Der globale Run auf die LIB-Massenproduktion: Wie sich die Industrie für günstige, leistungsfähige und nachhaltige Batterien positioniert
Der Markt für Lithium-Ionen-Batterien wächst weiter: Im Jahr 2023 könnte der globale Absatz erstmals die Marke von 1 TWh überschreiten. Bis 2030 dürfte sich die Nachfrage auf über 3 TWh mehr als verdreifachen, was zahlreiche Auswirkungen auf die Branche, aber auch auf die Technologieentwicklung und die Anforderungen an Batterien hat. So schreiben beispielsweise die jüngsten gesetzlichen Bestimmungen bei Batterien ein Mehr an Nachhaltigkeit vor. Der massenhafte Einsatz von LIBs in Elektrofahrzeugen hat die Frage des Batteriepreises in den Vordergrund und eher technische Faktoren wie Energiedichte und Reichweite in den Hintergrund gedrängt.
Eine neue Roadmap des Fraunhofer ISI befasst sich in diesem Kontext mit den »Industrialisierungsperspektiven bis 2030« und stützt sich bei ihren Analysen insbesondere auf Industrie-Roadmaps und andere Ankündigungen zur Produktion oder Nutzung bestimmter Technologien. Die Roadmap wurde im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierten Projekts »BEMA II« erstellt.
Erster Trend: Leistungsoptimierte Batterien
Die Studienergebnisse für den ersten Trend hin zu leistungsoptimierten Batterien zeigen, dass es in den nächsten Jahren ehrgeizige Entwicklungsziele gibt, um insbesondere bei den Parametern Energiedichte und Schnellladefähigkeit deutliche Verbesserungen zu erzielen. Für einige Flaggschiff-Fahrzeuge sollen die Laderaten auf 4C und damit in den Bereich von 10 bis 20 Minuten Ladezeit beschleunigt werden. Um diese Ziele zu erreichen, setzt die Industrie auf Hochnickelkathoden, Siliziumanoden und neue Zell- und Packdesigns, die den Platzbedarf, die thermische Kopplung und die Sicherheitseigenschaften verändern. Auf Systemebene bietet beispielsweise die 800-V-Technologie einen neuen Weg zur Verbesserung der Batterieleistung.
Zweiter Trend: Batteriekosten senken
Ein zweiter bedeutender und vielleicht noch wichtigerer Trend besteht in der Senkung der Batteriekosten. Die Roadmap unterstreicht, dass das Kostenziel auf der Ebene der Batteriepacks immer noch deutlich unter 100 EUR/kWh liegt, was eine Senkung um 30 bis 50 Prozent im Vergleich zu den heutigen Kosten bedeuten könnte. Die Industrie will dieses Ziel durch die Nutzung sowohl cobalt- als auch nickelfreier Materialien, die Standardisierung von Zellen und die Direktintegration ins Batteriepack erreichen. Auch neue Produktionsprozesse könnten dazu beitragen, sowohl durch den Hebel der Energie- und Anlagenkosten als auch über eine Standardisierung der Fabriken selbst. Auch zeigt sich bei den Kosten, dass Technologien eben doch nicht unbedingt standortneutral sind. Niedrige Batteriekosten könnten auch durch die Verlagerung von Fabriken an günstigere Produktionsstandorte erreicht werden.
Dritter Trend: Nachhaltige Batterien herstellen
Der dritte Trend, die Herstellung nachhaltiger Batterien, gewinnt durch die EU-Batterierichtlinie, aber auch durch eine wachsende Zahl von Automobilherstellern an Dynamik. Nachhaltigkeit kann viele Faktoren betreffen, von der Rohstoffgewinnung bis hin zur Produktion und Nutzungsszenarien. In den kommenden Jahren dürfte sich die industrielle Entwicklung eher auf Zelltechnologien und Produktionstechnologien fokussieren, von denen einige sogar Nachhaltigkeit, etwa einen geringen CO2-Fußabdruck, mit niedrigen Kosten kombinieren. Dazu zählen eisen- und manganbasierte Kathoden, eine wasserbasierte oder trockene Elektrodenprozessierung und die Rückgewinnung von Materialien am Batterielebensende durch Recycling. Auch der Produktionsstandort spielt eine wichtige Rolle für die Nachhaltigkeit, da er von Faktoren wie dem verfügbaren Energiemix und der Entfernung zu vor- und nachgelagerten Produktionsstätten beeinflusst wird.
Batterien mit klaren Profilen und Anwendungsfällen
Die drei in der Studie diskutierten Schlüsseltrends stehen teilweise im Widerspruch: Hohe Performance ist manchmal teuer und die hohe Priorität eines geringen ökologischen Fußabdrucks kann zum Beispiel die Nutzung einiger Technologien einschränken. Folglich sollte die Industrie hier diversifizieren und Batterien mit klaren Profilen und Anwendungsfällen herstellen. Zellhersteller, Automobil-OEMs, Start-ups und ihre Joint Ventures wollen bis 2028 eine jährliche Zellproduktionskapazität von mehr als 10 TWh aufbauen. Berücksichtigt man die Wahrscheinlichkeit für die tatsächliche Umsetzung und typische Verzögerungen, scheinen bis zu 5 TWh realistisch zu sein. Was die Produktion von Anoden- und Kathoden-Aktivmaterialien betrifft, so wurden für 2028 etwa 3 TWh angekündigt, was näher am prognostizierten Batteriebedarf der Anwendungsmärkte von 2 bis 3,5 TWh liegt. Wie sich die Batterierecyclingkapazität entwickeln wird, ist noch unklar. Alle Ankündigungen der letzten Jahre zeigen ein asymmetrisches Bild entlang der LIB-Wertschöpfungskette, in der der Schwerpunkt lange auf der Zellproduktion lag. Im Bereich der Materialien und Komponenten hat die Industrie noch Nachholbedarf.
Europa auf dem Weg zur Selbstversorgung?
Dr. Christoph Neef, wissenschaftlicher Koordinator der Studie, sieht Europa auf einem guten Weg, ein wichtiger Akteur in der globalen Batteriezellenproduktion zu werden: »In Europa gibt es Pläne zum Aufbau von Zellproduktionskapazitäten in Höhe von 1,7 TWh aufgrund einer steigenden Elektrofahrzeug-Produktion. Berücksichtigt man die Realisierungswahrscheinlichkeit und mögliche Verzögerungen, scheint bis 2030 rund 1 TWh realistisch zu sein. Die Zahlen für Europa bestätigen den globalen Trend einer starken Konzentration auf Projekte und Investitionen in die Zellproduktion. Das Ziel, 30 Prozent der weltweiten Zellproduktion auf europäischem Boden anzusiedeln, könnte erreicht werden.«
Christoph Neef fügt aber hinzu, dass Europa bei der Produktion von Anodenmaterialien schwach bleiben dürfte und weiter auf Importe angewiesen ist. Auch andere Lücken bestehen fort, etwa bei passiven Zellkomponenten oder der Schlüsseltechnologie Lithiumeisenphosphat, die für kostengünstige Batterien extrem wichtig ist. Bisher ist der Ausbau der Produktionskapazitäten und die Frage, welche Hersteller diese Technologie in der Zellproduktion abdecken könnten, noch ungeklärt. Ebenso hat sich noch kein Materialhersteller verpflichtet, nennenswerte Kapazitäten für Siliziummaterialien aufzubauen, die als LIB-Technologie der nächsten Generation gelten. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, spielen Investitionen sowie gute Investitionsbedingungen, aber auch niedrige Energiekosten und qualifizierte Arbeitskräfte eine wichtige Rolle. Die Straffung bürokratischer Prozesse und die Verringerung zeitaufwändiger Verfahren sowie staatliche Subventionen und Finanzierungsmechanismen könnten dazu beitragen, mehr industrielle Akteure anzulocken und so für gleiche Wettbewerbsbedingungen mit außereuropäischen Länder sorgen.
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