Grüne Transformation und Schuldenbremse: Implikationen zusätzlicher Investitionen für öffentliche Finanzen und privaten Konsum
Soll die im deutschen Klimaschutzgesetz geforderte Reduktion der Treibhausgas-Emissionen erreicht werden, ist mit weitreichenden Konsequenzen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die öffentlichen Finanzen zu rechnen. Mit Hilfe eines makroökonomischen Modells kann gezeigt werden, welche Konsequenzen jährliche Investitionen in der Größenordnung von 2,5% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt hätten. Als Vergleichsmaßstab dient ein Szenario, in dem es zu keinen weiteren Klimaschutzmaßnahmen kommt, die über den bisherigen Trend hinausgehen und in dem die Klimaschutzziele verfehlt werden. In diesem Fall nimmt das Bruttoinlandsprodukt bis zum Jahr 2030 um 0,75% pro Jahr und damit etwas schwächer als in den vergangenen Jahren zu.
Um die Treibhausgasminderungsziele tatsächlich zu erreichen, muss die Nutzung fossiler Energieträger stärker abnehmen, als sich bislang abzeichnet. Dies könnte grundsätzlich über einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien kompensiert werden. „Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich die Geschwindigkeit des Ausbaus erneuerbarer Energien verdoppelt, wächst das Bruttoinlandsprodukt mit jährlich knapp 0,5% langsamer als im Szenario ohne weitere Klimaschutzmaßnahmen“, sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH. Zur Abschätzung der Effekte auf den privaten Konsum wird angenommen, dass der Anstieg der von den Privaten getragenen Kosten der grünen Investitionen zu Lasten der übrigen privaten Investitionstätigkeit geht, dass der Staat über Subventionierung privater und Ausweitung öffentlicher Investitionen zwei Drittel der gesamten Investitionskosten trägt, und dass er, um die Schuldenbremse einzuhalten, die Besteuerung der privaten Haushalte entsprechend erhöht. In diesem Fall gehen die höheren Investitionen zu Lasten des privaten Konsums, der je Einwohner stagniert, statt wie im Szenario ohne Einhaltung der Klimaziele um jährlich 0,2% zu steigen. Die Staatseinnahmenquote steigt in diesem Fall von 47% im Jahr 2022 auf knapp 51% im Jahr 2030 statt auf 49% im Szenario ohne weitere Maßnahmen. Weniger belastet würde der private Konsum bei einer Finanzierung der Investitionen über öffentliche Defizite. Insoweit ausländische Kapitalanleger in die aufgelegten Staatstitel investierten, würde der hohe deutsche Leistungsbilanzüberschuss ein Stück weit zurückgehen. In der Folgezeit wären freilich höhere staatliche Zinsausgaben fällig. Werden keine zusätzlichen Investitionen vorgenommen und die Klimaziele über eine Beschränkung des Einsatzes fossiler Energieträger trotzdem eingehalten, stagniert das Bruttoinlandsprodukt, und der private Konsum geht leicht zurück.
Die Langfassung der Prognose enthält einen Kasten zur Revision des Produktionspotenzials, zu den Rahmenbedingungen und Annahmen der Projektion sowie zur formalen Struktur des verwendeten Wachstumsmodells.
Kasten 1: Zur Revision des Produktionspotenzials
Kasten 2: Rahmenbedingungen und Annahmen der Projektion
Langfassung
Andrej Drygalla, Katja Heinisch, Oliver Holtemöller, Axel Lindner, Alessandro Sardone, Christoph Schult, Birgit Schultz, Götz Zeddies: Grüne Transformation und Schuldenbremse: Implikationen zusätzlicher Investitionen für öffentliche Finanzen und privaten Konsum, in: IWH, Konjunktur aktuell, Jg. 11 (4), 2023, 141‒159. Halle (Saale) 2023.
Die Aufgaben des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) sind die wirtschaftswissenschaftliche Forschung und wirtschaftspolitische Beratung auf wissenschaftlicher Basis. Das IWH betreibt evidenzbasierte Forschung durch eine enge Verknüpfung theoretischer und empirischer Methoden. Dabei stehen wirtschaftliche Aufholprozesse und die Rolle des Finanzsystems bei der (Re-)Allokation der Produktionsfaktoren sowie für die Förderung von Produktivität und Innovationen im Mittelpunkt. Das Institut ist unter anderem Mitglied der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose, die halbjährlich Gutachten zur Lage der Wirtschaft in der Welt und in Deutschland für die Bundesregierung erstellt.
Das IWH ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 97 eigenständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Weitere Informationen unter www.leibniz-gemeinschaft.de.
Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH)
Kleine Märkerstraße 8
06108 Halle (Saale)
Telefon: +49 (345) 7753-60
Telefax: +49 (345) 7753-820
http://www.iwh-halle.de
Telefon: +49 (345) 7753-720
E-Mail: presse@iwh-halle.de
Telefon: +49 (345) 7753-800
E-Mail: ohr@iwh-halle.de