Europas Arzneimittelkrise
Das Strategiepapier der Europäischen Kommission skizziert eine Vielzahl von kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen, um die Sicherheit der Arzneimittelversorgung in der EU zu gewährleisten. Zu den Kernpunkten gehören:
- Freiwilliger Solidaritätsmechanismus für Arzneimittel: Schon ab Oktober 2023 wird ein freiwilliger Solidaritätsmechanismus eingeführt, um Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von Arzneimittelengpässen zu unterstützen.
- Liste unverzichtbarer Arzneimittel: Bis Ende 2023 wird eine Liste besonders wichtiger Medikamente erstellt, für die gezielte Maßnahmen ergriffen werden sollen, wie verstärkte Lagerhaltung, gesteigerte Produktion und Kooperationen mit Drittstaaten.
- Flexiblere Regeln für Arzneimittelbeschriftungen: Die bestehenden Vorschriften sollen flexibler gehandhabt werden, um den grenzüberschreitenden Transport von Arzneimitteln trotz fehlender landessprachlicher Beschriftungen zu erleichtern.
- Überarbeitete Leitlinien zur Arzneimittelbeschaffung: Anfang 2024 werden aktualisierte Leitlinien für die Beschaffung von Arzneimitteln vorgelegt.
Diese Maßnahmen zielen nicht nur auf die kurzfristige Bewältigung von Engpässen ab, sondern auch auf die langfristige Stärkung der Arzneimittelversorgung in Europa. Hierzu gehören die Koordination von Preisen und Vergabeverfahren, die Priorisierung der Versorgung in Europa und die Rückverlagerung wichtiger Produktionsschritte in die EU. Zudem wird geprüft, ob eine gemeinsame Beschaffung von Antibiotika und Atemwegsviren-Behandlungen vor dem Winter 2024/25 realisierbar ist.
Der CDU-Politiker Peter Liese betont die Dringlichkeit dieser Maßnahmen und die Notwendigkeit eines koordinierten europäischen Ansatzes. Er hebt hervor, dass die Veränderungen in der Beschaffung von Generika in der Vergangenheit dazu geführt haben, dass Produktionen ins Ausland verlagert wurden, was eine der Hauptursachen für den aktuellen Mangel an Arzneimitteln darstellt.
Frank Ulrich Montgomery, der ehemalige Vorsitzende des Weltärztebunds, spricht von einem klaren Marktversagen und betont die Bedeutung der Rückverlagerung von Produktionsketten nach Europa. Er fordert eine umfassende Strategie, die nicht nur eine Liste unverzichtbarer Medikamente, sondern auch nationale und europäische Lagerbestände sowie die Verpflichtung der Pharmaindustrie zur Autarkie und Sicherung der Lieferketten einschließt.
Thomas Rochell, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbands Westfalen-Lippe, warnt vor den Herausforderungen in der ambulanten Versorgung und plädiert für verstärkte Zusammenarbeit auf europischer Ebene, um die regionale Produktion von Arzneimitteln zu fördern.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen der Europäischen Kommission signalisieren einen entschlossenen Schritt, um das drängende Problem der Arzneimittelknappheit anzugehen und die Arzneimittelversorgung in Europa nachhaltig zu sichern. In Zeiten wachsender gesundheitlicher Herausforderungen sind solche Schritte von entscheidender Bedeutung, um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger der EU zu schützen.
Kommentar:
Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Strategie zur Bewältigung des Arzneimittelmangels ist angesichts der dringenden Situation ein Schritt in die richtige Richtung. Der Mangel an lebenswichtigen Arzneimitteln ist ein ernsthaftes Problem, das nicht nur Europa, sondern die gesamte Welt betrifft. Die vorgeschlagenen Maßnahmen, darunter die Schaffung eines Solidaritätsmechanismus und die Überarbeitung der Arzneimittelbeschaffungsrichtlinien, sind notwendig, um sicherzustellen, dass Patienten weiterhin Zugang zu den Medikamenten haben, die sie dringend benötigen. Die Einbeziehung von Expertenmeinungen und die Betonung der Zusammenarbeit auf europäischer Ebene sind entscheidend, um effektive Lösungen zu entwickeln. Es bleibt zu hoffen, dass diese Maßnahmen dazu beitragen, die Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln in Europa wiederherzustellen und langfristig zu gewährleisten.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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