Scandium: Vom Sowjet-Geheimnis zum China-Monopol
Vor einer Woche fand in Brüssel das zweite Trilog-Treffen zum Critical Raw Materials Act statt, das Rohstoffgesetz, das Europas Industrie den Zugang zu kritischen Metallen sichern soll. In der aktuell sehr angespannten geopolitischen Lage stellen große Abhängigkeiten von einer Handvoll Ländern ein sehr hohes Risiko für Europas Wirtschaft dar. Vor allem China kontrolliert Abbau und Weiterverarbeitung zahlreicher kritischer und strategischer Metalle, aber auch Russland ist im Rohstoffsektor dominant. Dass China sein Monopol auch strategisch einsetzt, führt die Einführung von Ausfuhrkontrollen auf die Technologiemetalle Gallium und Germanium deutlich vor Augen (siehe https://institut-seltene-erden.de/ausfuhrkontrollen-auf-gallium-und-germanium-china-will-verhandeln/ ). Nun hat China Exportbeschränkungen auch auf Graphit, dem größten Bestandteil von E-Autobatterien (Lithium-Ionen-Akkumulatoren), ausgeweitet.
Auch Scandium ist ein weiterer möglicher Kandidat für Ausfuhrbeschränkungen, glaubt Alastair Neill vom Critical Minerals Institute. Trotz seiner Häufigkeit in der Erdkruste, kommt Scandium in der Natur kaum in angereicherter Form vor. Daher gibt es keinen eigenen Scandiumabbau, sondern das Metall wird als Beiprodukt aus Kobalt-, Nickel-, Titanium-, Uran- oder Zirkoniumminen gewonnen.
Scandium-Herstellung in China eine Blackbox
Ähnlich wie Gallium und Germanium ist es ein Nischenmetall mit einem sehr kleinen Markt. Nur wenige Länder bauen das Metall ab: China, Russland, Kasachstan, und vor Ausbruch des Krieges 2022 auch die Ukraine, beliefern die Welt mit jährlich 15 bis 25 Tonnen. So zumindest die Schätzungen US-amerikanischen Geologiedienst US Geological Survey, denn genaue Angaben gibt es nicht. Zu klein ist der Markt, zu verstreut die Verwendung des Metalls heißt es in einem Bericht der US-Außenhandelsbehörde. Unbekannt sind etwa die tatsächlichen Produktionsmengen in China, die für den Eigenverbrauch und nicht für den Export bestimmt sind. Russland soll außerdem noch über Lagerbestände aus der Zeit des Kalten Kriegs verfügen. Fest steht, dass China der Platzhirsch am Scandium-Markt ist.
Aluminium-Scandium: Gewichtsreduktion für Luftfahrt
Scandium wäre für die Industrie sehr attraktiv und seit Jahren sagen Experten dem Metall einen Boom voraus, der aber nicht eingetreten ist. Als Legierungszusatz in Aluminium sorgt Scandium bereits in kleinen Mengen (ca. 0,2 Prozent) dafür, dass man Aluminiumteile verschweißen kann, statt sie zu vernieten. Das erlaubt eine Gewichtsreduktion von zehn bis 15 Prozent, was insbesondere für die Luft- und Raumfahrtindustrie relevant ist, wo jedes Kilogramm weniger an Gewicht Einsparungen von mehreren hundert Litern an Treibstoff und somit Kosten bedeutet. Doch der hohe Preis, der für Scandiumoxid aktuell bei ??? liegt, sowie das Versorgungsrisiko halten Unternehmen wie Airbus davon ab, auf Scandium zu setzen. Marktbeobachter sprechen daher von einem Henne-Ei-Problem bei Scandium: weil das Angebot zu klein und zu unsicher ist, bleibt die Nachfrage in der Industrie aus.
Seine besonderen Eigenschaften – Erhöhung der Festigkeit, Flexibilität, Hitzebeständigkeit und Korrosionsschutz – machten das Material während des Kalten Kriegs zu einem streng behüteten Geheimnis in der Sowjetunion. Dort erkannten Forscher bereits in den 1950er Jahren, dass Scandium die Qualitäten von Aluminium verbessert. Erstmals zum Einsatz kam Scandium als Legierungszusatz in MiG-29-Kampfjets. Bis in die 1990er war die Sowjetunion auch der weltweit größte Scandiumproduzent, wo es vor allem aus Uranminen gewonnen wurde.
Rusal ist Marktführer
Auch heute noch ist Russland in Sachen Scandium ein bedeutender Player und dies nicht nur was die Gewinnung angeht. Dem Aluminiumkonzern Rusal ist es als erstem Hersteller gelungen, Scandiumoxid wirtschaftlich aus Rotschlämmen zu gewinnen. Rusal ist auch Pionier bei der Entwicklung von Scandium-Aluminium-Technologien. Laut Maven Research ist der drittgrößte Aluminiumhersteller, dessen schillernder Begründer Oleg Deripaska auf westlichen Sanktionslisten gelistet ist, gar Marktführer für Scandium-Aluminium-Produkte. Auch der Konzern selbst kam 2018 auf die US-Sanktionsliste, wurde nach Umstrukturierungen der Eigentümerschaft Anfang 2019 aber wieder entfernt.
Der Konzern muss wegen Russlands Krieg gegen die Ukraine weiterhin mit Sanktionen rechnen, auch wenn sich Metallhändler und Banken auf der Londoner Metallbörse LME seit kurzem wieder kräftig mit russischem Aluminium eindecken. Viele westliche Unternehmen vermeiden aber auch ohne Sanktionen Geschäfte mit Rusal. Das Unternehmen wendet sich daher verstärkt asiatischen Märkten zu und hat dabei Chinas E-Autoindustrie im Visier, deren Hunger nach CO2-reduziertem Aluminium kräftig wächst.
Scandium in Elektrolyt
Der aktuell größte Einzelabnehmer von russischem Scandium kommt jedoch aus einer ganz anderen Ecke: der kalifornische Brennstoffzellenhersteller Bloom Energy setzt das Element dem Elektrolyt in seinen Festoxidbrennstoffzellen bei. Verwendet wird Scandium in geringen Mengen auch in der Sportartikelbranche, wo es in Fahrradrahmen, Lacrosse- und Baseballschläger stärkt. Auch in Kleinschusswaffen wird es verbaut. Das größte Potenzial für Scandium sehen Marktbeobachter jedoch in der Autoindustrie, die bislang eben wegen der hohen Kosten und des mangelnden Angebots die Finger von Aluminium-Scandium-Legierungen ließ.
Deutschland: Nachfrage aus der Wasserstoffindustrie
Auch für die Wasserstoffindustrie könnte das Metall wichtig werden. Grün, also mit erneuerbaren Energien, hergestellter Wasserstoff macht derzeit weniger als ein Prozent (40 Terawattstunden) der weltweiten Produktion aus. Die Nachfrage wird künftig extrem steigen. Laut einer Studie der Deutschen Rohstoffagentur (Dera) gehört die Zukunft der grünen Wasserstofferzeugung mittels Wasserelektrolyse, bei der das Gas aus Wasser hergestellt wird. Demnach seien heute drei Elektrolysetechnologien von Bedeutung, von denen die Alkalische Elektrolyse und zu weiten Teilen die Polymerelektrytmembran-Eletrolyse in einem technisch ausgereiften Zustand sind. Die Festkörperoxid-Elektrolyse befindet sich gerade im Übergang zwischen Forschung und industrieller Anwendung.
Allein bei letzterer kommt Scandium zum Einsatz: Der Festelektrolyt besteht entweder aus einem Yttriumdotierten oder einem Scandium-dotierten Zirkoniumdioxid. Die Vorteile des Scandium-dotierten Materials sind laut Dera die bessere Leitfähigkeit und die höhere Stabilität bei niedrigeren Betriebstemperaturen. Für Scandium sagt die Dera-Studie in einem nachhaltigem Zukunftsszenario bis zum Jahr 2040 einen Bedarfsanstieg auf 24 Tonnen, also das 2,7-fache der Produktion von 2018 (7 Tonnen), voraus.
Rio Tinto setzt auf Scandium
Seit einigen Jahren bemüht sich eine Reihe westlicher Firmen darum, Abbau und Herstellung von Scandium in die eigene Hand zu nehmen. Das könnte ein Zeichen für einen Durchbruch in einigen Jahren hinweisen. Riotinto, ein Schwergewicht unter den Bergbauunternehmen, gewinnt Scandiumoxid seit 2022 aus Abfällen, die bei der Titaniumoxid-Produktion im kanadischen Quebec anfallen. Die Produktionskapazität soll drei Tonnen pro Jahr betragen, was laut Rio Tinto in etwa 20 Prozent der globalen Produktionsmenge entsprechen soll. Letztere Angabe ist mit Vorsicht zu genießen, da die tatsächlichen globalen Produktionsmengen schließlich nicht genau bekannt sind.
Auch der japanische Bergbaukonzern Sumitomo Metal Mining, der zum ältesten und größten Unternehmenskonglomerat Japans gehört, hat auf den Philippinen die zusätzliche Herstellung von Scandiumoxid in seiner Nickelraffinerie, einer Hochdrucksäurelaugungsanlage (HPAL), in Auftrag gegeben.
Neue Nickel- und Kobaltraffinerieprojekten in Australien planen die Scandiumgewinnung bereits mit ein. Außerdem gibt es in Downunder mehrere Abbauprojekte. Nennenswert ist vor allem das Platin-Scandium Projekt von Platina Resources dessen Kauf Rio Tinto für 14 Millionen US-Dollar vereinbart hat. Weitere Projekte gibt es von den Junior-Mining-Unternehmen Scandium International Mining und Sunrise Energy Metals in New South Wales. Sunrise Energy Metalsüberlegt darüberhinaus den Bau einer Scandium-Raffinerie in den USA.
Die nahe Zukunft wird zeigen, ob die Henne-Ei-Problematik überwunden wird. Bis dahin steht Scandium dem Weltmarkt weiterhin nur aus China und Russland in homöopathischen Mengen zur Verfügung.
ISE AG – Arndt Uhlendorff – Oktober 2023
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