Oxfam reicht Beschwerde gegen Edeka und Rewe nach dem Lieferkettengesetz ein
Seit Anfang dieses Jahres ist das deutsche Lieferkettengesetz in Kraft. Damit steht zivilgesellschaftlichen Organisationen erstmals ein gesetzliches Druckmittel zu Verfügung, wenn sie Menschenrechtsverletzungen deutscher Unternehmen aufdecken. Oxfam nutzt diese Möglichkeit nach genauer Abwägung nun zum ersten Mal und hat am 02. November gegen Rewe und Edeka Beschwerde beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eingereicht. Über insgesamt vier Fälle von Menschenrechtsverletzungen auf Bananen- und Ananasplantagen bei ihren Zulieferern in Ecuador und Costa Rica hatte Oxfam Aldi, Lidl, Edeka und Rewe im Sommer informiert. Arbeiter*innen berichten von Hungerlöhnen zum Teil weit unter dem Mindestlohn. Sie müssen auf den Plantagen bleiben, während die Pestizidflugzeuge ihr Gift sprühen, oder werden danach viel zu schnell wieder zur Arbeit zurückgeschickt. Gewerkschaftsmitglieder werden brutal drangsaliert oder unter fadenscheinigen Vorwänden entlassen. Didier Leiton, Gewerkschaftsführer der costa-ricanischen Gewerkschaft SITRAP: „Gewerkschaften werden systematisch unterdrückt. Das ureigenste Gewerkschaftsrecht, das Recht auf Tarifverhandlungen, können wir nicht wahrnehmen.“
Aldi und Lidl verhandlungsbereit, Rewe und Edeka bleiben stur
Nach den Vorwürfen zeigten sich Aldi und Lidl verhandlungsbereit und nahmen direkten Kontakt zur Gewerkschaft in Costa Rica auf. Rewe und Edeka dagegen verweisen weiter auf Zertifizierungen und Siegel, ohne betroffene Arbeiter*innen angemessen einzubeziehen. Doch Oxfams Recherchen zeigen: Viele vermeintlich unabhängige Kontrollen für Siegel werden manipuliert, indem Plantagenbesitzer vorher auswählen, welche Arbeiter*innen befragt werden und was sie sagen – nur Gutes natürlich. Deswegen haben Oxfam und ASTAC gegen Rewe und Edeka Beschwerde bei der zuständigen Kontrollbehörde BAFA eingelegt. Pro Fall wurden 20 Seiten einschließlich
Falldokumentationen und Belegen eingereicht. Die Beschwerdeführer*innen sind betroffene Arbeiter*innen in Ecuador, vertreten durch Oxfam und Astac. Aus Angst vor Repressalien wollen sie anonym bleiben.
Franziska Humbert, Rechtsanwältin und Leiterin des Bereichs Gerechtes Wirtschaften bei Oxfam: „Seit Jahren fordern wir, dass Leid und Ausbeutung keine Zutaten in unserem Essen sein dürfen. Das BAFA muss unseren Hinweisen nun nachgehen und den Supermärkten konkrete Anweisungen geben, was sie dagegen unternehmen sollen. Wenn sie diese nicht erfüllen, können im Einzelfall Bußgelder verhängt werden. Für uns ist die Beschwerde damit auch der Praxistest: Was taugt das deutsche Lieferkettengesetz?“
Jorge Acosta, Generalkoordinator von ASTAC: „Die Beschwerden zeigen die Ineffizienz der Zertifikate, die jahrelang die Menschenrechtsverletzungen auf den Plantagen nicht aufgedeckt haben. Das Lieferkettengesetz sollte daher die Rolle der Gewerkschaften ins Zentrum stellen. Sie sind die einzigen, die die Einhaltung der Arbeitsrechte garantieren können.“
Annabell Brüggemann, Legal Advisor, ECCHR: „Von entscheidender Bedeutung ist, dass Unternehmen die Durchführung ihrer Sorgfaltspflichten nicht allein an private Zertifizierer auslagern können. Die limitierte Aussagekraft gängiger Audits und Zertifikate ist gut dokumentiert und von NGO’s wie dem ECCHR vielfach kritisiert worden. Die Supermärkte müssen sich stattdessen ernsthaft bemühen, auf Augenhöhe mit Betroffenen und Gewerkschaften effektive Abhilfe- und Präventionsmaßnahmen zu entwickeln und insbesondere auch ihre eigene Einkaufspolitik in den Blick nehmen.“
Während das deutsche Lieferkettengesetz bereits in Kraft ist, stehen die Verhandlungen über ein EU-Lieferkettengesetz kurz vor dem Abschluss. Armin Paasch, Misereor-Experte für Wirtschaft und Menschenrechte: „Das deutsche Lieferkettengesetz verpflichtet deutsche Unternehmen zwar, ihren Einfluss zur Beendigung von Menschenrechtsverletzungen zu nutzen. Es verpflichtet sie aber nicht ausdrücklich zur Wiedergutmachung von Schäden. Es verbessert auch die Erfolgsaussichten von Betroffenen in Schadenersatzklagen nicht wesentlich. Diese und andere Lücken muss das künftige EU-Lieferkettengesetz schließen, das bis Ende des Jahres beschlossen werden soll.“
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