Evangelische Kirche – wieder gerne an der Seite der Regierenden
Aktuell geht es um Abtreibung. Im „Ampel“-Koalitionsvertrag vom Dezember 2021 steht auf Seite 92 unter der allein schon fragwürdigen Überschrift „Reproduktive Selbstbestimmung“: „Wir stärken das Selbstbestimmungsrecht von Frauen. Wir stellen Versorgungssicherheit her. Schwangerschaftsabbrüche sollen Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung sein. Die Möglichkeit zu kostenfreien Schwangerschaftsabbrüchen gehören (sic!) zu einer verlässlichen Gesundheitsversorgung.“
Nun darf man nicht vergessen, dass das Bundesverfassungsgericht in Sachen Abtreibung 1975 und 1993 eigentlich recht kluge Regelungen gefunden hat, um die Rechte der Frauen zu stärken und gleichzeitig für den Schutz des ungeborenen Lebens zu sorgen. Es besteht insofern überhaupt keine Veranlassung, daran etwas zu ändern. Die „Ampel“ ist dennoch wild entschlossen, daran zu rütteln. Sie verfolgt damit das gleiche Ziele wie eine Art EU-„Ampel“. Damit ist gemeint: Die Sozialdemokraten/Sozialisten, Grünen und Liberalen im Europaparlament wollen das Recht auf Abtreibung in die Charta der EU-Grundrechte aufnehmen. Ähnlich übrigens wie Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron: Er will das ohnehin liberale französische Abtreibungsrecht als Recht auf Abtreibung gar in die französische Verfassung aufnehmen.
Der Bundesminister für Gesundheit, Karl Lauterbach (SPD), der Bundesminister der Justiz, Marco Buschmann (FDP) und die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Lisa Paus („Grüne“), haben nun zur Realisierung des Koalitionsplans eine „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ berufen. Diese Kommission hat sich am 31. März 2023 konstituiert. Sie soll unter anderem beraten, ob und wie Abtreibungen außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden sollen. Im Frühjahr 2024 soll die Kommission Vorschläge vorlegen.
Und nun bekommt die „Ampel“ Geleitschutz ausgerechnet von einer christlichen Kirche: Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ändert ihre Position beim Schwangerschaftsabbruch: Sie kann sich vorstellen, Abtreibungen in bestimmten Fristen außerhalb des Strafrechts (StGB 218) zu regeln. Wörtlich: „Die EKD tritt dafür ein, Regulierungen des Schwangerschaftsabbruchs für bestimmte Konstellationen auch außerhalb des Strafrechts zu formulieren“, heißt es in einer Mitte Oktober 2023 veröffentlichten Stellungnahme des Rates der (EKD) an die von der Bundesregierung eingerichtete Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin.
Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus sagte dazu: Die EKD wolle einen Impuls für eine sachliche Debatte zu einer Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs geben. Diese „Fortschreibung“ der EKD-Position berücksichtige eine gesellschaftliche Entwicklung, die die Perspektive der schwangeren Frau und ihre reproduktiven Rechte stärker in den Blick nehme. Der Rat der EKD beeilt sich aber auch zu betonen, dass er eine „vollständige Entkriminalisierung“ des Schwangerschaftsabbruchs wegen der Verpflichtungen des Staates für den Schutz des Lebens für „nicht vertretbar“ halte.
Dennoch die Frage: Merkt die EKD überhaupt, was sie da tut? Merkt sie, dass sie damit ein höchst fragwürdiges Vorhaben der „Ampel“-Koalition legitimiert? Nein, sie merkt es offenbar nicht und befördert damit einen von der „Ampel“ initiierten Dammbruch. Denn die EKD verwässert ihre eigenen ethischen Prämissen zum Schutz des ungeborenen Lebens. Die EKD will, dass eine Abtreibung erst „ab der extra-uterinen Lebensfähigkeit“, also ungefähr ab der 22. Schwangerschaftswoche, das heißt im 6. Schwangerschaftsmonat, „strafrechtlich geregelt und nur in klar definierten Ausnahmefällen zulässig sein soll.“
Konkret spricht sich der Rat der EKD als Leitungsgremium also für eine „abgestufte Fristenkonzeption“ aus, bei der zwischen den verschiedenen Schwangerschaftsstadien unterschieden werden soll. Dem Recht des Ungeborenen auf Leben in der Abwägung mit dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren sei freilich mit fortschreitender Schwangerschaft zunehmendes Gewicht einzuräumen. Über die Fristen selbst sei noch näher zu diskutieren. Hinsichtlich möglicher anderer oder weiterer Fristen müsse ausgelotet werden, wie viel Zeit der Schwangeren minimal eingeräumt werden sollte, um eine verantwortliche Entscheidung zu treffen. Das könnten die ersten zwölf Wochen nach Empfängnis sein, heißt es in der Stellungnahme.
Von dieser „abgestuften Fristenkonzeption“ verspricht sich der EKD-Rat eine teilweise „Entkriminalisierung“ von Abtreibungen. Damit solle „die Perspektive der schwangeren Person und ihre reproduktiven Rechte stärker in den Blick“ genommen werden. „Entkriminalisierung“ – das scheint überhaupt jetzt Mode zu werden. Auch bei ihren Plänen einer Legalisierung von Cannabis argumentiert die „Ampel“ so. Dies aber nur am Rande!
Das Signal aber, das die Kirche mit diesem Vorstoß sendet, ist verheerend. Denn einmal straffrei gestellt, und sei es nur in Fristen, verschieben sich die Maßstäbe. Das passt zum gesellschaftspolitischen Trend, ungeachtet religiöser und moralischer Stoppschilder alles verfügbar machen zu wollen und kaum noch etwas Gott, dem Glauben und dem Leben selbst zu überlassen – ob es um das Geschlecht, den Tod oder den Schutz ungeborenen Lebens geht. Alles soll dem Menschen in schier gottähnlicher Macht verfügbar sein: Sein Geschlecht soll er laut geplantem „Ampel“-Selbstbestimmungsgesetz einmal pro Jahr ändern können. Über seinen eigenen Tod soll er verfügen können. Über ungeborenes Leben soll er verfügen können.
Umso mehr aber wäre Kirche, hier eben auch die evangelische Kirche, aufgerufen, auf eindeutige Distanz zu gehen, anstatt der Ampel-Regierung für ihre destruktiven Vorhaben auch noch eine ethische Legitimierung zu verschaffen. Nun, immerhin ist die katholische Deutsche Bischofskonferenz gegen Veränderungen der Rechtslage. Aus der katholischen Reihe tanzt allerdings die Präsidentin des Zentralkomitees deutscher Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp. Im Juli 2022 erklärte sie in einem Gastbeitrag für die "Zeit"-Beilage "Christ und Welt", es sei „sicherzustellen, dass der medizinische Eingriff eines Schwangerschaftsabbruchs flächendeckend ermöglicht wird".
Die seltsame Allianz der EKD mit der „Ampel“ beim Abtreibungsrecht ist freilich nicht das einzige aktuelle Beispiel für den permanenten Linksschwenk der EKD in Richtung Wokeismus.
EKD schwenkt generell in Richtung linke Wokeness ein
Man nehme allein den 38. Evangelischen Kirchentag vom Juni 2023 in Nürnberg. Dieser Kirchentag wurde zum Stelldichein aller, die für wichtig gehalten werden oder sich in Staatsämtern für wichtig halten – auch solche, die bei einer Vereidigung das „So wahr mir Gott helfe“ nicht über die Lippen bringen. AfD-Leute waren von einer Mitwirkung grundsätzlich ausgenommen, und auch sonst waren die Podien und Rednerpulte hinsichtlich Bundestags-Parteiprovenienz linksschief: 9 Mandatsträger der „Grünen“, 6 der FDP, 5 der SPD, 4 der CDU, 3 von der „Linken“.
Diese Konstellationen spiegelten sich im 522-Seiten-Programmheft wider.
Unter den mehr als 2.000 Veranstaltungen fanden sich Titel wie „Jesus“ (20mal) oder „Christus“ (36mal) durchaus. Die Prioritäten aber waren andere: 87mal Frieden, 71mal Klima, 51mal Rassismus/Rassicm, 33mal Queer, 32mal Gender, 26mal Islam, 21mal Feminismus, 20mal Migration. Der Bauchladen an Themen wurde komplettiert mit folgenden Themen: Rechtsextremismus (12mal), Ukraine (9mal), Asyl (6mal) Mittelmeer (nur 5mal!), Afrika (auch nur 5mal, darunter 3mal in Verbindung mit Gospels trotz allgemein üblicher Ächtung von „kultureller Aneignung), Corona (3mal).
Nichts war zu finden zu Cancel Culture, Orwell, Linksextremismus, Woke/Wokeness. Und natürlich auch nicht zur politischen Einseitigkeit der Öffentlich-Rechtlichen. Der abtreibungskritischen „Aktion Lebensrecht für Alle“ (ALfA) hat man eine Teilnahme und einen Stand im Rahmen des „Marktes der Möglichkeiten“ verwehrt. Dafür gab es ein paar andere vermeintliche Highlights: Aufgeführt wurde „Vulva reloaded – Ein starkes Stück für alle Geschlechter.“ Das „grüne“ Mitglied des Bundestags, Transfrau Tessa Ganserer, sprach über „Trans*Hype! – Echt jetzt“. Deutschlands Klima-Ikone Luisa Neubauer diskutierte auf einem Podium über “Wenn Yoga und Tee nicht mehr helfen“. Robert Habeck redete unter anderem mit Ex-Siemens-Chef und Neubauer-Duz-Freund Joe Kaeser (vulgo: Josef Käser) über das ungewollt passende Thema „Wer hat’s verbockt?“ Apropos Baerbock: Deutschlands Außenministerin stellt sich dem Thema „Werte, Ethik, Interessen: Außenpolitisches Handeln in der Zeitenwende“.
Der Schlussgottesdienst vom 11. Juni 2023 setzte dann das „Tüpfelchen auf’s i“.
Pastor Quinton Ceasar aus Wiesmoor bei Aurich, bekennender Aktivist in Sachen Klima, Gender usw., trat mit ausladender Afrofrisur auf und predigte unter anderem folgendes:
„… Die Zeit ist jetzt, zu sagen:
Wir sind alle die Letzte Generation.
Jetzt ist die Zeit, zu sagen: Black lives always matter.
Jetzt ist die Zeit, zu sagen: Gott ist queer.
Jetzt ist die Zeit, zu sagen: We leave no one to die.
Jetzt ist die Zeit, zu sagen: Wir schicken ein Schiff.
UND wir empfangen Menschen in sicheren Häfen.
Safer spaces for all. „
Aber nicht erst 2023 diente sich die EKD dem „woke“ Zeitgeist an. Seit 2015 gibt es das „EKD-Studienzentrum für Genderfragen.“ Seit 2020 gibt es die Broschüre „Sie ist unsere beste Frau – Tipps für eine geschlechtergerechte Sprache.“ Evangelische Akademien übertreffen sich gegenseitig mit Veranstaltungen zu Themen wie „Klimagerechter Frieden“, „Trans* und geschlechtliche Identität“ usw.
Margit Käßmann, 2011 zurückgetretene EKD-Ratsvorsitzende und für viele, auch Nicht-Christen immer noch schier eine Ikone, machte beim 36. Kirchentag 2017 in Berlin und Wittenberg streng auf Antifa. Zur Forderung der AfD nach einer höheren Geburtenrate der „einheimischen“ sagte sie unter tosendem Beifall: Das entspreche dem „kleinen Arierparagrafen der Nationalsozialisten.“ Und: „Zwei deutsche Eltern, vier deutsche Großeltern: ‚Da weiß man, woher der braune Wind wirklich weht’“, kritisierte die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende.
Die EKD hatte auch kein Problem, einen der umstrittensten investigativen Journalisten, Hans Leyendecker, zum Präsidenten des 2019er Kirchentags zu machen. Zur Erinnerung: Leyendecker hatte 1993 im „Spiegel“ behauptet, die Bundespolizei habe in Bad Kleinen den RAF-Terroristen Wolfgang Grams „hingerichtet.“ Bundesinnenminister Rudolf Seiters übernahm die Verantwortung dafür und trat zurück. Aber die Leyendecker-Story war erlogen. Erst ein gutes Vierteljahrhundert später, im Jahr 2020, entschuldigte sich Leyendecker.
Und weiter: Auch evangelische Einrichtungen machen auf „woke“: Die Diakonie Deutschland hat 5 Seiten Stellungnahme zum Selbstbestimmungsgesetz der Ampel vorgelegt. 7-mal „begrüßt“ sie das Vorhaben, 12-mal mit Gendersternchen (*) unterlegt. Ähnlich äußert sich die Evangelische Arbeitsgemeinschaft Familie auf 5 Seiten. Auch sie „begrüßt“ das „Ampel“-Vorhaben (5-mal), 23-mal unterlegt mit Gendersternchen (*). Zur Erinnerung: Das geplante Selbstbestimmungsgesetz soll Bürgern, ggf. schon ab dem 14. Lebensjahr, erlauben, jährlich (!!!) beim Standesamt den Geschlechtseintrag und damit auch den Vornamen zu ändern. Wer dennoch den alten Namen eines „Transmenschen“ verwendet, wer also „dead naming“ betreibt, soll mit einer Strafe von bis zu 10.000 Euro belegt werden.
Bei soviel Linksdrift fragt man sich: Warum nicht gleich eine Fusion von Grünen und Evangelischer Kirche? Denn es ist seit Jahren offenbar: Wer auf einen Evangelischen Kirchentag geht, der kann auch auf einen grünen Parteitag gehen. Oder sich eines von beiden sparen. Eine solche Kirche muss sich jedenfalls nicht wundern, wenn ihr Mitglieder zu Zigtausenden den Rücken kehren. Eine sich zivilgesellschaftlich gebende Kirche, die sich selbst in „woker“ Akklamations- und Apportierattitüde gleichschaltet, braucht kein Mensch, auch kein Christ.
Apropos Kirchentag: Und wie steht’s mit Katholikentagen? Die „Katholen“ sind etwas langsamer. Aber auch die Katholikentage sind dabei, hier Boden gutzumachen. In puncto „wokeness“ will man nicht Letzter werden. Dabei würde eine evangelische Kirche in Deutschland doch reichen.
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