Mit dem Skalpell am Deckengewölbe von Kloster Eberbach
Ganz sacht setzt Evgeniia Nasledova das Skalpell an. Vorsichtig und konzentriert streift sie über die helle Schicht. Hält inne. Schaut prüfend. Und zieht das scharfe Werkzeug erneut über dieselbe Stelle. Dann ist der Glasfaserpinsel dran. „Ich darf nichts zerstören und nichts übersehen“, erklärt sie. „Schauen Sie: Was für eine herrliche Blumenranke…“
Die Expertin mit einem Master in Restaurierung und Denkmalpflege liegt bei ihrer anspruchsvollen Arbeit rücklings auf einer Spezialkonstruktion ganz nah an der Gewölbedecke – genauer gesagt auf einem ausgedienten Zahnarztstuhl. „Das ist viel besser, als die ganze Zeit den Kopf nach hinten drehen zu müssen und für Kopf- und Rückenschmerzen zu sorgen. Es lässt mich sehr exakt, ruhig und konstant arbeiten“, so die Mitarbeiterin der Restaurierungswerkstätte Onnen aus Hirschaid bei Bamberg. Die Firma ist seit 2018 in Kloster Eberbach tätig und ließ zuvor bereits die Decke der Basilika in altem Glanz erstrahlen.
Etwa zwei Quadratmeter neu entdeckter Ranken und Weinreben wurden in den vergangenen zwei Wochen mithilfe von Spezialwerkzeugen und Festigungsmitteln in feinster Handarbeit freigelegt und konserviert. „Die Malereien und Verzierungen stammen aus dem November des Jahres 1500, dem großen Jubiläumsjahr der Christenheit und sind teilweise hervorragend erhalten“, stellt die Restauratorin fest. „Ich bin die ganze Zeit gespannt, was ich als nächstes zum Vorschein bringen kann. Zentimeter für Zentimeter. Es macht fast süchtig…“
Die Sanierung des romanisch errichteten und gotisch umgebauten Ostflügels mit Mönchsdormitorium, Kapitelsaal und Fraternei (Cabinetkeller) zur Nutzung als Veranstaltungsstätte und für museale Zwecke ist der letzte große Bauabschnitt der seit 1986 laufenden Generalsanierung des Klosters, dessen Gründung 1136 auf Bernhard von Clairvaux zurückgeht.
„Unsere Maßnahmen begannen zunächst mit einer behutsamen Reinigung der Oberflächen“, so Diplom-Restaurator Eike Dehn, Chef der Restaurierungswerkstätte Onnen. „Dabei mussten wir vor allem Teile der Anstriche entfernen, die noch vom Filmdreh von ,Der Name der Rose‘ stammen.“ Alle Maßnahmen geschehen in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege. „Für ein Feld von etwa zehn Quadratmetern – direkt über dem Kapitelsaal – wurde entschieden, hier die Bemalungen der Mönche freizulegen. Sie wurden freihändig, zum Beispiel mit Pigmenten wie Malachit, das auch für die Buchkunst verwendet wurde, ausgeführt.“
Voraussichtlich noch bis Ende des Jahres dauern die aufwendigen Deckenarbeiten im Obergeschoss. Bis dahin hat die Stiftung die Eintrittspreise angepasst und bietet Formate wie den Audio-Guide für den Klosterrundgang gratis an.
„Es gehört zu den Kernaufgaben für uns als Stiftung, die einmalige Anlage Kloster Eberbach für nachfolgende Generationen zu bewahren und ihre Schönheit zur Geltung zu bringen“, erläutert Vorstandsvorsitzender Julius Wagner. „Die Arbeiten beispielsweise am Gewölbe des Mönchsdormitoriums bieten – trotz des Gerüsts – die Gelegenheit für einmalige Einblicke in die Tätigkeit der Restauratoren. Und es kommen wahre Schätze zum Vorschein! Wir freuen uns darauf, wenn wir das Dormitorium und seine Decken bald wieder in ihrer einstigen Herrlichkeit präsentieren können. Der Erhalt von Kloster Eberbach ist eine Mammutaufgabe, die wir nur mit der Unterstützung durch das Land Hessen und durch viele Besucherinnen und Besucher bewältigen können. Dazu werden wir auch mit neuen digitalen Formaten unser Kulturdenkmal erlebbarer machen.“
Das ehemalige Zisterzienserkloster Eberbach im Rheingau, 1136 von Bernhard von Clairvaux gegründet, ist ein magischer Ort, an dem Tradition und Zukunft, Begegnung und Dialog, Werte und Ideen eine Symbiose eingehen. Der Schutz und der Erhalt dieses herausragenden Kulturdenkmals sind die Kernaufgaben der gemeinnützigen Stiftung Kloster Eberbach. Dazu gehören, neben dem aufwendigen Unterhalt und Betrieb der denkmalgeschützten Klosteranlage, die Förderung kultureller Projekte und die Öffnung für die Öffentlichkeit. Besucherinnen und Besuchern im Kloster die Bedeutung von Kulturgut erlebbar zu machen und zukunftsrelevant zu vermitteln, ist das erklärte Ziel. Parallel zur Generalsanierung (begonnen im Jahr 1986) übertrug das Land Hessen 1998 die gesamte Liegenschaft Kloster Eberbach auf die öffentlich-rechtliche Stiftung. Sie finanziert sich über Eintrittsgelder, Spenden, Führungen, Veranstaltungen, Miet- und Pachteinnahmen. Der Stiftungsauftrag: Werte erhalten, Zukunft gestalten, Dialog fördern.
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