Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs: SPIRIT-E entwickelt intelligente und bidirektionale Ladelösungen
Im europäischen Straßenverkehr sind Nutzfahrzeuge für etwa 38% der Treibhausgasemissionen verantwortlich [2]. Eine Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen mit Batterietechnologie bietet das größte Potential für eine nachhaltige Emissionsreduktion. Die angestrebte Technologietransition stellt jedoch sowohl Fahrzeughersteller (OEM) als auch Spediteure vor große Herausforderungen: Hoher Kostendruck gepaart mit hohen Anforderungen an Nutzlast, Reichweite und Effizienz sind limitierende Faktoren. Für den effizienten Betrieb der Fahrzeuge bieten sich Lenk- und Ruhezeitpausen sowie allgemeine Standzeiten zum Zwischenladen an. Hierfür ist eine gut ausgebaute und flexibel zugängliche Ladeinfrastruktur (LIS) mit hohen Ladeleistungen (> 500 kW) notwendig, die gegenwärtig allerdings nahezu nicht verfügbar ist. Bei öffentlicher LIS kommen die langen Prozesszeiten beim Bau sowie der Platzmangel entlang der Logistikhauptachsen bzw. Autobahnen erschwerend hinzu.
In Reallaboren von SPIRIT-E wird Ladeinfrastruktur anwendungsnah und für den nachhaltigen Nutzfahrzeugverkehr erforscht.
Das Forschungsprojekt SPIRIT-E hat das Ziel, die bestehenden Hürden in der Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs zu identifizieren und praxisorientierte Lösungen zu erarbeiten. Dazu werden Reallabore an zwei Logistikstandorten aufgebaut und Entwicklungsergebnisse in ihrer Praxistauglichkeit erprobt. Das Projekt verfolgt den aussichtsreichen Lösungsansatz, die private Ladeinfrastruktur an Logistikstandorten externen Spediteuren und deren Fahrzeugen zur Verfügung zu stellen. Durch Reservierungsmöglichkeiten der einzelnen Ladepunkte wird die geteilte Ladeinfrastruktur zur Anwendung gebracht. Um die Nutzfahrzeuge in das lokale Energiesystem und übergeordnet in das Stromnetz zu integrieren, erfolgt zudem die Implementierung bidirektionalen Ladens und eröffnet Potentiale für innovative energiewirtschaftliche Anwendungen. Das erfordert vielfältige Innovationen in den Bereichen Fahrzeugtechnik, Ladehardware, (bidirektionales) Lade- und Energiemanagement sowie Kommunikationsschnittstellen zwischen allen Beteiligten.
Bidirektionales Laden eröffnet neue Möglichkeiten für die Kopplung von Energie- und Transportsektor
Durch die Verfügbarkeit der privaten Ladepunkte für externe schwere Nutzfahrzeuge, erreichen Spediteure bzw. Depotbetreiber eine höhere Auslastung ihrer LIS. Die gemeinsame Nutzung vermeidet Engpässe, nutzt Ressourcen effizient und refinanziert Investitionen des Betreibers schneller. Um eine zuverlässige Planung der Ladepunkte und Leistungskapazitäten sicherzustellen, wird ein digitales Reservierungssystem entwickelt und im Reallabor getestet. Im Betrieb reservieren Eigen- als auch Fremdfahrzeuge Ladepunkte und gewährleisten reibungslose Abläufe sowie gerechte Ressourcenverteilung, sowohl im Logistikdepot als auch im öffentlichen Ladenetz.
Die bidirektionale Ladefunktion ermöglicht darüber hinaus neue energiewirtschaftliche Anwendungsmöglichkeiten, indem überschüssige Energie ins Netz zurückgespeist und der Fahrzeugspeicher vermarktet wird. Das führt zu neuen Geschäftsmodellen und erheblichen Kostenvorteilen für Depotbetreiber. Darüber hinaus können Lastspitzen am Logistikstandort vor allem in Hinblick auf erneuerbare Energien reduziert werden und system- sowie netzdienliches Be- und Entladen betrieben werden. Für den reibungslosen Betrieb müssen relevante Informationen zwischen den beteiligten Marktakteuren souverän ausgetauscht werden. Daher werden in SPIRIT-E Datenräume integriert, die eine Kopplung von Energie- und Transportsektor-Daten sicherstellen.
Damit verbunden ist eine intelligente Netz- und Systemintegration in bestehende Stromnetze: Das Energiesystem steht mit dem Übergang zu vielen dezentralen Erzeugungseinheiten geringerer Leistung und dem Wegfall von zentralen Kraftwerken im mehrstelligen MW-Leistungsbereich vor enormen Herausforderungen. Systemdienstleistungen wie Frequenzhaltung oder Engpassmanagement stammen aufgrund steigender Einspeisung volatiler Energiequellen zunehmend aus neuen Flexibilitätsquellen. Neben dem Netzausbau müssen daher neue Prozesse, IT-Systeme und standardisierte Schnittstellen definiert und entwickelt werden, um die neuen dezentralen Verbrauchseinrichtungen zu integrieren.
Über SPIRIT-E
Das Forschungsprojekt SPIRIT-E ist ein gemeinsames Forschungsvorhaben führender Unternehmen und Forschungseinrichtungen und ist im August 2023 gestartet. Es wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit einer Laufzeit von drei Jahren im Rahmen des Förderprogrammes „Begleitforschung Elektro-Mobil“ gefördert. Projektträger ist das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt DLR-PT. Im Rahmen des Projektes werden Reallabore an zwei Logistikstandorten aufgebaut sowie Innovationen entwickelt und erprobt. Durch das breite Spektrum der beteiligten Partner Technische Universität München (Konsortialführer und Begleitforschung Betriebsstrategie), MAN Truck and Bus SE (bidirektionale E-LKW und Flottenlademanagement), Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. (Begleitforschung energiewirtschaftliche Integration), SBRS GmbH (Entwicklung bidirektionaler Ladehardware), Fraunhofer Institut für Energiesysteme und Energiewirtschaft (Aggregationsleitsystem und Datenaustausch), Hubject GmbH (Roaming, Plug and Charge (PnC) und Reservierungssystem), Consolinno Energy GmbH (Flexibilitätsdatenaggregation und Messdaten) sowie TenneT (Systemdienstleistungen) wird das gesamte Ökosystem der Transportelektrifizierung abgedeckt und eine ganzheitliche und praxisnahe Herangehensweise gewährleistet. SPIRIT-E ist damit ein bedeutender Schritt in Richtung einer umweltfreundlichen und nachhaltigen Zukunft für den Nutzfahrzeugverkehr.
Referenzen
[1] European Commission. Directorate-General for Climate Action, Proposal for a REGULATION OF THE EUROPEAN PARLIAMENT AND OF THE COUNCIL amending Regulation (EU) 2019/1242 as regards strengthening the CO₂ emission performance standards for new heavy-duty vehicles and integrating reporting obligations, and repealing Regulation (EU) 2018/956, 2023.
[2]European Commission. Directorate General for Mobility and Transport, EU transport in figures: Statistical pocketbook 2022: Publications Office, 2022
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