ist eine Luke!“, ruft Wera.
Überrascht stehen die drei vor einer Falltür.
„Da haben wir’s!“ Olden tastet die Platte ab. Sie lasst sich nach einigen Anstrengungen heben. Eine schmale Wendeltreppe wird – sichtbar. Zögernd setzt Olden den Fuß darauf. Er leuchtet mit der Handlampe hinab. Die Windungen der Treppe behindern jedoch den Blick nach unten.
„Vorsicht!“, mahnt Wera. „Was zeigt der Strahlenmesser?“ Olden wirft einen Blick auf sein Gerät. „Unbedeutende Aktivität.“
„Dann los!“, drängt Gombare.
Die Treppe will kein Ende nehmen. Die Lichtkegel der Lampen gleiten von Stufe zu Stufe voraus.
„Wir sind unten!“, flüstert Olden.
Am Fuße der Treppe bleiben sie wie angewurzelt stehen. „Unfassbar!“, stammelt Wera.
Im bleichen Lichtschein leuchten metallische Zylinder und große Aggregate auf. Rund um den Raum, der einer Maschinenhalle gleicht, läuft ein System mächtiger Rohre.
„Wie eine Anlage für Kernumwandlungen“, sagt Gombare. „Eine Art Synchrotron“, ergänzt Wera.
Olden schüttelt den Kopf. „Alles ist anders: die Maschinen, ihre Formen, bestimmt auch der Zweck der ganzen Einrichtung.“ „Da, sehen Sie!“ Wera deutet auf eine Schalttafel. „Wieder Keilschriftzeichen!“
„Sonderbar!“, sagt Olden. „Diese Schrift zeigt andere Züge als jene, die ich auf dem Trümmerstück in den Mondalpen fand. Ich kann sie nicht lesen. Li muss es versuchen.“
Sie durchschreiten vorsichtig die Halle.
„Man könnte meinen, dass diese Anlage vor kurzem noch in Betrieb war“, bemerkt Gombare, sich umsehend.
Der Roman „Hasta Siempre, Bruder. Tod im Bundestag“ von Isabel Leyla Erdem erschien 2014 bei EDITION digital:
Im Lesesaal der Behörde für Stasi-Unterlagen fragte sie auf gut Glück nach Ramón Rodríguez. Über ihn gab es keine Akte. Seltsam, hielt die DDR doch mehr als zehn Jahre ihre schützende Hand über ihn. Auch über Paolo Frías und Michael Meyer existierten keine Unterlagen. Erst die Namen Mercedes und Leonel Perera führten zum Erfolg. Triumphierend ließ Hannah sich die Akten bringen. Beide waren Inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit. Mercedes wurde als Kontaktperson zu „Estroja, sozialistische Befreiungsbewegung aus Chile in Westdeutschland“ geführt. Ihre Akte bestand vor allem aus Datumsangaben. Leonels war dicker. Er hielt von Ostberlin aus Kontakt zur sozialistischen und kommunistischen Partei Chiles. Eine Chronik des Widerstands in den Monaten nach dem Staatsstreich. Die Informationen reichten von Berichten über Demonstrationen über Dokumente von amnesty international bis zu einer Liste Medikamente für die „Genossen im Untergrund“. Hannah wagte kaum, das dünne Papier umzublättern. Kein Zweifel: Die DDR hatte rege Beziehungen zu illegalen Strukturen in Chile unterhalten. Ende 1974 wurden die Informationen spärlicher und es war die Resignation zu erahnen, die ihren Übermittler befallen haben musste. Dann brachen die Aufzeichnungen ab. Im Sommer 1975 nur der handschriftliche Hinweis: „Keine Neuigkeiten aus Chile.“ Weiter hinten stieß Hannah auf Besuchsdaten von Kontaktpersonen. Aus der DDR. Nach Bonn! Von Januar bis April 1976. Kurz vor dem Anschlag. Zweck der Besuche war „Austausch, Planung von Aktivitäten“. Hannah knöpfte ihre Strickjacke auf. Darunter stand, wieder handgeschrieben: „Aufgrund fehlerhafter Aktion Intensivierung der Kontakte“, es folgten zwei weitere Datumsangaben. Fehlerhafte Aktion! Das letzte Treffen war am neunten Mai. Leonels „Partner-IM“ war als anwesend vermerkt. Damit musste Mercedes gemeint sein. Sie suchte in der Akte von Mercedes. Dort war ein Eintrag vom sechsten Mai 1976 enthalten: „IM zeigt sich unwillig, Kontakt zu Partner-IM zu halten. Nach Ermahnung Besserung versprochen.“ Wenige Tage nach dem Anschlag. Hatten sich Mercedes und Leonel gestritten? Ihr Blick fiel auf den letzten Eintrag in der Akte: „IM verhaftet, Gründe unklar“. Was war denn an einem Terroranschlag unklar? Oder konnten sie sich bloß die Verhaftung ihrer Mitarbeiterin nicht erklären? Auch ihr Tod schien die Stasi erstaunt zu haben: In Handschrift hatte jemand einen letzten Eintrag vorgenommen: „IM am 18.10.1977 verstorben!“
Hannah starrte das Ausrufezeichen an. Dann nahm sie sich wieder Leonels Akte vor. Sie erwartete einen ähnlichen Kommentar und abrupten Abbruch des Dokuments. Sie erlebte eine Überraschung.
Das Kinderbuch „Der goldene Schlüssel von Mangaseja“ von Egon Richter erschien erstmals 1975 in Der Kinderbuchverlag Berlin. Vom südlichen Palmenstrand Bakus zieht Mischa in das nördliche Reich der Bären und Wölfe. Denn seine Eltern sind moderne Schatzgräber, die im sagenhaften Land Mangaseja das schwarze Gold suchen: Mischa erlebt auf seiner langen Reise viel Abenteuerliches, bis er schließlich am „Herz der Seen“ steht. Dort, wo die längste Pipeline der Welt gebaut wird, hebt der Kran ein zottiges Mammut aus dem ewigen Frostboden.
Lesen Sie selbst:
Jelisaweta überlegte einen Augenblick und sagte dann: „Ja, das geht auch. Also, unser Sowchos, weißt du, der ist halb so groß wie die DDR, über fünfzigtausend Quadratkilometer, kannst du dir das vorstellen?“
„Nein“, sagte Mischa, denn das konnte er wirklich nicht. „Und wo ziehen eure Eltern nun hin?“
„Sie ziehen auf die Wintersitze“, sagte Mikul.
„Wintersitze“, sagte Mischa, „wo soll das sein?“
Sie gingen am Fluss entlang und warfen kleine Steine über das Wasser.
„Oh“, rief Mikul, „der war eben gut. Hast du gesehen, achtmal ist er übers Wasser gesprungen!“
„Wintersitze“, sagte Jelisaweta, „das sind kleine Blockhäuser in der Taiga, dort, wo man nicht mal mit einem Hubschrauber hinkommt. Von da aus streifen die Jäger durch den Wald und schießen die Bären, Zobel, Wildkaninchen, die Eichhörnchen und viele andere Pelztiere.“
„Warum fährst du nicht mit?“, fragte Mischa Mikul.
„Da gibt’s keine Schulen“, sagte Jelisaweta. „Früher sind die Kinder noch mitgenommen worden, aber dann konnten sie nichts lernen, und aus ihnen konnte nichts werden. Darum bleiben sie heute hier in den Sommerdörfern, wo es große Schulen und Internate gibt. Und die Eltern ziehen allein fort …“
„Und wie lange?“, fragte Mischa schnell.
„Sehr lange“, sagte Mikul. „Ein halbes Jahr und manchmal auch länger.“
„Und die ganze Zeit bleibt ihr hier allein?“
Mikul lächelte wie ein weiser Großvater und sagte: „Allein sind wir doch nicht. Manchmal bleiben auch die Mütter hier. Und alle anderen Kinder sind da und die Lehrer und die Freunde.“ Mischa schwieg. Er konnte sich nicht vorstellen, dass er über ein halbes Jahr ohne Vater und Mama leben sollte, selbst in einem noch so schönen Internat, Aber das war wohl bei den Fischern und Jägern der Chanten und Mansen nicht zu ändern; die Pelztiere lebten nun einmal in der Taiga und nicht in einem Schulgarten.
„Wenn die Jäger zurückkommen“, sagte Jelisaweta, „im Frühling, dann wird ein großes Fest gefeiert; der Bärentanz wird aufgeführt, und es gibt Bärenschinken zu essen, und überall im Dorf ist ein Trubel, dass du dich gar nicht sattsehen kannst!“
Mikul zeigte Mischa noch die Internatsschule des „Sommerortes“ mit der großen Turnhalle und den vielen Wohnhäusern für die Kinder. Dann gingen sie nach Hause, und Jelisaweta packte ihren Koffer für die Reise nach Leningrad.
Für den Abend hatte Mikuls Vater sich was Besonderes ausgedacht.
„Jungs“, sagte er, „zieht euch warm an.“
Mikuls Mutter brachte für jeden eine dicke Pelzjacke. Über die Füße streiften sie dünne Fellstiefel, auf die wiederum Filzstiefel gezogen wurden. Mischas Beine waren so schwer, dass er dachte: Bestimmt kann ich nicht einen Schritt gehen. Doch konnte er zeigen, dass ihm das Gehen schwerfiel? Mikul und sein Vater liefen in den klobigen Dingern herum, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt.
Mikuls Vater hängte ein Gewehr um und gab jedem ein großes Fernglas, stülpte sich und den beiden Jungen Pelzkappen auf und rief: „Auf geht’s.“
Draußen schwang er sich auf ein himmelblaues Motorrad, Mischa durfte hinter ihm sitzen und Mikul im Beiwagen.
„Viel Glück“, sagte Mikuls Mutter, die rauchend in der Tür stand.
Sie knatterten los. Weit hinter dem Dorf, als die Lichter der Häuser im dunklen Dunst verschwunden waren, ließen sie das Motorrad am Waldrand stehen.
„Leise“, sagte Mikuls Vater und ging vorsichtig vor ihnen her. Mischa hörte nicht einen einzigen Zweig knacken, wohin Mikul oder dessen Vater mit ihren schweren Stiefeln auch traten. Dagegen raschelte und knickte es unter seinen Schritten dauernd. Er hätte sich die Augen aus dem Kopf schämen können. Ein Glück, dass es dunkel war und die beiden anderen nicht sehen konnten, wie er vor Wut rot wurde. Das waren Jäger wie aus dem Abenteuerbuch. Aber er?!
Sie waren schon weit in den Wald eingedrungen. Überall quiekte und quakte es; Tiere meldeten sich, die Mischa nicht kannte. Mikuls Vater blieb an einer Lichtung stehen, hielt den Kopf schief und lauschte. So machte es auch Mikul. Fast gleichzeitig gaben sie ihm ein Zeichen mit der Hand, und alle drei ließen sich hinter einem moosigen Erdwall voller Gesträuch nieder. Mischa merkte, wie kalt die Erde war. Mikuls Vater legte das Gewehr neben sich und hob schweigend sein Fernglas an die Augen.
„Was nun?“, flüsterte Mischa, aber Mikul führte den Finger an die Lippen, und da war Mischa ganz still und nahm sich vor, jetzt keinen Mucks mehr zu sagen, Mikuls Vater formte indessen die Hände wie eine Muschel vor dem Mund und gab einen Laut von sich, der wie der Schlusston einer rostigen Sirene klang. Aber genau wusste Mischa das nicht. Es war ihm bloß so eingefallen.
Diesen Laut hatte Mischa vorhin schon aus weiter Ferne gehört und war natürlich gespannt, was nun geschehen würde.
Mehrmals „rief“ Mikuls Vater in diesem Ton, und endlich hörten sie ein Echo, gar nicht weit weg. Mikuls Vater wies auf den gegenüberliegenden Rand der Lichtung. Mischa hob sein Fernglas an die Augen und starrte hindurch, aber er sah nur wirres Gesträuch, bis Mikul zu ihm herüberlangte und am Einstellring drehte.
Das Bild wurde scharf: eine Baumreihe und Dickicht dahinter. Sonst nichts? Mischa war enttäuscht. Er wollte schon das Glas absetzen, da hörte er wieder jenen merkwürdigen Laut, diesmal noch näher. Und plötzlich sah er ein riesiges Tier durch die dichten Sträucher zwischen den Stämmen hervorkommen. Grau sah es aus und hatte hohe Vorderbeine. Darüber saß ein mächtiger Leib. Der kräftige Hals mit einer dicken Wamme trug einen schmalen Kopf mit langer Schnauze. Auf dem Kopf aber ragte ein so breites Geweih, wie Mischa es nicht mal im Museum gesehen hatte. Die zwei gewaltigen Schaufeln hätten das Motorrad von Mikuls Vater aufnehmen und umhertragen können. Das Tier schaute sich vorsichtig um, rieb sich an den Bäumen und stieß noch einmal den rostigen Schrei aus. Dann schnob es, und der weiße Atem stand in der kalten Nachtluft. Jetzt wusste Mischa auch, was das war: Ein Elch war das, ein Elch von solcher Größe, wie Mischa ihn noch in keinem Tierpark gesehen hatte, und hier lief er einfach so herum. War das ein Brocken! Nach einer Weile verschwand das Tier zwischen den Bäumen und Sträuchern. Mikuls Vater erhob sich geräuschlos, auch Mikul. Als Mischa aufstand, knackte es gleich wieder.
„Nun, Mischa“, sagte Mikuls Vater, „wie gefällt es dir?“
„So ein Riesentier!“, sagte Mischa begeistert. „Wird es nicht geschossen?“
„Nein“, sagte Mikuls Vater. „So was Schönes schießt man nicht.“
„Und das Gewehr?“, fragte Mischa. „Warum haben Sie das Gewehr mitgenommen?“
„Nur so“, sagte Mikuls Vater.
Aber Mikul flüsterte, als sie wieder auf dem Weg zum Motorrad waren: „Wegen der Bären hat er’s mitgenommen, sicherheitshalber bloß.“
Zu Hause tranken sie warme Milch, und Mikuls Vater legte auf dem Tisch mehrere kleine und große Messer zurecht. Er zündete sich eine Pfeife an, holte einen Karton hervor, in dem kleinere und größere Scheiben und Splitter lagen, die wie Knochen aussahen, und begann mit den verschiedenen Messern flink zu schnitzen.
„Das ist Elfenbein“, sagte Mikul, und Mischa musste wohl ein so dummes Gesicht gemacht haben, dass Mikul gleich erklärte: „Weißt du, wenn man Fallgruben gräbt in der Taiga für Bären oder Wölfe, dann findet man manchmal die Knochen und Stoßzähne von den uralten Mammuts, und daraus schnitzen unsere Leute alles mögliche.“ Mischa und Mikul sahen noch eine Weile Mikuls Vater zu, aber dann wurde Mischa so müde, dass er schon am Tisch anfing zu schlafen und von dem mächtigen Elch zu träumen.
In ihrem Zimmer war es warm und gemütlich. Der elektrische Ofen knisterte, und Mischa stellte sich vor, wie herrlich das freie Jäger-, Schnitzer- und Fischerleben sein könnte.
„Mikul“, sagte er, „willst du auch Jäger werden?“
„Nein“, sagte Mikul, „ich will Arzt werden.“
„Arzt?“, sagte Mischa erstaunt. „Arzt kann jeder werden. Aber Jäger?“
Mikul sagte: „Bei den Chanten ist jeder ein Jäger, aber Arzt – das ist etwas anderes.“
Dass jeder ein Jäger war, das musste stimmen; Mikul selbst bewegte sich schon genauso lautlos wie sein Vater durch den Wald. Aber Mikul sagte: „Weißt du, was meine Schwester immer sagt, die Jelisaweta? Jäger sind wir schon über tausend Jahre gewesen, jetzt ist es Zeit, dass wir auch was anderes werden!“
Mischa wollte dazu nichts mehr sagen, vielleicht hatte Mikul recht. Wenn er daran dachte, dass Mikuls Eltern für viele Monate hinauszogen in die einsame Taigawildnis und keines ihrer Kinder zu sehen bekamen, dann konnte er doch verstehen, dass Mikul lieber Doktor werden wollte und kein Bärentöter.
„Olaf und der gelbe Vogel“ von Erik Neutsch erschien erstmals 1972 in Der Kinderbuchverlag Berlin. Olaf hat auf seinem Zeugnis der 1. Klasse nur eine Zwei, sonst alles Einsen. Als er ganz unten eine Fünf erkennt, Ist er sehr, sehr traurig. Doch er sieht auf einem Baum einen unbekannten gelb-schwarzen Vogel, der rasch wegfliegt. Auf der Suche nach ihm geht er immer weiter aus der Stadt heraus, bis er in einem kleinen Dorf anlangt. Dort freundet er sich mit Susanne an, deren Zeugnis seinem gleicht, bis auf die Fünf. Susannes Eltern und Olafs Mutter lachen über die große Zahl auf dem Zeugnis, die Olaf so viel Kummer bereitete. Nun ist er kein bisschen mehr traurig und läuft fast jeden Tag in das Dorf zu Susanne. Als sie in der Nähe der Baustelle, die eine Verbindungsstraße zwischen der Stadt und dem Dorf errichtet, vom Regen überrascht werden, haben beide eine großartige Idee.
Hier eine Leseprobe aus dem Kinderbuch:
„Erst dein Ehrenwort, dass du es keinem weitersagst.“
„Ehrenwort.“
Sie schlagen die Hände ineinander und sehen sich feierlich an. Dann erzählt Olaf seinem Freund Hansi die ganze Geschichte. Von dem gelbschwarzen Vogel, von Atze, und wie er Susanne getroffen hat. Von ihren Besuchen an der Fernstraße und von dem Gewitter, und wie Susanne und er auf die Idee gekommen sind, an der Straße Bäume zu pflanzen. Nur die Fünf auf dem Zeugnis verschweigt er. Aber es war ja gar keine richtige Fünf. „Siehst du, und Susanne hat sogar an dich gedacht, dass auch du Bäume mit pflanzen sollst.“
Für Hansi ist das alles ein bisschen viel auf einmal. Eine solche lange Geschichte! Die muss erst in seinen Kopf hinein. „Erzähl’s noch mal“, bittet er.
Olaf beginnt von vorn. Und Hansi fragt, wenn er etwas nicht versteht. Dann sagt er: „Hast du gar keine Angst vor der Polizei?“
„Vor wem?“
„Vor der Polizei.“
„Warum denn?“
„Weil du die Kirschbäume aus dem Schulgarten klauen willst.“
„Ich klau sie doch nicht. Ich pflanze sie nur von einem Fleck an den anderen. An der Straße stehen sie besser. Die Leute können sich drunterstellen, wenn es regnet. Und der Zaubervogel hat einen Platz zum Ausruhen. Wir müssen sie nur tüchtig gießen, damit sie groß werden und viele Blätter kriegen. Im Schulgarten braucht sie keiner. Du weißt ja. Als wir Unkraut zupfen sollten und es fing an zu regnen, sind wir mit Frau Franke zurück in unsere Klasse gegangen.“
„Hm … Ob aber die Polizei das weiß?“
„Dann gehen wir eben hin und sagen’s. Herr Kulike von nebenan könnte Wache stehen, wenn wir die Bäume ausgraben.“
„Herr Kulike soll Wache stehen? Warum denn? Er ist doch selber bei der Polizei.“
„Vor Herrn Pitzig, dem Hausmeister, damit der uns nicht erwischt.“
„Siehste“, sagt Hansi, „du hast doch Angst. Wir klauen also doch.“
„Aber nicht, wenn die Polizei uns hilft“, sagt Olaf. Ein schwieriges Problem, das die beiden zu lösen haben. Stehlen sie oder stehlen sie nicht?
Zwei Tage gehen darüber hin. Olaf zeigte Hansi die Stelle, an der er sich immer mit Susanne getroffen hat. Sie malen eine Sonne auf den Weg. Olaf sagt: „Man müßte Susanne fragen können, was sie dazu meint. Ich schreib’s ihr im Brief.“
„Bis du Antwort hast“, erwidert Hansi, „sind die Ferien um.“
„Ja. Das stimmt.“
„Warum fragst du nicht einfach deinen Papa?“
„Geht nicht. Unsere Idee soll ein Geheimnis sein. Besonders für die Großen.“
Endlich beschließen sie, die Polizei einzuweihen. Herr Kulike von nebenan, der Abschnittsbevollmächtigte ihres Wohnviertels, soll Wache halten. „Aber nur, wenn er vorher sein Ehrenwort gibt, nichts zu verraten“, sagt Olaf. Hansi nickt. Sein Freund hat wie immer das Richtige getroffen. Und Bello macht: Wauwau. Es hört sich an, als sagte er: Genau.
Herr Kulike jedoch ist im Urlaub! Sie klingeln vergebens an seiner Wohnungstür.
Und sie haben nur noch eine Woche Ferien.
Hansi hat einen Einfall. „Wieso brauchen wir zum Wachestehen einen Volkspolizisten?“, fragt er.„Keine Spur. Das macht Bello. Der nimmt’s mit jedem Polizeihund auf. Und eine bessere Nase und bessere Ohren als Herr Kulike hat er auch. Wir binden Bello an den Zaun. Und wenn Herr Pitzig kommt, dann bellt er. Und wenn Herr Pitzig uns verhauen will, dann beißt er ihn ins Bein.“
Das war eine lange Rede. Er ist ganz außer Atem. Bello macht dazu: Wauwau. Er hat seinen Namen gehört, und wiederum klingt es, als sage er: Genau. Alle Entscheidung liegt bei Olaf. Die beiden gucken sich an.
„Dass wir darauf nicht gleich gekommen sind“, ruft er aus. „Natürlich!“ Und nach einer Weile fügt er hinzu: „Aber beißen darf der Bello den Herrn Pitzig nicht. Das ist …“ Er sucht nach dem richtigen Wort. „Strafbare Handlung ist das. Und dann kriegen wir es wirklich mit der Polizei zu tun. Herr Kulike würde den Herrn Pitzig ja auch nicht beißen.“
„Nein“, sagt Hansi. „Das stimmt.“ Und plötzlich fragt er, und ganz wohl ist ihm dabei nicht: „Du! Warst du schon mal im Gefängnis?“
„Ich? Wie kommst’n darauf?“, sagt Olaf.
„Es soll nicht schön dort sein“, sagt Hansi. „Da kriegste nur trocken Wasser und nicht mal Marmelade aufs Brot.“
„Quatsch“, sagt Olaf. „Ins Gefängnis kommen nur Verbrecher. Diebe, die was klauen, und so.“
Ihr Entschluss ist gefasst. Noch am selben Abend, als schon die Dämmerung alle Häuser grau macht, gehen sie zur Schule. Hinter dem Seitenflügel, dort, wo Herr Pitzig wohnt, befindet sich der Garten.
Der 4. Teil der Zeitreisenden-Reihe von Hardy Manthey „Der Tempel und das geheime Grab erschien 2012 und 2017 bei EDITION digital. Wird die magische Kraft des Goldes ausreichen, um einen gewaltigen Tempel zu errichten? Kann sie den Widerstand der Männer brechen? Dort im Tempel muss auch die Botschaft an die Menschen der Zukunft versteckt werden. So gut versteckt, dass über die Jahrtausende Krieg und Katastrophen hinweg, ihre Nachrichten ankommen. Lesen Sie, was unsere Heldin tatsächlich erreicht. Am Ende dieses Teiles blicken wir kurz in die Zukunft und erfahren, was die Archäologen herausfinden!
Aphrodite, jetzt echt wütend auf diesen Macho, sagt beleidigt: „Ich hatte eigentlich geglaubt, dass ihr mich nicht wie ein dummes Weib behandelt. Aber ihr habt immer noch damit Probleme, dass ich eine Frau bin. Warum?“
„Ihr habt tatsächlich gute Ideen, aber das ändert doch nichts daran, dass ihr ein niederes Wesen seid. Fügt euch doch endlich der Gott gewollten Ordnung. Ihr seid eine so wunderschöne Frau. Euer schöner Körper ist für uns Männer ein Traum. Ein Männertraum schlechthin. Ihr sollt uns Männer mit so einem schönen Körper glücklich machen und uns Söhne schenken. Stattdessen wollt ihr uns Männer ständig belehren. Wisst gar alles besser! Lasst doch jeden von uns an seinem Platz seine Arbeit machen. Wenn ihr tatsächlich Vernunft besitzt, dann gehorcht endlich dem Willen der Götter!“
„Dann verstehe ich nicht, warum ich jetzt zum Steinbruch mit muss? Soll ich mich dort vor allen ausziehen und mich dann von allen ficken lassen?“, keift Aphrodite den Mann wütend an.
Bei ihren Worten zuckt er zusammen. Bittend und drohend zugleich sagt Pianch: „Ihr soll mitkommen, damit euer hübsches Köpfchen endlich begreift, welch ein enormer Aufwand betrieben werden muss, um diese riesigen Blöcke herzustellen und zu transportieren. Verzichtet doch bitte darauf!“
„Da beißt ihr bei mir wortwörtlich auf Granit. Die großen Steinblöcke alleine garantieren mir, dass mein Grab die Jahrtausende überstehen wird. Denkt an die Leistungen eurer eigenen Vorfahren!“, schmettert Aphrodite ihm giftig entgegen.
„Ihr seid aber kein Pharao und hier ist nicht Ägypten!“, brummt er unversöhnlich zurück.
„Küchengespräche mit Frau L. Porträts und Geschichten“ von Elisabeth Schulz-Semrau erschien erstmals 1989 im Mitteldeutschen Verlag Halle-Leipzig.
Lesen Sie eines der Gespräche:
Aber jetzt las sie endlich. Und wir saßen ohne persönliche Einladung in der zweiten Reihe sogar; wir waren einfach, als die hochgeschlossene Chefredakteurin sich um sie mühte, hineingeschlüpft, so ganz selbstverständlich tuend, zwischen all den festlich gekleideten Kulturschaffenden. Dabei waren gar nicht alle gekommen, diese Kultur- – ach, ich habe keine Lust, das Wort ärgerte mich seit ’ner halben Stunde, in der wir vergeblich versucht hatten, in den Saal dieses Barockschlösschens hineinzugelangen.
Sie las die Geschichte dieses Diplom-Ingenieurs, den wir schon im ersten Band kennengelernt hatten. Seine Frau war nicht mit zu uns gekommen, obwohl sie ihn liebte, er sie liebte. Einige Male war er in den kleinen Ort am Rhein gefahren, den die Schriftstellerin sicher selbst gut kannte, sie war ja aus der Gegend, immer aber ohne sie in das große Werk zurückgefahren, das er nach dem Krieg mit aufbaute. Und als sie sich endlich entschloss, sein Kind bei ihm, bei uns zu erwarten, war es zu spät, starb sie.
Warum ließ sie seine Frau sterben? Nun hätten sie doch endlich leben, miteinander, füreinander leben können. Dazu brauchte sie doch nicht herüberzukommen, wäre sie dann schon lieber dageblieben, auch wenn’s Westen ist, aber sterben? – Im Leben gibt’s oft so uneingeplante Dinge, die schmerzen oder ärgern. Nein, schon richtig, ein Patentschluss wäre unglaubwürdig, zu rosig.
Ihre Stimme ging über die Sätze hin, wie man unermüdlich, unaufhaltsam Wege geht, Landstraßen, Waldwege, Feldwege, Grenzwege, Landstraßen und wieder Landstraßen, manchmal müde, stockend, sich weiterschleppend, aber bis ans Ende, immer bis zum Ziel.
Es war auch etwas von Zügen in der Stimme, irgendwie fahrende Züge, die sich monoton in die Eisenbahnschwellen hineinbeißen, nocheinstück, nocheinstück, nocheinstück, an den Haltestellen da waren die Manuskriptblätter zusammengeheftet; vielleicht machte man es so als Schriftsteller, ein Kapitel fertig, zusammenstecken, vielleicht hatte sie es aber auch zum Zwecke der heutigen Lesung zu Hause vorbereitet, es mit unsicheren Händen auswählend, zusammenlegend.
Alles war irgendwie zerbrechlich an ihr. Als sie sich nach ihrem Eintritt vorhin in der erleuchteten Vorhalle zurechtgefunden hatte, machte sie mit dem linken Fuß ein paar Schrittchen unsicher zur Seite, dabei fiel die linke Schulter hilflos vor, wie ein verwundeter Flügel, der sich nicht mehr richtig dirigieren ließ, und als sie dann noch fragte: „Was soll ich nun tun“, so wie: „was erwartet ihr jetzt von mir, wie muss ich mich nun für euch bewegen“, war mir, als hätte niemand mehr das Recht, sie zu beanspruchen, sie um etwas zu bitten. Die sollten sie zufriedenlassen, sie ganz vorsichtig behandeln, sie hatte doch ihren Teil wirklich und lange übererfüllt. Tapfer habe ich gelebt, habe den Himmel gesehen, den nimmer ihr sehen könnt …
Nein, „habe ich gelebt“ stimmt nicht, darf nicht stimmen, und überhaupt hatte ich ja auch darauf gewartet, die Minuten zählend, trotz der missbilligenden Blicke der zwei Verlagsengel vom Dienst auf meine wenig feierliche Kleidung hatte ich gewartet, dass ich auch ohne Einladung ihr zuhören dürfte.
Der Ingenieur war jetzt noch einmal in die Stadt zurückgekehrt, wo seine Frau zuletzt gewesen war. Er suchte ihre Wirtin auf, sie gab ihm ein blau verwaschenes Kleid seiner Frau, es hatte damals noch auf der Leine gehangen, als sie sich kurz entschlossen zu ihm aufgemacht hatte.
Warum quält man sich selbst so, geht und wühlt in Erinnerungen, die Vergangenes nie wiedergeben können? Kleine durchsichtige Seifenblasen, deren Zerplatzen lauter leere Löcher zurücklässt. Quatsch, dann müsste einem das Innere ja völlig zerlöchert sein. Ist es vielleicht auch, so unter der Haut, wer kann’s sehen? Drüber glatte oder weniger glatte Haut, Lachen, „sie ist doch immer fröhlich“, sagen die Leute, „die kann nichts umwerfen“. Wie gut sie das wissen, die wissen alles.
Kommen wir noch einmal auf den Anfang der heutigen Post aus Pinnow und damit auf das traurige Jubiläum des Militärputsches von General Pinochet in Chile zurück. Gerade erst waren neue Beweise für die Verstrickung von Politik, Wirtschaft und Geheimdiensten der alten Bundesrepublik in die damaligen Vorgänge (und ihre langfristige Vorbereitung) an die Öffentlichkeit gelangt.
Neben der Traurigkeit über eine zerstörte Hoffnung macht vor allem die Tatsache nachdenklich, dass noch heute eine Vielzahl von Chilenen den damaligen Putsch für richtig und notwendig hält. Und damit sind wird sehr schnell auch bei Gedanken über aktuelle, rechtsextreme und faschistische Entwicklungen im eigenen Land. Nur schwer zu beantworten ist die Frage, wie sich diese gefährliche Entwicklung stoppen lässt und welche Bündnisse dabei helfen können. Die Lage ist nicht hoffnungslos. Aber die Lage ist durchaus als ernst zu bezeichnen, zumal sich auch in anderen europäischen Staaten und auch international die Welt leider stärker nach rechts zu drehen scheint. So schließt die Erinnerung an Chile im September 1973 auch die Aufforderung zum Erarbeiten wirksamer Gegenstrategien ein, die politische und ökomische, soziale, Anti-Kriegs- und Pro-Klima-Kämpfe miteinander verbinden. Denn die Heimaterde der Menschheit existiert bekanntlich nur einmal.
Und damit zurück zu den heutigen fünf Sonderangeboten. Viel Vergnügen beim Lesen, kommen Sie gut in den November, bleiben auch Sie weiter vor allem schön gesund und munter und bis demnächst.
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