Schwäbisches Bildungszentrum erhält Unterlagen des ersten Irseer Anstaltsdirektors
Stefan Hagen, der seit Jahrzehnten in den Vereinigten Staaten lebt, wurde von seinem Bruder Martin sowie dessen Frau und Sohn Christian begleitet. Gemeinsam übergaben sie dem Tagungs-, Bildungs- und Kulturzentrum des Bezirks Schwaben Bücher, mit denen sich Hagen um das Irseer Direktorat bewarb, so seine „Beiträge zur Anthropologie“ (Erlangen 1841) und die „Psychologischen Untersuchungen“ (Braunschweig 1847). Mit „Der goldene Schnitt in seiner Anwendung auf Kopf- und Gehirnbau, Psychologie und Pathologie“ (Leipzig 1857) umfasst das umfangreiche Konvolut auch ein Werk, das in Irsee selbst entstand. Noch bedeutsamer sind der erste „Aerztliche Bericht aus der Kreis-Irrenanstalt Irsee von deren Vorstand Dr. F.W. Hagen“ (1849-1852) und handschriftliche Briefe von und an Hagen sowie eine bislang unbekannte Porträt-Fotografie.
„Uns ist es wichtig, dass das, was Friedrich Wilhelm geschrieben hat, auch gelesen, erforscht und zugänglich gemacht wird“, unterstreichen die Erben in 4. und 5. Generation ihre Motivation, die Dokumente ihres Ur-Ur- bzw. sogar Ur-Ur-Ur-Großvaters nach Irsee zu geben. „Als wir vor kurzem unser Elternhaus auflösen mussten, ist uns das Kistchen mit den gesammelten Schriften wieder in die Hände gefallen. Da traf es sich gut, dass in Kloster Irsee gerade nach Ausstellungsstücken gesucht wird,“ freuen sich die Familienangehörigen.
Zur historischen Einordnung: Am 1. September 1849 wurde die Heil- und Pflegeanstalt Irsee eröffnet, das erste Jahrzehnt geleitet von Dr. Friedrich Wilhelm Hagen, der 1859 als Direktor an die „Kreis-Irrenanstalt“ Erlangen wechselte. Dort war er dann auch Universitätsprofessor für Psychiatrie. Durch seine zahlreichen Publikationen galt Hagen in der Mitte des 19. Jahrhunderts als einer der bedeutendsten „Irrenärzte“ in Deutschland. Zudem gehörte zu den vier Gutachtern, die 1886 für die Entmündigung von König Ludwig II. von Bayern herangezogen wurden.
„Teilhaben-bewirken-wachsen“ lautet das Motto des diesjährigen Gedenkjahres „175 Jahre Psychiatrie in Schwaben“, in dem Bezirk, Bezirkskliniken und verschiedene Partner Veranstaltungen planen, die zum einen an die Eröffnung der Heil- und Pflegeanstalt Irsee erinnern werden, zum anderen das ganze Spektrum aktueller psychiatrischer Behandlungs- und Therapieangebote verdeutlichten sollen. Da ist das Schrifttum des ersten ärztlichen Anstaltsdirektors aus Irsee natürlich ein ganz besonderes Geschenk.
Publikationen: Gerald Dobler, Warum Irsee? Die Gründungsgeschichte der Kreis-Irrenanstalt Irsee vom Ende der 1820er Jahre bis zur Eröffnung 1849 (Grizeto 2014) sowie: Gerald Dobler, Theorie und Praxis der Behandlung in der psychiatrischen Anstalt Irsee zwischen 1849 und 1876 (Grizeto 2020).
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