Finanzen / Bilanzen

Welche Häfen sind noch sicher?

Angesichts vieler Krisen in der Welt sind Anleger oft geneigt, sichere Häfen anzulaufen. Gold, der US-Dollar oder auch lang laufende Staatsanleihen höchster Bonität sind dann gefragt. „Doch diesmal ist es nicht so einfach, die Zeit der sicheren Häfen ist vorbei“, sagt Carsten Gerlinger, Managing Director und Head of Asset Management bei Moventum AM. „Anders als noch vor einigen Jahren läuft die Herde nicht mehr komplett in eine Richtung.“ Daraus ergeben sich Chancen und Risiken.

Es war der Klassiker: Irgendwo in der Welt brach eine kriegerische Auseinandersetzung aus – und die Anleger flüchteten in sichere Häfen. Gold stieg, der US-Dollar gleich mit und auch lang laufende US-Staatspapiere waren gesucht. Dieses klassische Verhaltensmuster aber ist mittlerweile verschwunden oder nur noch in Ansätzen zu sehen. Je nachdem, was als Krise gesehen wird, laufen auch die Reaktionen auseinander. Zu sehen ist das beispielsweise bei den Kryptowährungen: Lange galten sie als der Indikator für den Risikoappetit der Märkte, sollten also derzeit wenig gefragt sein – stattdessen steigen sie stark. „Das ist allerdings sehr kurz gedacht“, sagt Gerlinger, denn „Kryptowährungen sind eine ‚Möchtegern-Währung‘ ohne jeglichen inneren Wert.“

So funktionierten bei der Banken- und auch in der Euro-Krise AAA-Staatsanleihen sehr gut als sicherer Hafen. Sie waren gesucht mit den entsprechenden Kurssteigerungen. Bei Ausbruch des Ukraine-Krieges waren sie ebenfalls noch als Ausweg gefragt, beim Gaza-Krieg zeigen sie sich allerdings eher schwach, funktionieren also nicht. Dafür kam dem Gold in beiden Konflikten die Rolle als sicherer Hafen zu. Während der extremen Niedrigzinsphase wurden zudem Immobilien als krisenverträgliches Investment genutzt, was zu einer enormen Aufblähung der Preise führte.

„Hier spielt die Psychologie der Märkte und Marktteilnehmer eine immer größere Rolle“, sagt Gerlinger. „Wenn etwa die Angst vor einer ölpreisbedingten Inflation wie im Gaza-Konflikt eine größere Rolle spielt, führt das zu Verzerrungen.“ Dazu kommt, dass die Weltfinanzmärkte immer vielfältiger geworden sind. „Die bislang definierten sicheren Häfen sind vor allem eine Erfahrung der westlich-angelsächsisch geprägten Finanzmärkte“, sagt Gerlinger.

Mit neuen, wichtigen Spielern kommt auch eine neue Sicht der Dinge an die Märkte. „Chinesische Investoren, lateinamerikanische Anleger, Staatsfonds aus den Emiraten – sie alle spielen eine immer größere Rolle“, so Gerlinger. „Sie definieren sowohl Risiko als auch Sicherheit neu.“ Denn warum sollte sich ein Investor von außerhalb des Dollar-Raumes ein Währungsrisiko ins Portfolio holen, wenn er doch Sicherheit sucht? Statt US-Anlagen wird also vermehrt in anderen Regionen nach sicheren Häfen gesucht. Und dort auch gefunden. „Selbst wenn die USA oder der globale Westen die Finanzmärkte noch immer mit weitem Abstand dominieren“, sagt Gerlinger, „sind die Abstände geringer geworden und die Ausweichmöglichkeiten größer.“

„Trotzdem liegt natürlich eine gewisse Macht in großen Zahlen. Deshalb werden der US-Markt allein wegen seiner Marktkapitalisierung und seiner Auswahl und abgeschwächt auch die Märkte der anderen Industrienationen noch immer erste Wahl in Krisenzeiten bleiben“, sagt Gerlinger. „Die einzige Anlage, die hier noch mithalten kann, ist auch eine der ältesten und mit Sicherheit die globalste: Gold.“

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