Die Resiliente Stadt – Konzepte, Konflikte, Lösungen
An die moderne Stadt von heute gibt es unzählige Anforderungen: Sie soll nachhaltig, global oder kreativ sein, zudem lebenswert, smart und grün oder gerne noch europäisch ausgerichtet. Neben diesen Eigenschaften ist seit einiger Zeit ein weiteres Kriterium populär geworden: Die Resilienz. "Eine Stadt ist dann resilient, wenn sie gegenüber Krisen, Katastrophen, Extremereignissen, Pandemien oder sonstigen Stressoren robust und widerstandsfähig ist", definiert der UFZ-Stadtsoziologe Prof. Dieter Rink, einer der drei Herausgeber des Buches. Eine resiliente Stadt brauche Strukturen, um mit Ereignissen wie der Corona-Pandemie, Überschwemmungen, Hitze oder Stürmen, aber auch sozialen und ökonomischen Krisen sowie starken Bevölkerungsschwankungen umzugehen, sich davon zu erholen und daraus zu lernen. Resilienz habe sich zum Stadtkonzept der Stunde entwickelt, weil durch die Pandemie und die Folgen der Klimakrise das Thema im Bewusstsein der Öffentlichkeit und der Politik angekommen sei. Als ein Beleg dafür gilt das im Jahr 2021 veröffentlichte "Memorandum Urbane Resilienz" des Bundesbauministeriums, das Handlungsempfehlungen und Schlussfolgerungen für eine resiliente Stadtentwicklung beschreibt. Am UFZ beschäftigen sich Stadtforscherinnen und -forscher im Rahmen urbaner Transformationen seit mehr als zehn Jahren mit dem Thema. "Das UFZ hat schon frühzeitig erkannt, dass es infolge von immer mehr und sich überlagernden Krisen und Katastrophen für die Städte ein spezifisches Konzept braucht", sagt die UFZ-Stadtsoziologin Prof. Sigrun Kabisch.
Das Fachbuch, das sich an die Wissenschaftscommunity, Stadtplaner:innen sowie Interessierte in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft richtet, will Ergebnisse aus der natur- und sozialwissenschaftlichen Forschung am UFZ zum Thema "Resiliente Stadt" in den deutschen Diskurs einbringen. "Die Besonderheit ist, dass wir mit empirischen Ergebnissen arbeiten, die vorrangig in der Stadt Leipzig als unser urbanes Laboratorium erarbeitet wurden", betont UFZ-Stadtforscherin Dr. Ellen Banzhaf. Dies mache das Thema urbane Resilienz fassbar. Zudem veranschaulicht das Buch das in seiner Breite besondere Spektrum der Forschung zu diesem Thema am UFZ. So suchen die Wissenschaftler:innen Antworten darauf, wie vor dem Hintergrund der Anforderungen der "Resilienten Stadt" Sanierungsprozesse in Bestandsquartieren ablaufen könnten, wie eine Wärmewende umgesetzt werden kann oder wie sich Großwohnsiedlungen bei schrumpfender Bevölkerung resilient entwickeln lassen. Sie beschäftigen sich mit der Frage, wie sogenannte blau-grüne Infrastrukturen als naturbasierte Lösungen eingesetzt werden können. Dazu zählen etwa verschiedene Gründachtypen zur Regenwassernutzung, die Fassadenbegrünung mehrgeschossiger Wohnhäuser für ein besseres Mikroklima oder das Pflanzen von hitzeresistenten Straßenbäumen.
Die Zunahme von Hitzewellen im Zuge der Klimakrise ist eine der Herausforderungen, mit denen Städte vor allem in sehr dicht besiedelten Vierteln umgehen müssen, denn sie beeinträchtigen die Gesundheit, die Lebensqualität und das Wohlbefinden der Menschen stark. So fanden UFZ-Forschende für zwei völlig verschiedene Leipziger Stadtquartiere durch die Kombination von Bewohnerbefragungen, der Simulation und Modellierung der Wärmebelastung und der Auswertung soziodemographischer Daten der Kommunalstatistik heraus, wo und für wen der Hitzestress besonders groß ist, was die Ursachen dafür sind und wie man sich dagegen schützen kann. Weil sich damit die Hitzebelastung eines Stadtviertels bewerten lässt, können so resiliente Quartiersplanungen zielgenauer entwickelt werden. In einem anderen Buchbeitrag beschreiben UFZ-Forschende, dass Konsequenzen beim Wiederaufbau in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz nach der Hochwasserkatastrophe 2021 kaum Konsequenzen gezogen wurden. Anhand der Region Bad-Neuenahr-Ahrweiler sowie der Städte Eschweiler und Stolberg bilanzieren sie, dass ein resilienter Wiederaufbau der zerstörten Gebäuden und Infrastruktur nur vereinzelt gelingt. Die Gründe dafür sind mannigfaltig: So wird beispielsweise ein Wiederaufbau durch Förderrichtlinien und raumplanerische Vorgaben derzeit nur ungenügend unterstützt. Zudem fehlen der politische Wille zur Veränderung sowie ein Ziel- und Koordinatensystem auf Bundesebene, an dem sich Förderrichtlinien und Wiederaufbauprogramme nach Naturkatastrophen transparent, verbindlich und schnell ausrichten können.
In die gängige Praxis der Stadtplanung findet Resilienz in Deutschland noch zu wenig Eingang. "Viele Städte setzen zwar schon einzelne Maßnahmen für den Hochwasserschutz, gegen Hitzebelastung oder für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung um. Es bräuchte aber eine umfassendere Strategie, die die Vielfalt von urbaner Resilienz berücksichtigt", sagt Dieter Rink. Aus Rückmeldungen von Kommunen weiß er, dass es dort Vorbehalte gibt und vielen das Thema Resilienz zu unkonkret ist. Hinzu kommt: Für viele ist Nachhaltigkeit deckungsgleich mit Resilienz. Das ist aber nicht so. "Nachhaltigkeit ist ein übergeordnetes Konzept der Daseinsvorsorge, das die Gesellschaft verändern wird." Deshalb bedarf es eines besseren Resilienz-Verständnisses. Dieter Rink: "Die Städte kommen um das Thema Resilienz nicht herum, sie müssen sich damit beschäftigen."
Publikation:
Sigrun Kabisch, Dieter Rink, Ellen Banzhaf (Hrsg.): "Die Resiliente Stadt. Konzepte, Konflikte, Lösungen", Springer Spektrum, ISBN 978-3-662-66915-0
Das Buch ist in gedruckter Form erhältlich und steht unentgeltlich als Open Access zum Download bereit: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/978-3-662-66916-7.pdf?pdf=button
Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt und erarbeiten Lösungsoptionen. In sechs Themenbereichen befassen sie sich mit Wasserressourcen, Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg circa 1.100 Mitarbeitende. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.
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Die Helmholtz-Gemeinschaft identifiziert und bearbeitet große und vor allem drängende Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Ihre Aufgabe ist es, langfristige Forschungsziele von Staat und Gesellschaft zu erreichen. Damit sollen die Lebensgrundlagen der Menschen erhalten und sogar verbessert werden. Helmholtz besteht aus 19 naturwissenschaftlich-technologischen und medizinisch-biologischen Forschungszentren.
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