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Nachhaltige Lieferketten fordern alle

„Lieferkettenkarussell – Landwirtschaft unter Druck?“ hieß es am vergangenen Samstag beim Junglandwirt:innen-Kongress auf der Grünen Woche. Wie gelingt der Spagat zwischen Versorgung und Einhaltung von Menschenrechten? Und was bedeutet das EU-Lieferkettengesetz für die eigene Zukunft in der Landwirtschaft? Das interessierte die rund 200 jungen Fachleute, die zur gemeinsamen Veranstaltung von Bund der Deutschen Landjugend (BDL) und Deutschem Bauernverband (DBV) gekommen waren.

(BDL) „Für die Landjugend ist klar, dass Importe und Handel nicht zulasten von Menschenrechten und Umweltzerstörung gehen dürfen. Wir in Deutschland haben eine globale Verantwortung. Wir sind von Ressourcen abhängig, die wir hier nicht haben. Nicht auf Kosten anderer“, stellt die Bundesvorsitzende Theresa Schmidt gleich zum Auftakt klar.

Wie Dr. Philipp Spinne sieht sie die Chance, auf diese Weise auf lange Sicht nachhaltige Lieferketten und Mindeststandards zu etablieren. Der Geschäftsführer des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV) macht in seinem Input Schluss mit gefährlichem Halbwissen bei diesem so komplexen wie herausfordernden Thema und ordnet die diversen Lieferkettengesetze ein.

Nachweispflicht ab 2025

Er zeigt auf, warum sie neben dem Landhandel auch den Berufsnachwuchs selbst betreffen. Der Druck auf Landwirt:innen, kleine und mittlere Unternehmen werde steigen, da sie Daten liefern müssen, die belegen, was sie da tun. Ein Beispiel? Durch die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten kommt im nächsten Jahr eine Nachweispflicht für rinderhaltende Betriebe. Mit der Angabe von Geokoordinaten ist zu beweisen, dass ihre Tiere u.a. nicht auf entwaldeter Fläche stehen.

Kritisch blickt Dr. Spinne auf die mit den Lieferkettengesetzen einhergehende Bürokratie. „Es müssen viele Daten erfasst und zum Teil händisch von den Partnern in der Wertschöpfungskette gepflegt werden. Es handelt sich quasi um ein bürokratisches Monster“, sagt er. Das belaste die Ressourcen der Unternehmen – die großen und noch mehr die kleinen. Darum müsse sichergestellt werden, dass sich die Bürokratie nicht negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe und Unternehmen auswirke.

Das fordert auch Junglandwirt Johannes Steffl. Der 26-Jährige betreibt mit seinem Vater im nördlichen Baden-Württemberg einen Schweinezucht- und -mastbetrieb mit Metzgervermarktung sowie Ackerbau. Da das europäische Lieferkettengesetz erst für Betriebe mit 500 Mitarbeitern und mindestens 150 Millionen Euro Umsatz gelten wird, betrifft ihn das Gesetz nicht unmittelbar. Für ihn steht außer Frage, dass es weltweit gleiche Standards für menschenwürdige Bedingungen geben müsse. Das Mehr an Datenerhebung und -management sieht er als größten Haken, da es das ohnehin knappe Personal binde.

Mindeststandards und faire Wettbewerbsbedingungen

Als dritte steht die Bundestagsabgeordnete Dr. Anne Monika Spallek auf dem Podium. Sie betrachtet das europäische Lieferkettengesetz als große Chance. „Da es die Menschenrechte adressiert, wird es Mindeststandards schaffen und damit gleichzeitig auch faire Wettbewerbsbedingungen für die, die hier arbeiten“, betont sie. Damit könne auch die Landwirtschaft von faireren Bedingungen profitieren.

Der Erfolg bei der Umsetzung des europäischen Lieferkettengesetzes hängt für Johannes Steffl am Kontrollwesen. Das sei von Land zu Land sehr unterschiedlich. Seine Skepsis teilt die Parlamentarierin nicht. Das Gesetz werde dazu führen, dass sich der bürokratische Aufwand in allen Ländern angleiche. So werde die Berichtspflicht zum deutschen Lieferkettengesetz mit Inkrafttreten des europäischen außer Kraft gesetzt.

Zeitnahe Umsetzungsregeln oder längere Übergangszeit

Damit Betroffene der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten wissen, was im kommenden Jahr auf sie zukommt, fordert DRV-Chef Spinne die Politik auf, zeitnah Rahmenbedingungen für die Digitalisierung zu setzen. Wenn das Bundeslandwirtschafts­ministerium diese bis zur Sommerpause liefere, werde das zu spät sein. Schließlich werde beispielsweise Soja, das im 1. Quartal 2025 hier importiert und zertifiziert werden soll, bereits jetzt in Brasilien angebaut wurde. Andernfalls müsse die Übergangszeit verlängert werden, stellt er klar.

Der Vertreterin der Politik ist es vor diesem Hintergrund besonders wichtig, dass Mechanismen geschaffen werden, mit denen die Landwirtschaft bessere und fairere Preise umsetzen kann. Als eine der Stellschrauben bezeichnet Spallek die große Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels. Das Gesetz zur Stärkung der Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich (kurz: Agrar-OLKG) setze genau dort an.

Kontrolle der Sorgfaltspflichten

In der von Julia Schürer, agrarheute, moderierten Diskussion kommt genauso zur Sprache, dass die Interessen der Weltpolitik das Lieferkettenkarussell zusätzlichen Schwung verleihen. Allein durch die Handelsabkommen. Die Unsicherheiten in der Welt seien groß und die bisherige Ordnung in Gefahr. Der Handel fördert Frieden. Das stellt niemand auf dem Podium oder im Saal in Frage. Anders sieht das bei Fragen nach der Kontrolle der Sorgfaltspflichten in europäischen Ländern und Drittländern aus. Sie diskutieren auch, wer die Kosten dafür trage und wie die Macht des Lebensmitteleinzelhandels gebremst werden könne.

Bei allen – sachlichen wie emotionalen – Wortmeldungen ist die Sorge des landwirtschaftlichen Nachwuchses um ihre Wettbewerbsfähigkeit und Zukunft spürbar. Was tun, wenn Lieferketten ausfallen, weil ausländische Lieferanten sich nicht an europäische Dokumentationsstandards halten wollen? Es sei eben mehr als nur in den sauren Apfel beißen, wie Dr. Spallek sagt, um ähnliche Standards für in die EU importierte Produkte gewährleisten zu können. Gerade darum sei es wichtig, so die Bundestagsabgeordnete weiter, die EU stark zu machen und den Handel zu diversifizieren. Dafür müsse auch die Agrarpolitik angepasst werden, ergänzt sie.

Umsetzung entbürokratisieren

Nach heftiger Diskussion und hartnäckigen Nachfragen der Junglandwirt:innen, bei der die Abgeordnete als Vertreterin der Politik im Kreuzfeuer steht, versöhnt die Antwort auf die Schlussfrage. Das europäische Lieferkettengesetz sei wichtig, sagen alle auf dem Podium, weil es Unternehmen zum sorgfältigen Umgang mit den sozialen und ökologischen Auswirkungen ihres Wirtschaftens verpflichte. Und sie fordern Nachbesserung: beim bürokratischen Aufwand.

Die Landjugend stehe klar hinter dem Ziel der nachhaltigen Ausrichtung von Lieferketten, sagte die BDL-Bundesvorsitzende Theresa Schmidt nach der hitzigen Debatte in ihrem Schlusswort: „Landjugend ist kein Bremser. Lieferketten dürfen nicht auf Kosten von Umwelt und Menschenrechten gehen. Generell müssen die diversen Lieferkettengesetze aber so gedacht werden, dass auch die Praxis der landwirtschaftlichen Betriebe mehr einbezogen wird. Dazu gehört weniger statt mehr Bürokratie. Denn wir wollen nicht hinterm Schreibtisch versacken, sondern das tun, was wir am besten können: Landwirtschaften. Heute und in der Zukunft.“

Hintergrund: Jüngst verständigten sich EU-Kommission, Rat und Parlament auf einen Kompromiss zum EU-Lieferkettengesetz, der über das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz hinausgeht. Ziel ist es, nachhaltige Lieferketten zu etablieren, bei denen menschenrechtliche, umwelt- und klimabezogene Sorgfaltspflichten eingehalten werden. Und zwar von der Herstellung des Rohstoffes bis hin zur Lieferung an die Verbraucher.

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Der BDL wird gefördert durch das BMFSFJ, das BMEL, die Landwirtschaftliche Rentenbank, das DFJW und das DPJW.

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