Gesundheit & Medizin

Grundsätzlich wichtig für die Pflege – leider aber fern der Praxis

Absicht oder Unvermögen? Der kürzlich verschickte Referentenentwurf zur Bemessung des Personalbedarfs in den Krankenhäusern (Personalbedarfsbemessungsverordnung – PPBV) aus dem Bundesgesundheitsministerium „besticht“ durch absolute Praxisferne. Er ist in dieser Form nicht umsetzbar, führt zu einem weiteren Bürokratieschub und bindet Pflegepersonal, statt es zu entlasten. Die Stellungnahme der Experten aus dem VKD fällt daher auch geradezu vernichtend aus.

„Obwohl wir das Anliegen grundsätzlich unterstützen und einen für alle Seiten verbindlichen Maßstab für die Personalbemessung im Pflegedienst begrüßen, sind wir doch maximal überrascht über die Vorgehensweise“, schreiben sie. Dass der Referentenentwurf wieder einmal kaum Zeit für eine gründliche Bewertung lässt und die Verordnung dann frühestens kurz vor dem Jahresende in Kraft treten kann, ist nur der eine Kritikpunkt. Weder wird so für die notwendigen Stellungnahmen genügend Zeit gewährt, noch hat man für die dann definitiv notwendigen Änderungen wirklich Zeit eingeplant.

Anders als im Entwurf behauptet, wird die Verordnung sehr wohl einen hohen administrativen Aufwand in den Krankenhäusern auslösen, so die Einschätzung der Praktiker. Offenbar machen sich die Ministerialen keine Vorstellung davon, welchen Aufwand es erfordert, die klinischen Anwender in der richtigen Einstufung der Patienten zu unterweisen. Die technischen Voraussetzungen müssen ebenfalls erst einmal geschaffen werden. Hier sind die Krankenhäuser auf ihre jeweiligen Softwarehäuser angewiesen. Der gesamte zeitliche Ablauf der Umsetzung, technisch wie organisatorisch, ist aus Sicht der Praxis völlig unrealistisch.

Absehbar würden mit der Verordnung, wie sie jetzt als Entwurf vorliegt, zudem wieder Doppelstrukturen aufgebaut. Ab 2024 würde zu dem bereits vorhandenen Instrument der Personalbemessung der Pflegepersonaluntergrenzen (PPUGV) mit der PPBV ein weiteres, parallel zu beachtendes Instrument installiert, das parallele Nachweispflichten erfordert.

Unrealistisch sind auch die Bürokratiekostenschätzungen im Verordnungsentwurf. Es wird davon ausgegangen, dass den Krankenhäusern im Quartal ein Aufwand von 1,16 Stunden entstehen würde. Diese Schätzung zeigt deutlich den Mangel an praktischer Erfahrung in der Nachweisführung vergleichbarer Regelungen, von denen es inzwischen zahlreiche gibt.  Die Kostenschätzung insgesamt – dazu gehören auch die Kosten des InEK für Datenannahme und Bearbeitung – haben mit der Realität nichts zu tun, so die Einschätzung der VKD-Experten. Das verärgert Fachkundige auch auf Grund des Mangels an Aufrichtigkeit.

Dass im Referentenentwurf auf die durchgeführte Erprobungsstudie zur Verordnung verwiesen wird, erstaunt ebenfalls, denn deren Ergebnisse liegen dem VKD bisher nicht vor. Sie werden im Entwurf auch nicht ausgeführt. Befürworten die Ergebnisse eine Umsetzung der Verordnung oder nicht? Dass hier an entscheidender Stelle keine Transparenz geschaffen wird, verwundert auch angesichts der durch den Bundesminister doch gerade vorangetriebenen Transparenzoffensive, die ja auch für das Ministerium Ansporn sein sollte.

Immer wieder versucht der Gesetzgeber, Projekte kurzfristig und mit Zeitdruck umzusetzen, die besser durchdacht sein sollten. So auch in diesem Fall, obwohl hier keinerlei Zeitdruck herrscht. Der Pflegebereich unterliegt ja bereits heute durch die PPUGV grundsätzlich einer bereits ähnlichen Regelung. Es existiert also kein rechtsfreier Raum.

Der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands erwartet, dass seine Kritik, die auf den Erfahrungen und Einschätzungen der Praktiker beruht, noch aufgenommen wird. Sinnvoll und praxisnah wäre auf jeden Fall, die im Entwurf festgelegten Fristen deutlich zu verlängern und Doppelstrukturen zu vermeiden.

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