Antibiotikaproduktion in Deutschland: Warnung vor Gesundheitsrisiken
Antibiotika spielen eine entscheidende Rolle bei der Verhinderung schwerwiegender Krankheitsverläufe und können sogar Leben retten. Dennoch warnt Pro Generika davor, dass die anhaltende Knappheit dieser lebenswichtigen Medikamente erneut zu Engpässen führen könnte, insbesondere wenn die Nachfrage aufgrund von Atemwegsinfektionen, wie im vergangenen Winter, plötzlich steigt. Der Verband führt dies auf jahrzehntelangen Kostendruck zurück, der zu einer Schwächung europäischer Hersteller und einer starken Abhängigkeit von asiatischen Produktionsstätten geführt hat.
Die Auswertung der Produktionsstandorte der 15 wichtigsten Antibiotika-Wirkstoffe verdeutlicht, dass mehr als ein Drittel der Hersteller in China ansässig sind, gefolgt von knapp einem Drittel in Indien. Europa hinkt mit nur 25 Prozent der Herstellungsstätten hinterher. In Deutschland ist die Situation besonders bedenklich, da nur ein einziger Hersteller die bedeutenden Antibiotika-Wirkstoffe produziert. Spanien und Italien führen die Liste der Produktionsstätten in Europa an.
Besonders alarmierend ist die Tatsache, dass bestimmte Antibiotika-Wirkstoffe kaum noch in Europa hergestellt werden. Clarithromycin, ein Antibiotikum, das in Fällen von Resistenz oder Unverträglichkeit gegenüber anderen Antibiotika eingesetzt wird, wird laut Pro Generika nur noch von einem europäischen Hersteller produziert. Andere wichtige Wirkstoffe wie Doxycyclin oder Cefaclor werden ebenfalls nur noch von wenigen Unternehmen in Europa hergestellt.
Die Kritik richtet sich nicht nur gegen die Industrie, sondern auch gegen die Politik, die das Problem zwar erkannt hat, aber bisher keine nachhaltigen Lösungen bietet. Das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) wird als unzureichend betrachtet, da es die strukturellen Probleme nicht adressiert. Pro Generika fordert daher von der Politik eine gezielte Standortförderung, um die Antibiotikaproduktion in Europa zu stärken. Es wird betont, dass langfristige Lösungen erforderlich sind, um sicherzustellen, dass die Produktion von Antibiotika in Europa wieder wirtschaftlich attraktiv wird und dass die Politik Maßnahmen ergreift, um die Abhängigkeit von China zu verringern.
Die Seniorprofessorin Ulrike Holzgrabe vom Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie an der Universität Würzburg warnt vor den möglichen katastrophalen Folgen eines Lieferstopps aufgrund politischer Konflikte für das deutsche Gesundheitssystem.
Kommentar:
Antibiotikamangel in Deutschland: Mangel an Weitsicht und Handlungsbereitschaft
Die kürzlich aufgedeckten Engpässe in der Antibiotikaproduktion in Deutschland werfen ein beunruhigendes Licht auf die Unzulänglichkeiten in der Gesundheitspolitik und der Pharmaindustrie. Der Umstand, dass nur ein einziger Hersteller in Deutschland maßgeblich für die Produktion von Antibiotika-Wirkstoffen verantwortlich ist, ist nicht nur inakzeptabel, sondern auch fahrlässig angesichts der lebenswichtigen Rolle dieser Medikamente.
Es ist schwer nachvollziehbar, wie es in einer hochentwickelten Nation wie Deutschland dazu kommen konnte, dass die Produktion von lebensrettenden Antibiotika in einem solchen Maße vernachlässigt wurde. Die Überabhängigkeit von asiatischen Ländern für den Großteil der Antibiotika-Wirkstoffe ist ein Ausdruck von fehlender strategischer Weitsicht und einer kurzsichtigen Kosten-Nutzen-Analyse.
Die politischen Maßnahmen, insbesondere das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG), sind nichts weiter als symbolische Gesten, die das eigentliche strukturelle Problem nicht ansprechen. Es ist nicht ausreichend, lediglich festzulegen, dass die Hälfte des Wirkstoffs in einem Rabattvertrag von einem europäischen Hersteller stammen muss. Solche Maßnahmen sind reine Kosmetik, wenn die grundlegende Wirtschaftlichkeit der Produktion nicht gewährleistet ist.
Pro Generika fordert zurecht eine gezielte Standortförderung und langfristige Lösungen, aber die Politik scheint sich mehr für Symbolpolitik als für effektive Maßnahmen zu interessieren. Die Warnungen von Experten, wie Seniorprofessorin Ulrike Holzgrabe, vor den möglichen verheerenden Auswirkungen eines Lieferstopps aufgrund politischer Konflikte sind mehr als berechtigt. Es ist beängstigend zu sehen, wie die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung von der politischen Untätigkeit und der Gewinnmaximierung der Pharmaindustrie abhängt.
Es ist höchste Zeit für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem Problem auf politischer Ebene. Die Gesundheit der Bevölkerung sollte nicht von kurzfristigen wirtschaftlichen Überlegungen geopfert werden. Es bedarf einer umfassenden Überprüfung der pharmazeutischen Industrie, unterstützt durch klare politische Richtlinien, um sicherzustellen, dass die Produktion von lebenswichtigen Medikamenten nicht nur rentabel, sondern auch stabil und nachhaltig ist. Andernfalls riskieren wir nicht nur den Verlust von medizinischer Souveränität, sondern auch das Wohl und die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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