Kunst & Kultur

Juri Temirkanow tot – Dresdner Philharmonie gedenkt ihres ehemaligen Ersten Gastdirigenten

Juri Temirkanow gehört zu den bedeutendsten Dirigenten der Dresdner Philharmonie. Von 1993 bis 2003 war er Erster Gastdirigent des Orchesters und damit der erste internationale Dirigent von Rang, der dieses Amt beim Orchester innehatte.

Die regelmäßige Zusammenarbeit begann in der Saison 1992/1993, als ihn der damalige Intendant Olivier von Winterstein zum Orchester holte. 

Orchestervorstand Daniel Thiele:

„In die Annalen des Orchesters ist das erste Oberbürgermeisterkonzert eingegangen. Dazu hatte zu Beginn des Jahres 1993 der damalige OB Herbert Wagner eingeladen, Juri Temirkanow dirigierte es in Dresden und dann noch einmal mit der Dresdner Philharmonie in St. Petersburg, das war denkwürdig.

In Erinnerung bleibt aber vor allem sein unverwechselbarer Stil: Er probte und dirigierte vor allem mimisch und gestisch, erklärte fast nichts, zeigte das Meiste mit den Augen und den Händen. Er hatte das, was man eine Aura nennt, die die Musik sozusagen atmosphärisch entstehen lässt. Für uns war das damals einmalig und künstlerisch sehr fruchtbar. Er hatte Schostakowitsch und Prokofjew noch persönlich gekannt – dadurch hatte er einen ganz einmaligen, authentischen Zugang zu ihrer Musik, auch davon haben wir sehr profitiert. “

Juri Temirkanov wurde 1938 im Kaukasus geboren und zunächst auf der Violine und der Bratsche ausgebildet. Er kam dank eines Stipendiums an das Leningrader (heute: St. Petersburger) Konservatorium, wo er neben seinem Violinstudium die Dirigentenklasse des legendären Ilja Musin absolvierte. Sofort nach dem Abschluss 1965 folgte sein Dirigierdebüt am Malij-Theater in Leningrad mit Verdis »La Traviata«. Im Jahr darauf gewann er in Moskau den bedeutenden Gesamtsowjetischen Nationalen Dirigierwettbewerb, was ihm Gastdirigate in allen Teilen der UdSSR bescherte. 1968 bis 1976 war er Chefdirigent der Leningrader Symphoniker, anschließend bis 1988 Künstlerischer Leiter des Leningrader Mariinski-Theaters, parallel dazu Professor am Konservatorium. In dieser Zeit begann auch seine dauerhafte Kooperation mit international bedeutenden Orchestern im Ausland. 1978 arbeitete er etwa erstmals mit dem Londoner Royal Philharmonic Orchestra zusammen, dessen Chefdirigent er dann 1992 bis 1998 wurde. Ab 2000 war er für sechs Konzertssaisons Musikdirektor des US-amerikanischen Baltimore Symphony Orchestra und ab 2009 auf demselben Posten beim italienischen Teatro Regio di Parma – um nur einige Stationen seiner internationalen Laufbahn zu nennen, die Temirkanov an die Dirigierpulte so gut wie aller bedeutenden europäischen Orchester führte.

Dennoch ist sein Name vor allem mit den Sankt Petersburger Philharmonikern verbunden. Sie waren das Herz seiner Arbeit. Er übernahm das Orchester – das damals noch Leningrad im Namen trug – im Jahre 1988 als Nachfolger des legendären Jewgeni Mrawinski, der den Klangkörper 50 Jahre lang geführt hatte. Temirkanov konnte sich damals gegen eine große Konkurrenz durchsetzen, denn es handelte sich um die begehrteste musikalische Chefposition in der Sowjetunion.

Wie gestern bekannt wurde, ist Juri Temirkanow mit 84 Jahren in St. Petersburg verstorben. Die Dresdner Philharmonie wird die Erinnerung an die Zusammenarbeit mit ihm in ehrendem Gedenken behalten.

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