Interview mit den beiden Kongresspräsidenten: Neue Erkenntnisse zu den Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion – soziale Auswirkungen, neue Therapieansätze und Rehabilitation
Ein Jahr nach dem erfolgreichen 1. Long-COVID-Kongress in Jena hat sich eine Menge getan. Eine weltweite Vernetzung, Forschungsergebnisse zu Therapien, aber auch Prävention und Rehabilitation – in welchen Bereichen sind neue Erkenntnisse zu erwarten?
Prof. Stallmach: Sowohl bei Betroffenen als auch bei Behandlern besteht ein großer Wunsch nach effektiven Behandlungen, die gegen die verschiedenen Ursachen von Long COVID gerichtet sind. Hierzu erwarte ich zentrale Diskussionen; aber auch für unterstützende Behandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen werden wir Kriterien definieren, nach denen die individuelle Therapie ausgerichtet werden kann.
Prof. Walter: Im Vergleich zum Vorjahr kann diesmal mit zahlreichen frischen Ergebnissen aus ersten Studien in Deutschland, vor allem zur Verbreitung der jeweiligen Probleme, aber auch zur Versorgungssituation gerechnet werden. Spannend wird auch sein, unter den neuen Ergebnissen solche kritisch zu diskutieren, die sich scheinbar widersprechen. Nur so kann die nötige Sicherheit gewonnen werden.
Sie erleben in Ihrer klinischen Praxis, dass Betroffene auch mehrere Jahre nach Auftreten der ersten Post COVID-Symptome anhaltende Beschwerden zeigen, die ihr Leben bei der Arbeit und im Privaten stark beeinträchtigen können. Welche Lösungsmöglichkeiten werden beim Kongress vorgestellt und diskutiert?
Prof. Stallmach: Eine bessere Vernetzung zwischen den verschiedenen Leistungserbringern im Gesundheitssystem, den Hausärzt:innen, Spezialisten, an der Rehabilitation und beruflichen Wiedereingliederung Beteiligten, aber auch den Kostenträgern, verbessert die Versorgung und Betreuung von Patient:innen. Hier können telemedizinische Konzepte, wie sie auf dem Kongress vorgestellt werden, einen wichtigen Beitrag liefern.
Prof. Walter: Der Fokus auf die Beeinträchtigung der Teilhabe erscheint mir sehr angemessen. Hier müssen wir eben schon jetzt ansetzen, auch wenn kausale Therapien teilweise noch nicht verfügbar sind. Entsprechend sind es eben auch Lösungen, die ganz konkret in der Lebenswelt der Betroffenen ansetzen, bei der die medizinische Dimension eine sehr wichtige unter vielen weiteren Aspekten darstellt.
Welche Anstöße kann der Kongress geben, einen Austausch und eine Begegnung auf Augenhöhe aller Beteiligter und Betroffener zu leisten?
Prof. Stallmach: Der Kongress schafft eine Plattform für den persönlichen Austausch: Wünsche, Hoffnungen, aber auch Möglichkeiten können hoffentlich besser zur Deckung gebracht werden. Schon allein die Gespräche zwischen den verschiedenen Akteuren werden uns helfen. Zusätzlich sollen konkrete Ziele und Strategien für eine verbesserte Teilhabe im Sozial- und Arbeitsleben erarbeitet werden.
Prof. Walter: Long COVID sticht in mehrerer Hinsicht aus anderen Erkrankungen heraus: Es gibt nicht die eine Fachdisziplin und somit auch nicht „den“ einen Experten für alle Formen und Behandlungen der Erkrankung. Die nötige Interdisziplinarität erfordert aber nicht nur Austausch auf Augenhöhe zwischen den Ärzten, es wird vielmehr ein Zusammenwirken mit Kräften jenseits der Medizin nötig. Da viele Betroffene am aktuellen Wissenszuwachs genauso schnell teilhaben wie viele Ärzte, die dieses Syndrom bis vor kurzem noch gar nicht kannten, ergibt sich aber auch eine andere Diskussionskultur zwischen Betroffenen und Behandlern, der wir durch unser partizipatives Format entgegenkommen wollen.
Ein wichtiger Kongress-Schwerpunkt liegt auf den entzündungsassoziierten Folgeerkrankungen von COVID-19 und deren Rehabilitation.Was muss sich ändern, damit das Netz von Hausärzten – Zentren – Rehakliniken für die Patienten mit Long-COVID gut funktioniert?
Prof. Stallmach: Die Langzeitfolgen nach einer SARS-CoV-2-Infektion sind für uns alle sehr deutlich geworden. Fast jeder kennt einen Menschen, der an Long COVID erkrankt war oder ist. Wir wissen aber, dass diese Langzeitfolgen auch nach anderen Infektionen, zum Beispiel nach einer Sepsis auftreten können. Insgesamt muss ein anderes Verständnis für Betroffene entwickelt werden; dieses gelingt nur durch eine Sektor-übergreifende Zusammenarbeit.
Prof. Walter: Es müssen Gemeinsamkeiten und Unterschiede besser erkannt und beschrieben werden. Dahingehend hat sich das Kongressmotto etwas erweitert. Schließlich fangen wir bei Wissen um diese Syndrome nicht bei Null an. Dennoch gibt es wichtige Unterschiede in den Syndromen und die müssen eben auch schnell zu den Hausärzten. Dazu trägt unser Weiterbildungssymposium für Hausärzte bei, dieses Jahr ein weiteres neues Highlight des Kongresses.
Die interdisziplinäre Podiumsdiskussion zum Thema "Teilhabe mit Long COVID" ist hochkarätig besetzt. Um welche aktuellen Fragen wird es gehen?
Prof. Stallmach: Die Wiedereingliederung von Patient:innen mit Long COVID in das Sozial- und Arbeitsleben muss individualisiert erfolgen, starre Modelle und Konzepte funktionieren häufig nicht. Die Frage, wie wir flexible Arbeitszeitmodellen auch in kleineren Einheiten umsetzen, wie wir kurzfristige Ausfälle aufgrund einer Crash-Symptomatik bei Betroffenen kompensieren, ist eine Herausforderung; hier erhoffe ich mir Lösungsstrategien.
Prof. Walter: Es werden sicher auch wieder sehr kritische Fragen zu gesundheits- und arbeitspolitischen Lösungen erörtert, die auf allen Ebenen der Gesellschaft derzeit verhandelt werden müssen. Auch dazu, warum vielleicht noch nicht mehr gemacht wurde. Schließlich konkurriert Long COVID mit aktuell vielen anderen drängenden Fragen und anstatt auf „die Politik“ zu verweisen, laden wir Vertreter aus allen gesellschaftlichen Bereichen ein, dies vor Ort gemeinsam zu betrachten. Wir versuchen wichtige Akteure in einen Austausch direkt mit Betroffenen zu bringen.
Der Kongress wird auch von internationalen Fachleuten mitgetragen – die Vernetzung über die Landesgrenzen hinaus eröffnet neue Erfahrungshorizonte. Inwieweit können die Ärzte und Patienten davon profitieren?
Prof. Stallmach: Post COVID ist ein globales Problem, eine erfolgreiche Forschung findet nicht nur in Deutschland statt. Natürlich können wir aus den Erkenntnissen und Behandlungskonzepten internationaler Arbeitsgruppen für unserer Patient:innen in Deutschland wertvolle Hinweise ableiten.
Prof. Walter: Aktuell finden wichtige internationale Vernetzungsaktivitäten statt. Hierzu hilft es, sich zum einen innerhalb Deutschlands möglichst gut zu vernetzen, dann aber auch direkt in den Austausch mit möglichen Partnern aus anderen Ländern treten zu können. Schließlich werden zum Beispiel auf europäischer Ebene demnächst wichtige Impulse zu erwarten sein.
Worauf freuen Sie sich besonders beim 2. Long-COVID-Kongress?
Prof. Stallmach: Ich freue mich, viele nationale und internationale Kolleg:innen, auch aus anderen Fachdisziplinen, wieder in Jena zu treffen und natürlich wird die Podiumsdiskussion wieder ein Höhepunkt werden.
Prof. Walter: Ich finde es besonders toll, dass wir dieses Jahr wieder ein Betroffenensymposium zusammen mit LongCovidDeutschland ausrichten können. Außerdem ist erstmals ein weiteres Format geplant, in dem ausschließlich konkrete Fragen von Betroffenen vor Ort beziehungsweise Hybrid beantwortet werden sollen.
Wir bedanken uns sehr herzlich für das Gespräch!
Alle Informationen und das wissenschaftliche Programm mit aktuellen Vorträgen und Sitzungen sind auf der Kongress-Homepage www.long-covid-kongress.de abrufbar.
Pressevertreter sind herzlich zum Long-COVID-Kongress eingeladen, um sich über die aktuellen Tagungsthemen zu informieren, mit Experten ins Gespräch zu kommen und zu berichten. Gern unterstützen wir Sie mit der Vermittlung von Interviewpartnern!
Conventus Congressmanagement & Marketing GmbH
Carl-Pulfrich-Straße 1
07745 Jena
Telefon: +49 (3641) 311-60
Telefax: +49 (3641) 311-6241
http://www.conventus.de
PR Leiterin
Telefon: +49 (172) 3516916
E-Mail: kerstin.aldenhoff@conventus.de
Mitarbeiterin Presse
Telefon: +49 (3641) 3116-281
Fax: +49 (3641) 3116-243
E-Mail: katrin.franz@conventus.de