Kunst & Kultur

Städel Museum erhält bedeutende Werke von Werner Tübke

Eduard Beaucamp nannte ihn den „großen Unzeitgemäßen“: Werner Tübke (1929–2004). Der Maler und Grafiker gehört zu den markantesten Künstlern der deutschen Nachkriegszeit. Das Städel Museum erhält aus der Sammlung von Barbara und Eduard Beaucamp ein ebenso eindrucksvolles wie repräsentatives Konvolut von insgesamt 43 Zeichnungen und Aquarellen des Künstlers. Die Werke umspannen nahezu die gesamte Schaffenszeit Tübkes.

Der zeitlebens in Leipzig ansässige Tübke war einer der bedeutendsten Maler der DDR. Neben Bernhard Heisig und Wolfgang Mattheuer zählt er zu den Hauptvertretern der sogenannten ersten Leipziger Schule. Eines seiner Hauptwerke ist bis heute das Bauernkriegspanorama in Bad Frankenhausen (1976–1987), ein monumentales Panoramagemälde zu den Bauernaufständen während der Reformationszeit, das den Bauernkrieg nicht etwa als Vorläufer des sozialistischen Staates verherrlicht, sondern als düsteres, aller Hoffnung beraubtes menschliches Drama beschreibt.

Mit seiner sowohl formalen wie auch ikonografischen Anverwandlung der älteren Kunstgeschichte blieb Tübke lange Zeit singulär in der zeitgenössischen Kunst. Seine vieldeutigen Kompositionen sind das Ergebnis der Reflexion einer als problematisch empfundenen Wirklichkeit. Genauso beruhen sie auf einer einfallsreichen, manchmal geradezu überbordenden Fantasie und einem feinen Gespür für die Verletzlichkeit des Menschen, für existenzielle Fragen, Nöte und Konflikte. Dies gilt für die Malerei genauso wie für die Arbeiten auf Papier, die keine notizhaften Ideenskizzen darstellen, sondern eigenständige Überlegungen, die Gemäldekompositionen zwar flankieren können, aber in sich abgeschlossen und eigenwertig sind. Tübke schuf in Malerei und Zeichnung ein ebenso autarkes wie konsequentes, formal und inhaltlich dichtes Œuvre, das dank der Schenkung des Ehepaars Beaucamp nun auch im Städel Museum erfahrbar ist.

Eduard Beaucamp, der das Schaffen Tübkes seit den späten 1960er-Jahren verfolgte – zunächst als Kunstkritiker der F.A.Z., dann auch als Freund und Sammler –, erläutert seine Bewunderung für dessen Werk und die Entscheidung zur Schenkung an das Städel Museum: „Tübke ist ein außergewöhnlicher Künstler. Er ließ sich in der DDR nicht auf die Gegenwart verpflichten, sondern bewegte sich mit seiner einzigartigen spirituellen Fantasie zwischen den Epochen, Kulturen und Landschaften. Es geht ihm nicht um Brüche, Neuanfänge und Fortschritte, sondern um Erinnerungen, Wiedergeburten, Metamorphosen und Verspiegelungen. Der Nerv seiner Kunst ist ein äußerst verfeinertes Zeichnen, mit dem er seelische Verfassungen und schicksalhafte Prägungen von Menschen aufspürt und ergründet. Tübke sprach vom Zeichnen als ,elementares Bedürfnis, alles andere kommt dannʻ (1979). Das zu verfolgen, hat mich über Jahrzehnte fasziniert. Ich bin überzeugt, dass meine Sammlung im Städel ihren angemessenen Platz findet und dazu beitragen wird, sein Erbe zu bewahren und zu vermitteln.“

Städel Direktor Philipp Demandt freut sich über die großzügige Schenkung: „Ein zentraler Schwerpunkt des Städel Museums ist die deutsche Nachkriegskunst in all ihren Facetten. Längst klassifizieren wir nicht mehr in ‚Ost‘ oder ‚West‘. Tübkes verrätselter Realismus ist vielmehr gesamtdeutsch eine wichtige Position. Seine eindrücklichen Zeichnungen und Aquarelle, die Eduard Beaucamp mit sicherem Gespür über viele Jahrzehnte erwarb, bereichern unsere Graphische Sammlung nun in einer Qualität und Dichte, die alle Vorurteile sprengt. Mein außerordentlicher Dank geht an das Ehepaar Beaucamp für ihre Weitsicht, ihre Kennerschaft und diese großzügige Geste.“

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