Gesundheit & Medizin

Wie beeinflussen Darmbakterien Herz-Kreislauf-Erkrankungen?

Ein Verbundprojekt unter der Federführung der Universitätsmedizin Mainz erforscht, wie Darmbakterien die kardiovaskuläre Gesundheit beeinflussen können. Im Fokus stehen dabei Entzündungsreaktionen in der Leber und Blutbildungsprozesse im Knochenmark. Ziel der Forschenden ist es, diese zugrundeliegenden Mechanismen aufzuklären, um neue Ansätze zur Prävention und Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickeln zu können. Die vom BMBF geförderten Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG) unterstützen die Studie im Rahmen ihres Innovation Funds „Mikrobiom“ mit rund 640.000 Euro über einen Zeitraum von zwei Jahren.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigste Todesursache in Deutschland. Sie verursachen hierzulande etwa 40 Prozent aller Sterbefälle. Neben der hohen Sterberate können Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Lebensqualität der Betroffenen stark beeinträchtigen. Gefäßentzündungen können zu kardiovaskulären Erkrankungen, wie Atherosklerose (Arterienverkalkung) und Atherothrombose (entzündlich bedingte Blutgerinnsel im arteriellen Gefäßsystem) führen. Der Cholesterinstoffwechsel und die im Knochenmark gebildeten Blutzellen, die in den Blutkreislauf einwandern, beeinflussen die Ausprägung von Gefäßentzündungen. Dabei handelt es sich um Prozesse, die von den Mikroorganismen im Darm, dem Darmmikrobiom, moduliert werden.

„Wie die Zusammenhänge sich genau gestalten und wie die Mechanismen dahinter funktionieren, ist bisher wenig erforscht. Unser Forschungsprojekt soll diese zellulären Hintergründe aufklären“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Christoph Reinhardt, Arbeitsgruppenleiter am Centrum für Thrombose und Hämostase (CTH) der Universitätsmedizin Mainz und Fellow am Gutenberg Forschungskolleg der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Bekannt ist, dass die Ernährung einen Einfluss auf die kardiovaskuläre Gesundheit hat. Aktuelle Studien zeigen, dass Menschen, die sich ballaststoffreich ernähren, ein niedrigeres Risiko haben, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln.

„Das zunehmende Problem in westlichen Ländern ist: Es werden zu wenig Ballaststoffe und zu viel zucker- und fetthaltiges Essen konsumiert. Dadurch kann es zum sogenannten metabolischen Syndrom kommen, also zum gemeinsamen Auftreten von Übergewicht, Bluthochdruck sowie Zucker- und Fettstoffwechselstörungen. Dies sind alles Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen“, betont Professor Reinhardt.

Ballaststoffe, insbesondere aus Gemüse und Vollkornprodukten, werden durch bestimmte Bakterien des Darmmikrobioms zu kurzkettigen Fettsäuren umgewandelt. Eines dieser Stoffwechselprodukte, die sogenannte Propionsäure, reduziert die Konzentration von Fetten im Blut wie beispielsweise Cholesterin. „Hohe Blutfettwerte sind einer der Haupttreiber für Gefäßentzündungen. Die Propionsäure könnte daher eine vielversprechende Substanz für neue Therapieansätze bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen darstellen“, so Professor Reinhardt. 

Im Fokus der Forschenden steht die Leber als stoffwechselaktives Organ. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ist das Knochenmark, das als blutbildendes System ebenfalls eine maßgebliche Rolle bei der Herz-Kreislauf-Gesundheit spielt.

„Das Darmmikrobiom beeinflusst nicht nur den Stoffwechsel, sondern auch die Bildung von Blutzellen im Knochenmark, die sogenannte Hämatopoese und hier vor allem die Myelopoese, also die Bildung von myeloischen Zellen, die normalerweise zum Beispiel Bakterien bekämpfen. Im Rahmen unseres Verbundprojekts werden wir untersuchen, wie das Mikrobiom die Gefäße im Knochenmark beeinflusst, wie es die Myelopoese reguliert und auch wie die neu gebildeten Blutplättchen in den Blutkreislauf gelangen – alles wichtige Aspekte für die kardiovaskuläre Gesundheit“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Daniela Krause, Direktorin des Instituts für Transfusionsmedizin – Transfusionszentrale der Universitätsmedizin Mainz.

Um unter der Vielzahl von Darmbakterien einzelne Bakterienarten im Detail erforschen zu können, wenden die Forschenden eine besondere Untersuchungsmethode an, die sogenannte Gnotobiotik. Damit können sie unter keimfreien Bedingungen im Tiermodell einzelne Bakterieninteraktionen und ihren Einfluss auf die Leber und das Knochenmark spezifisch untersuchen.

Für das DZG-Verbundprojekt hat sich ein interdisziplinäres Team aus Forschenden des Centrums für Thrombose und Hämostase, des Zentrums für Kardiologie – Kardiologie I und des Instituts für Transfusionsmedizin – Transfusionszentrale der Universitätsmedizin Mainz zusammengeschlossen. Das Forschungskonsortium wird ergänzt durch Wissenschaftler:innen der Technischen Universität Dresden (Prof. Dr. Triantafyllos Chavakis) und der Charité – Universitätsmedizin Berlin (PD Dr. Arash Haghikia). Die Forschenden des Verbundprojekts gehören zudem verschiedenen Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung an: dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislaufforschung (DZHK), dem Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) sowie dem Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK).

Der DZG Innovation Fund (DZGIF) ist ein gemeinsames Forschungsförderprogramm der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Er unterstützt krankheitsübergreifende Forschungsideen, die das Wissen zur Prävention und Behandlung von Volkskrankheiten voranbringen können. Ziel des DZGIF ist es, die Forschenden zu vernetzen, die gemeinsame Forschung zu erleichtern und so zwischen den DZG interdisziplinäre Synergien zu schaffen. Für die zweite Ausschreibung des Förderprogramms zum Thema „Mikrobiom“ wurden insgesamt acht Anträge eingereicht. Das Mainzer Verbundprojekt „The gut microbiome as a functional modifier of myelopoiesis and inflammatory vascular endothelial phenotypes in cardiometabolic disease“ zählt zu den zwei Projekten, die aufgrund der herausragenden Bewertung für die Förderung ausgewählt wurden.

Mehr Informationen: https://deutschezentren.de/dzg-innovation-fund/

Über Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten und jährlich mehr als 345.000 Menschen stationär und ambulant versorgen. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. Mehr als 3.500 Studierende der Medizin und Zahnmedizin sowie rund 670 Fachkräfte in den verschiedensten Gesundheitsfachberufen, kaufmännischen und technischen Berufen werden hier ausgebildet. Mit rund 8.700 Mitarbeitenden ist die Universitätsmedizin Mainz zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor. Weitere Informationen im Internet unter www.unimedizin-mainz.de.

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