„Jetzt gilt es die Ernte einzufahren und von den gestiegenen Zinsen zu profitieren“- Interview mit Markus Stillger, MB Fund Advisory GmbH
Anleihen Finder: Hallo Herr Stillger, ein intensives Börsen-Jahr 2023 liegt hinter uns. Wir würden Sie dieses Jahr an den Kapitalmärkten beschreiben und welches Fazit ziehen Sie diesbezüglich?
Markus Stillger: Nach einer fulminanten Rallye in den letzten 6 Wochen hat der DAX Anfang Dezember ein neues All-Time-High erreicht. Wenn man der alten Börsenweisheit Glauben schenken darf, dass die Börse antizipiert, dürften gute Nachrichten aus der Wirtschaft im Jahr 2024 folgen.
Am Rentenmarkt setzte sich zunächst der in 2022 begonnene Zinsanstieg fort, aber auch hier hat sich in den vergangenen Wochen eine Trendumkehr abgezeichnet und ich sehe im kommenden Jahr eher fallende als steigende Zinsen, nicht zuletzt durch weiter rückläufige Inflationszahlen. Aufgrund von Basiseffekten wird die Inflation zum Jahresende noch einmal leicht anziehen. Ab März 2024 können wir aber mit einem verstärkten Rückgang rechnen. Auf alle Fälle werde ich mir an Silvester eine gute Zigarre auf das Anleihen Finder-Börsenspiel 2023 anzünden.
„Ab März 2024 können wir mit einem verstärkten Rückgang der Inflation rechnen“
Anleihen Finder: Sind alte Börsenweisheiten durch die letzten (Krisen-)Jahre nicht obsolet geworden? Müssen sich Anleger auf ungewissere Zeiten am Kapitalmarkt einstellen?
Markus Stillger: Die Antworten sind einfach. Auf Frage 1: Nein – auf Frage 2: JA!
Ich bin jetzt 61 Jahre alt und beschäftige mich seit meinem 20. Lebensjahr mit den Kapitalmärkten. Und wenn mich jemand fragt: „Warum soll ich denn ausgerechnet Dir mein Geld anvertrauen?“ kann ich mittlerweile ehrlich antworten, „weil ich Erfahrung habe“. Und Erfahrung kann man sich nicht kaufen, die muss man sich erarbeiten, „Börsenweisheiten“ spiegeln oft Erfahrungen von Leuten wider, die sich teilweise noch länger mit den Kapitalmärkten beschäftigt haben – und alle Börsenweisheiten sind zeitlos – insbesondere eine der wichtigsten, die da lautet: „Kaufen, wenn die Kanonen donnern“ – alle, die bei Beginn des Ukraine-Krieges gekauft haben, sitzen heute auf schönen Buchgewinnen. Und damit wären wir bei Frage 2: Kein Mensch weiß, ob diese Buchgewinne sich im kommenden Jahr ausweiten oder in Luft auflösen. Wie sagte schon Sir Winston Churchill: „Prognosen sind immer schwierig, vor allem wenn Sie sich auf die Zukunft beziehen.“
Anleihen Finder: Wie zufrieden sind Sie denn mit der Performance der von Ihnen betreuten Fonds, allen voran des Anleihen-Fonds „MB Fund Flex-Plus“?
„Gehen im kommenden Jahr von leicht fallenden Zinsen aus“
Markus Stillger: In den letzten beiden Jahren gab es an den Rentenmärkten nur eine Devise „Kurz, Kurz, Kurz, und möglichst nichts verlieren“ – das haben wir ganz gut hinbekommen und liegen aktuell mit dieser Strategie in den Performanceranglisten relativ weit vorne. Jetzt gilt es die Ernte einzufahren und von den gestiegenen Zinsen zu profitieren. Da wir im kommenden Jahr von leicht fallenden Zinsen ausgehen, haben wir zuletzt auch verstärkt auf Anleihen mit längeren Laufzeiten gesetzt. Zusätzlich zu den 4-5 Prozent Basisverzinsung, die der Markt aktuell bietet, winken dann weitere Kursgewinne
Anleihen Finder: Nach welchen Kriterien treffen Sie Ihre Investment-Entscheidungen? Was spielt neben den Fundamentaldaten der Unternehmen eine entscheidende Rolle?
Markus Stillger: Gerade bei Mittelstandsanleihen haben wir ja oft Volumina von weniger als 100 Millionen Euro. Im Prinzip ähnelt unser Job in diesem Bereich, dem eines Firmenkundenbetreuers bei einer Bank. Mit der Zeichnung einer Anleihe vergeben wir ja quasi einen Kredit. Neben den Bilanz-Kennzahlen ist die Qualität des Managements ein wichtiger Faktor für uns. Da kommt dann auch ein gewisses „Bauchgefühl“ mit ins Spiel. Mit der Taktik: „Wir laden bei der Präsentation in ein schönes Restaurant ein und nach Filet und gutem Rotwein füllen wir das Orderbuch“ kommt man bei uns jedenfalls nicht weit. Da gab es schon jede Menge „free lunch“ für uns, weil einfach der Rest nicht gepasst hat.
Anleihen Finder: Sie haben in diesem Jahr auch das fünfjährige Anleihen Finder-Musterdepotspiel mit großem Abstand und einer finalen Rendite von rd. +20% gewonnen. Inwiefern sind Sie auch im wahren Leben mit Ihren Fonds in mittelständische Unternehmen und Anleihen investiert? Können Sie uns Beispiele nennen?
Markus Stillger: Im Spiel konnte ich natürlich ganz andere Risiken eingehen, als im normalen Leben. So konnte ich z.B. einzelne Titel (von denen ich überzeugt war) auch teilweise mit bis zu 30% gewichten. Wichtig war es hier sich auch zum richtigen Zeitpunkt einmal von gut gelaufenen Positionen zu trennen. Nahezu optimal ist mir das mit einer Encavis-Wandelanleihe gelungen. Momentan schwächelt bei Encavis – wie übrigens bei vielen Unternehmen im Bereich „Nachhaltigkeit“ und „Green Energy“ – der Aktienkurs und eine neu aufgelegte Wandelanleihe des Unternehmens „schreit“ geradezu nach einer Wiederholung dieses Deals. Auch mit der Wandelanleihe von Laiqon habe ich im Spiel – aber auch in unserem Flex-Plus für unsere Anleger gutes Geld verdient. Auch hier sind wir aktuell in einer neuen Wandelanleihe gut positioniert, da auch hier der Aktienkurs des Unternehmens zuletzt stark gelitten hat, das Geschäftsmodell aber nach wie vor intakt ist. Alles in allem bin ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden, da das Börsenspiel ja in einem extrem schwierigen Marktumfeld lief. Kaufen kann ich mir dafür leider nichts – aber die Performance überzeugt ja vielleicht den ein oder anderen Anleger seine „Rentengelder“ in unserem Fonds anzulegen. Dass wir dafür ein guter Partner sind, hat nicht nur das Börsenspiel, sondern auch die Fonds-Performance in den letzten drei Jahren gezeigt.
Hinweis: Hier finden Sie weitere Infos zu den von der MB Fund Advisory GmbH betreuten Fonds.
Anleihen Finder: Wie beurteilen Sie das KMU-Marktsegment gegenwärtig? Wie kann es generell für Investoren wieder interessanter werden?
„Vielen Unternehmen bleibt ja gar keine andere Chance als an den Kapitalmarkt zu gehen“
Markus Stillger: In den vergangenen Jahren hatten KMU ja das Alleinstellungsmerkmal nach dem Motto „Hier gibt es noch Zinsen!“ – jetzt findet der risikoscheue Anleger auch bei der ein oder anderen Staatsanleihe 3-4% Rendite. Demzufolge müssen Unternehmen natürlich deutlich mehr bezahlen als das noch vor 2-3 Jahren der Fall war. Ein ganz wichtiger Punkt, der glaube ich von vielen Marktteilnehmern unterschätzt wurde, ist die Tatsache, dass viele Emittenten gar nicht in der Lage sind eine Anleihe nach 4-5 Jahren Laufzeit komplett zu tilgen. Das ist ja bei einem Bankkredit nicht anders. Aber nur ganz wenige Unternehmen schaffen eine reibungslose Anschlussfinanzierung, um die man sich nicht 4 Wochen vor Ablauf, sondern am besten mit einem Vorlauf von 2 Jahren kümmert.
Angesichts der Regulierungswut, die sich viele Banken auch teilweise selbst auferlegen, bleibt vielen Unternehmen ja gar keine andere Chance als an den Kapitalmarkt zu gehen und Anleihen zu begeben. Leider werden auch in Zukunft immer wieder Scharlatane unter den Anbietern zu finden sein. Hier wünsche ich mir ein härteres Vorgehen der Behörden gegen kriminelle Energie, beispielsweise gegen die Verantwortlichen von Senivita oder von Eyemaxx. Die sitzen auf ergaunertem Geld, um selbstverschuldete Löcher zu stopfen und die Anleger haben kaum Möglichkeiten, die Personen zur Rechenschaft zu ziehen.
Anleihen Finder: In volatilen Jahren ergeben sich natürlich auch einige Investment-Chancen. Wie ist Ihre Strategie in „schwierigen Zeiten“ und was raten Sie Anlegern?
Markus Stillger: Im Anleihebereich gibt es eine einfache Strategie – und die gilt in allen Zeiten:
- 1. Gesunde Streuung
- 2. Sorgfältige Prüfung des Emittenten
- 3. Die Wahl der Duration hängt von der persönlichen Definition ab, finde ich die Zinsen hoch (dann gerne auch längere Laufzeiten) oder finde ich Sie eher niedrig (dann kurze Laufzeiten)
Und eines gilt natürlich auch: Im Rahmen der gesamten Portfolio-Allokation das richtige Maß für den Anleihen-Anteil zu finden. Aktien, Immobilien und Sachwerte sollten genauso dazu gehören.
Anleihen Finder: Sie sind nicht nur als Fondsmanager, sondern auch als Unternehmer tätig und kennen die Probleme, mit denen sich derzeit unzählige mittelständische Unternehmen in Deutschland befassen müssen. Wo müssen sich Ihrer Meinung nach die politischen Rahmenbedingungen dringend ändern?
„Es könnte so einfach sein: Erhöhung der Abschreibung, zinsgünstige KFW-Programme und Senkung bzw. Abschaffung der Grunderwerbsteuer“
Markus Stillger: Jürgen Klopp hat einmal gesagt: „Wenn ich alles sage, was ich denke, werde ich ein Leben lang gesperrt“.Ich versuche mal diplomatisch zu bleiben:
Wir haben eine Laienspielschar in Berlin, die dieses Land versucht zu regieren, da kann man sich für Deutschland nur schämen. Mal ganz im Ernst: Was will mir denn ein Robert Habeck von Wirtschaft erzählen? Und Kevin Kühnert will jedem 18-jährigen 60.000 Euro schenken – geht´s eigentlich noch? Die sollen mal damit anfangen, dass Schüler in Sachen wirtschaftlicher Bildung die Grundwerte vermittelt bekommen. Allerdings war das zu Merkel-Zeiten zum Schluss in vielen Bereichen auch nicht besser. Ein Herr Altmeier hat einfach mal – mir nichts dir nichts – über Nacht die Förderpreise für Solarstrom gekappt, das hat mich bei einigen Projekten, die zu dieser Zeit im Bau waren, einige schlaflose Nächte gekostet. Ich bin ja auch im Immobilienbereich mit dem Bau von Seniorenresidenzen unterwegs. Hier lassen die derzeitigen Rahmenbedingungen eigentlich nur eine Strategie zu: Bestehende Sachen möglichst fertig bauen und behalten und neue Projekte in den Gefrierschrank. Die Bundesbauministerin faselt von 400.000 neuen Wohnungen und das Einzige was von der Politik getan wird, sind ständig neue Vorschriften zu erlassen, die das Bauen verteuern und beim derzeitigen Zinsniveau unrentabel machen.
Es könnte so einfach sein: Erhöhung der Abschreibung, zinsgünstige KFW-Programme und Senkung bzw. Abschaffung der Grunderwerbsteuer wären ganz einfache Maßnahmen, um den Laden für die seriösen Anbieter am Markt einigermaßen wieder in Schwung zu bringen. Stattdessen kassiert die Politik bestehende KFW-Förderprogramme über Nacht wieder ein. Von diesen Zauberlehrlingen war noch nie einer selbständig (außer Christian Lindner und da endete es in der Insolvenz) und kann das Wort Planungssicherheit nachvollziehen. Das einzig Gute an dieser Situation ist, dass schwarze Schafe und Dilettanten schon insolvent sind bzw. in den kommenden Monaten vom Markt verschwinden werden.
Anleihen Finder: … uns was bedeutet das für den KMU-Anleihemarkt?
„Wir brauchen eine Task Force in der Politik“
Markus Stillger: Zum Thema Anleihen: Das allerletzte was man derzeit braucht, sind nachrangige Mezzanine-Darlehen von Projektentwicklern. Allerdings ist es bei den meisten zum Ausstieg zu spät, da die Kurse schon im Keller sind. Aber auch hier gibt es natürlich auch Ausnahmen – ein kleiner scharfer Blick in die Bilanzstruktur hilft in den meisten Fällen weiter. Von den Banken als Finanzierungspartner des Mittelstands will ich hier gar nicht erst reden. Vor lauter Compliance- und Geldwäsche-Regularien stehen die meisten sich nur noch selbst im Weg. Ich kenne Unternehmer, da brauchten international aufgestellte Banken ein halbes Jahr um in einem EU-Partnerland ein Konto zu eröffnen (!) – die Zeit, um einen Kredit zu beantragen können die sich sparen. Wir brauchen eigentlich eine Task Force, die in der Politik (sowohl beim Bund, als auch in der EU) hier mal auf den Reset-Knopf drückt, und gesunden Menschenverstand einsetzt, wie man Unternehmen finanzieren kann und vernünftige Rahmenbedingungen schafft, dass diese Unternehmen auch Geld verdienen und am Ende des Tages dann auch angemessen Steuern zahlen.
Die aktuelle Situation auf den Punkt gebracht sieht doch so aus. Den Kleinen und dem Mittelstand wird das Leben bis zum geht nicht mehr schwer gemacht und die Großen zahlen aufgrund der Expertise, die sie sich leisten können kaum Steuern, weil alle Zahlungsströme so verschoben werden, damit es am Ende auf eine Steuerquote von 4-5% – wenn überhaupt – hinausläuft.
Anleihen Finder: Erweitern wir zum Abschluss noch einmal das Spektrum: Welchen Ausblick geben Sie für 2024? Was stimmt Sie optimistisch, dass sich sowohl die Kapitalmärkte wieder normalisieren, die Politik die richtigen Weichen für hiesige Unternehmen stellt als auch das DFB-Team eine erfolgreiche EM spielen wird?
„Möge uns das Jahr 2024 von diesem ´Ampel´-Alptraum erlösen“
Markus Stillger: Bei mir ist das Glas immer halbvoll und (das gilt für die Politik) die Hoffnung stirbt zuletzt.Möge uns das Jahr 2024 von diesem „Ampel“-Alptraum erlösen und Neuwahlen bescheren.Für die Kapitalmärkte sehe ich eher Zinssenkungen als einen weiteren Zinsanstieg und davon dürften die Börsen profitieren und uns meinem seit Jahren propagierten Kursziel „25.000 DAX-Punkte im Jahr 2025“ ein deutliches Stück näherbringen.
Was unsere Nationalmannschaft betrifft: Ich bin seit 26 Jahren Mitglied im „Freundeskreis der Nationalmannschaft“ und habe in dieser Zeit über 200 Länderspiele unserer Mannschaft gesehen. Ich muss ehrlich gestehen: Früher habe ich mehr mit dieser Truppe identifiziert. Bei der EURO 2024 wird entscheidend sein, ob der Funke vom Publikum überspringt – das geht aber in erster Linie über Kampf und Leidenschaft. Zwei Faktoren, die zuletzt nicht sehr ausgeprägt vorhanden waren. Kurzum – das Abschneiden unserer Mannschaft vorherzusagen ist genauso schwierig wie eine kurzfristige Börsenprognose. Vom Titel bis zum Ausscheiden in der Vorrunde ist alles drin.
Anleihen Finder: Herr Stillger, besten Dank.
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