Forschung und Entwicklung

Magnetisierung per Laserblitz

Wer einen Eisennagel magnetisieren will, muss einfach mit einem Stabmagneten mehrmals über dessen Oberfläche streichen. Doch es gibt auch eine viel ungewöhnlichere Methode: Dass sich eine bestimmte Eisenlegierung mit ultrakurzen Laserpulsen magnetisieren lässt, entdeckte ein Team unter Federführung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) bereits vor einiger Zeit. Die Forscher*innen haben diesen Prozess nun unter Beteiligung des Laserinstituts Hochschule Mittweida (LHM) eingehender untersucht und festgestellt, dass das Phänomen auch bei einer anderen Materialklasse auftritt – was die Perspektiven für mögliche Anwendungen deutlich erweitert. Die Arbeitsgruppe stellt ihr Resultat im Fachjournal „Advanced Functional Materials“ vor (DOI: 10.1002/adfm.202311951).

Die unerwartete Entdeckung war bereits 2018 gelungen. Als das HZDR-Team eine dünne Schicht aus einer Eisen-Aluminium-Legierung mit ultrakurzen Laserpulsen bestrahlte, wurde das unmagnetische Material plötzlich magnetisch. Die Erklärung: Die Laserpulse ordnen die Atome im Kristall so um, dass die Eisenatome näher zusammenrücken und dadurch einen Magneten bilden. Anschließend konnten die Forscher*innen die Schicht mit einer Serie von schwächeren Laserpulsen wieder entmagnetisieren. Damit hatten sie eine Möglichkeit entdeckt, winzige „Magnetflecke“ auf einer Oberfläche gezielt zu erzeugen und wieder zu löschen.

Allerdings ließ das Pilotexperiment Fragen offen. „Unklar war, ob der Effekt nur bei der Eisen-Aluminium-Legierung auftritt oder auch bei anderen Materialien“, erläutert Dr. Rantej Bali, Physiker im Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung des HZDR. „Außerdem wollten wir versuchen, den Prozess in seinem zeitlichen Ablauf zu verfolgen.“ Um das zu klären, schloss er sich mit Dr. Theo Pflug vom LHM sowie mit Kolleg*innen der Universität Saragossa in Spanien zusammen.

Daumenkino mit Laserpulsen

Konkret nahmen die Fachleute eine Legierung aus Eisen und Vanadium ins Visier. Anders als bei der Eisen-Aluminium-Legierung sind die Atome nicht zu einem regelmäßigen Kristallgitter geschichtet, sondern chaotischer angeordnet. Sie bilden eine amorphe, glasartige Struktur. Um zu beobachten, was nach der Laserbestrahlung passiert, nutzten die Physiker*innen eine Spezialmethode: das Pump-Probe-Verfahren. „Zunächst strahlen wir einen starken Laserpuls auf die Legierung, er magnetisiert das Material“, erklärt Theo Pflug. „Dann schicken wir einen schwächeren Puls hinterher, der von der Materialoberfläche reflektiert wird.“

Die Analyse der Laserreflexe lässt auf die physikalischen Eigenschaften des Materials schließen. Anschließend wird das Spiel mehrfach wiederholt, wobei der zeitliche Abstand zwischen dem ersten „Pump“-Puls und dem anschließenden „Probe“-Puls immer weiter erhöht wird. Am Ende ergibt sich eine Zeitreihe von Reflexionsdaten, aus der sich rekonstruieren lässt, welche Prozesse der anregende Laserpuls in Gang gebracht hat. „Das Verfahren ähnelt einem Daumenkino“, meint Pflug. „Dort wird ebenfalls aus einer Serie von Einzelbildern eine Art Trickfilm.“

Schnelles Schmelzen

Das Resultat: Obwohl sie eine andere Grundstruktur als die Eisen-Aluminium-Verbindung besitzt, lässt sich auch die Eisen-Vanadium-Legierung per Laser magnetisieren. „In beiden Fällen schmilzt das Material an der bestrahlten Stelle kurzzeitig auf“, beschreibt Rantej Bali. „Dadurch löscht der Laser die vorherige Struktur, sodass sich bei beiden Legierungen ein kleiner magnetischer Bereich bilden kann.“ Ein ermutigendes Ergebnis: Offenbar ist das Phänomen nicht auf eine bestimmte Materialstruktur begrenzt, sondern zeigt sich bei diversen atomaren Anordnungen.

Auch dem zeitlichen Ablauf des Prozesses ist das Team auf der Spur: „Zumindest wissen wir jetzt, in welchen Zeitbereichen etwas passiert“, erläutert Theo Pflug. „Innerhalb von Femtosekunden regt der Laserpuls die Elektronen im Material an. Später, nach mehreren Pikosekunden, übertragen die angeregten Elektronen ihre Energie auf die Atomrümpfe.“ Dieser Energieübertrag bewirkt dann die Umordnung in eine magnetische Struktur, die durch die nachfolgende rasche Abkühlung fixiert wird. Wie genau sich die Atome umordnen, wollen die Forscher*innen in Folgeexperimenten beobachten, indem sie den Magnetisierungsprozess mit intensiver Röntgenstrahlung durchleuchten.

Bessere Magnete im Blick

Schon diese Arbeiten im Grundlagenstadium liefern erste Ideen für mögliche Anwendungen: So ist denkbar, per Laser gezielt winzige Magneten auf einer Chip-Oberfläche zu platzieren. „Das könnte für die Produktion von empfindlichen magnetischen Sensoren nützlich sein, etwa in Fahrzeugen“, spekuliert Rantej Bali. „Auch für magnetische Datenspeicher könnte das in Frage kommen.“ Ferner scheint das Phänomen für eine neue Spielart der Elektronik interessant, die Spintronik. Hier sollen für digitale Rechenprozesse nicht wie üblich Elektronen durch Transistoren geschleust, sondern magnetische Signale genutzt werden – ein möglicher Ansatz für die Computer der Zukunft.

Publikation:

T. Pflug, J. Pablo-Navarro, S. Anwar, M. Olbrich, C. Magén, M. R. Ibarra, K. Potzger, J. Faßbender, J. Lindner, A. Horn, R. Bali: Laser-Induced Positional and Chemical Lattice Reordering Generating Ferromagnetism,Advanced Functional Materials, 2023 (DOI: 10.1002/adfm.202311951)

Das Laserinstitut Hochschule Mittweida (LHM) ist eine zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Hochschule Mittweida. Es ist eines der führenden Forschungsinstitute auf dem Gebiet der Lasertechnik in Deutschland und das einzige an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW). Zu den Forschungsschwerpunkten des LHM gehören die Lasermikro- und -nanobearbeitung, die laserbasierte additive Fertigung, das Laser-Puls-Depositionsverfahren (PLD), die Lasermesstechnik, die Modellierung und Simulation von Laserprozessen sowie die Laserbionik und Biophotonik. Rund 50 Expertinnen und Experten erarbeiten anwendungsorientiert weltweit anerkannte Forschungsergebnisse. Das 2016 eingeweihte Institutsgebäude des LHM mit mehr als 2.500 Quadratmetern Forschungsfläche ist der erste Forschungsneubau an einer HAW, der durch das Bund-Länder-Programm zur Förderung von Wissenschaft und Forschung an deutschen Hochschulen mitfinanziert wurde.

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