Finanzen / Bilanzen

DVFA Kommission Immobilien erwartet ernüchternde Berichtssaison und verhaltene Ausblicke bei den börsennotierten Immobiliengesellschaften

 

  • Weitere Abwertung der Portfoliowerte erwartet: Abwertungen der Portfoliowerte zwischen 4 % und 12 % trotz positiver Effekte aus Indexierungen zum Jahresende. 
  • Rezessives wirtschaftliches Umfeld: Der schwache Start der Realwirtschaft 2024 könnte die operative Performance zunehmend belasten. 
  • Handelsgewinne aus Immobilienverkäufen kaum zu erwarten: Bei den Immobilienentwicklern bleibt die Verunsicherung und große Zurückhaltung für neue Projekte wohl bestehen. Der Fokus auf Einsparungen und Cashflow-Management bestimmt das Handeln. Bei allen Gesellschaften werden Dividendenausschüttungen gründlich überdacht und meist nicht erfolgen.
  • Assetklasse Büro weiterhin mit großer Skepsis: Marktteilnehmer mit dem Fokus auf „Office“ werden von Investoren weiterhin kritisch beurteilt. Hieraus resultiert eine entsprechende Kaufzurückhaltung. Das gilt sowohl für die Aktien der Unternehmen als auch für mögliche Verkäufe aus deren Immobilienbestand, die die Bilanz entlasten würden.
  • Steigende Finanzierungskosten und höhere Eigenkapitalanforderungen: Die Cost of Debt sollten 2024 um rund 20 bis 60 Basispunkte steigen. Generell werden die Banken ihre restriktive Politik des letzten Jahres fortsetzen und höhere Eigenkapitalbeteiligungen einfordern. Steigende Finanzierungsaufwendungen und höherer Eigenkapitaleinsatz könnte die Gewinne in den nächsten drei oder vier Jahren um 20 % bis 30 % pro Jahr reduzieren.
  • Bedeutung der ESG-Konformität der Portfolios nimmt weiter zu: Das gilt für die Anforderungen der finanzierenden Banken genauso wie für den Anleihemarkt. Zukünftig wird die Bedeutung von Green Bonds im Immobiliensektor weiter zunehmen. Liegenschaften, die nicht dem modernen Standard entsprechen stehen bei Verkauf oder Vermietung verstärkt unter Druck.

Rezessive Wirtschaft

Das Jahr 2023 war sicherlich als große Bewährungsprobe für die Branche zu sehen. Der rasante und vor allem steile Zinsanstieg, der schon Mitte 2022 begann, setzte sich 2023 fort. Die Politik vieler Banken bei der Kreditvergabe wurde wesentlich restriktiver. Dies gilt sowohl für die Anforderungen an das zu erbringende Eigenkapital als auch bei den wesentlichen Covenants. Hinzu kam 2023 – nach einem corona- und kriegsbedingt sehr mageren Wachstum 2022 – ein Abgleiten der deutschen Wirtschaft in die Rezession. Die Aussichten für eine ordentliche wirtschaftliche Erholung sind eher gering. Der Kampf gegen die Inflation wird für die Zentralbanken im Vordergrund stehen. Gegebenenfalls reicht es für eine zaghafte Reduzierung der Leitzinsen im Laufe des Jahres. Die meisten Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen aktuell für die Jahre 2024 und 2025 mit Wachstumsraten lediglich in einer Bandbreite zwischen 0 % und 1,0 %. Selbst das könnte sich als zu positiv herausstellen, da aktuelle Zahlen zum Konsum auf eine recht große Zurückhaltung in der Bevölkerung deuten. Hieraus könnten sich zunehmend negative Implikationen für den Mietmarkt ergeben, die die operative Performance der Bestandshalter zusätzlich belasten könnte.

Geringe Transaktionsvolumina

Die Transaktionsvolumina im deutschen Immobilienmarkt entsprachen dem schwierigen ökonomischen Umfeld und waren sehr niedrig. Nach Erhebungen von JLL ergab sich in den ersten neun Monaten 2023 ein Rückgang am Transaktionsmarkt von 57 % auf nur noch 23 Mrd. Euro. Die börsennotierten Immobiliengesellschaften warten entweder auf höhere Verkaufspreise, um keine Bewertungsverluste zu realisieren; oder anders ausgedrückt: die potenziellen Käufer warten auf bessere Finanzierungskonditionen, damit die erworbenen Liegenschaften auch wirklich „value accretive“ für die eigene Bilanz sind. Der Bid-Ask-Spread ist somit in Deutschland weiterhin besonders hoch, was sich negativ auf das Transaktionsvolumen auswirkt. Da die Europäische Zentralbank den Leitzins im September noch einmal um 25 Basispunkte angehoben hat, brachte auch das vierte Quartal nach unserer Einschätzung keine nennenswerte Belebung bei den Transaktionen. 2023 wird in Summe um mindestens 50 % unter dem zehnjährigen Durchschnitt bleiben. Wenn es Transaktionen gab, dann meistens kleinteilige Deals in einer Größenordnung von 20 bis 60 Mio. Euro. Diese wurden mit relativ hohem Eigenkapitalanteil finanziert, was in der Regel dann weitere preisliche Zugeständnisse des Verkäufers erforderte. 

Deutliche Abwertungen

Die Geschäftsberichte 2023 werden meist in den Monaten März und April veröffentlicht. Vorläufige Zahlen gibt es oft schon im Februar. Abhängig vom gewerblichen Anteil am Gesamtportfolio rechnen wir bewertungsseitig mit Rückgängen des Portfoliowerts im Bereich von 4 % bis 12 % (trotz einer gewissen Entlastung durch Mietindexierungen und gute Vermietungsmärkte).

Assetklasse: Wohnen

Die Assetklasse Wohnen ist tendenziell stabiler, abhängig von Lage und Qualität des Wohnungsbestandes. Die großen Zentren und Metropolregionen werden durch die starke Wohnungsnachfrage und der Knappheit von Wohnraum gestützt. Der Beinahe-Stillstand bei Neubauprojekten verstärkt den Nachfrageüberhang und bedingt Mietwachstum. Die Angebotsmieten je Quadratmeter stiegen in den letzten 5 Jahren um 50 % in Berlin und jeweils 28 % in Köln und Leipzig. In Hamburg stiegen die Angebotsmieten um 21 %, in Düsseldorf und München um jeweils rund 16 %. Diese Entwicklungen untermauern den guten Markt für Vermieter und die immens gestiegene Belastung für das Budget der Mieter. Diese Entwicklung ist vor dem Hintergrund der ökonomisch rezessiven Phase zu sehen. Die Pläne der Bundesregierung zum Umstieg von Gas- und Ölheizungen auf Wärmepumpen könnten die Mietbelastung weiter steigen lassen, befürchtet der Mieterbund. Voraussetzung hierfür ist, dass die Mieter die erhöhten Mieten wirklich zahlen. Anderenfalls kommt es zu höheren Mietausfällen bzw. Leerständen. Zusammenfassend zeigt sich, dass das Geschäftsmodell der gut geführten Wohnimmobilien-AGs nach wie vor in Takt ist, auch wenn die Risiken für alle Wohnungseigentümer durch die schwache Konjunktur und wahrscheinlich anstehende künftige Investitionen zugenommen haben.   

Assetklasse: Büro

Innerhalb des Gewerbeimmobilienmarktes bereitet die Assetklasse Büro die meisten Sorgen. Hier war ein Rückgang in der Transaktionstätigkeit von rund drei Viertel festzustellen. Die Zeit der Pandemie und des Lock-Downs hat das Homeoffice „hoffähig“ gemacht. Die Flächennachfrage nach Büros könnte in den nächsten Jahren unter diesem Trend leiden, da viele Mitarbeiter vielleicht nur noch dreimal die Woche ins Office kommen wollen. Das ist zumindest die Sorge vieler Anleger, die die Assetklassen gegeneinander abwägen. Die Anbieter kleinerer und sehr moderner Arbeitswelten in Top-Lage mit einer Ausstattung und Konzeption, die „appealing“ ist und inspirierende Begegnungen innerhalb der Büro-Mannschaft ermöglicht, sind klar im Vorteil. Diejenigen Marktteilnehmer, die ältere Büros mit minderem Standard oder in Randlage anbieten, werden zunehmend unter Druck geraten. Dies gilt sowohl für die Vermietung als auch für den Dialog mit den Bewertern hinsichtlich der erzielbaren Wertansätze. Eine weitere Herausforderung wird sich für diese Liegenschaften ergeben, wenn die Refinanzierung ansteht. Die finanzierenden Banken erwarten – quasi als Risikoaufschlag – inzwischen eine wesentlich höhere Eigenkapitalbeteiligung der Investoren. Der Maklerverbund German Property Partners (GPP) berichtete, dass der Investmentumsatz in den Top 7 Städten 2023 um 69 % von 25,5 Mrd. Euro auf nur noch 7,8 Mrd. Euro drastisch zurück gegangen ist. Das vierte Quartal lag mit einem Transaktionsvolumen von 2,0 Mrd. Euro leicht über dem dritten Quartal mit 1,4 Mrd. Euro lag. Die Spitzenrenditen stiegen im Schnitt um 1,06 Prozentpunkte auf 4,34 %. Vor dem Hintergrund der schwachen ökonomischen Verfassung und des langfristigen Trends zu geringerer Büroflächennachfrage muss dieser Renditeanstieg nicht das letzte Wort sein.

Steigende Finanzierungskosten

Wie oben dargestellt, werden die Wertansätze in der Berichtssaison 2024 voraussichtlich weiter zurückgehen und somit auch die Eigenkapitalrelationen in vielen Fällen verschlechtern. Die meisten Unternehmen nutzten die guten Jahre, um die Passivseite der Bilanz wetterfest zu machen. Dies geschah mit langfristigen Finanzierungen zu sehr günstigen Konditionen. Somit waren die Jahre 2022 und 2023 durch günstige Finanzierungen noch recht gut abgesichert. Wir denken, dass 2024 von der alten Zinswelt noch maßgeblich profitieren wird, aber der Druck graduell größer wird, in höherem Umfang den Umbau der Passivseite und die Prolongation der Verbindlichkeiten voranzutreiben. Ein Anstieg der Cost of Debt im Gesamtportfolio in einer Größenordnung von 20 bis 60 Basispunkten für 2024 erscheint uns für die meisten Immobiliengesellschaften eine realistische Annahme. Schon im letzten Jahr kam es hier zu einem leichten Anstieg, der sich nun verstärken dürfte, weil immer mehr günstige Finanzierungen auslaufen. Die Fakten zum Debt Maturity Profile, also zum Fristigkeitenprofil der Verbindlichkeiten, nehmen für Investoren mittlerweile einen sehr viel höheren Stellenwert ein als in Jahren des Booms. Sicherheit und Planbarkeit haben in Zeiten knapper gewordener Finanzierungen nunmehr einen viel höheren Stellenwert. Nach jüngsten Aussagen von CBRE wird eine Finanzierungslücke auf dem deutschen Gewerbeimmobilienmarkt von rund 77 Mrd. Euro über die nächsten vier Jahre hinweg erwartet. Diese Erwartung erscheint uns in der Größenordnung durchaus realistisch und spiegelt den enormen Druck, unter dem die Branche künftig von Seiten der Finanzierung stehen könnte. Steigende Finanzierungsaufwendungen und höherer Eigenkapitaleinsatz könnte die Gewinne in den nächsten drei oder vier Jahren um 20 % bis 30 % pro Jahr reduzieren. Dieses Szenario ist insbesondere dann relevant, wenn es nicht gelingt, die Qualität des eigenen Immobilienportfolios durch den Verkauf von Immobilien mit schlechter Performance oder höherem Risikoprofil (Alter, Lage, Ausstattung, Investitionsbedarf) zu heben. Da dies aber alle Marktteilnehmer versuchen werden, könnte das zusätzlichen Druck auf die Preisgestaltung ausüben.

Green Bonds am Anleihemarkt

Nicht nur bei Banken wird die Objektqualität der zu finanzierenden Liegenschaften mehr denn je geprüft werden, sondern dies gilt auch für den Anleihemarkt. Hier spielen mittlerweile Green Bonds eine erhebliche Rolle. Nachhaltigkeit wurde, auch unter dem Einfluss von Investoren, sehr schnell zu einem sehr zentralen Aspekt in der Unternehmensstrategie von Immobiliengesellschaften. Nur so war es möglich, weiterhin attraktive Finanzierungskonditionen zu erhalten. Die meisten Bestandshalter und Entwickler in der Immobilienbranche haben im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie einen eigenen Green Finance Framework erarbeitet. Fast alle namhaften Bestandshalter und Entwickler haben entsprechende Pläne zur Emission von Green Bonds in einer Größenordnung von 50 Mio. bis 500 Mio. Euro in der Pipeline. Diese sollen je nach aktueller Lage am Kapitalmarkt 2024 oder 2025 umgesetzt werden. Künftig werden Emissionen am Anleihemarkt ganz generell mehrheitlich nur noch als grüne Emission denkbar sein, um bestehende Liegenschaften oder neue Projekte mit geringer Umweltbelastung zu finanzieren. In diesem Zusammenhang wird dementsprechend auch die Zweitmeinung von namhaften Ratingagenturen zur Umsetzung einer wirkungsvollen Nachhaltigkeitsstrategie an Bedeutung auf Investorenseite gewinnen.

Fazit: ernüchternde Berichtssaison erwartet

Die Investoren müssen sich auf eine ernüchternde Berichtssaison und verhaltene Ausblicke gefasst machen. Abwertungen und schlechtere Bilanzrelationen sind dann wahrscheinlich ein wichtiges Thema. Die Transaktionsmärkte werden sich weiter schwertun und viele Bestandshalter werden nur dann verkaufen, wenn es sein muss, d. h.  wenn ein Verkauf trotz realisiertem Verlust ökonomisch vorteilhafter ist als eine wesentlich teurere neue Finanzierung. Die erfolgreichen Entwickler werden sich sehr selektiv auf wenige erfolgversprechende Projekte konzentrieren und noch viel intensiver ihren Cashflow überwachen. Für die künftigen Gewinnprognosen spielen die erhöhten Finanzierungsaufwendungen eine wichtige Rolle. Hierzu ist es notwendig, dass die einzelnen Immobilienunternehmen über eine Nachhaltigkeitsstrategie auch die Kreditgeber wirkungsvoll überzeugen können. Insgesamt ist eine sehr selektive Beurteilung der einzelnen Assetklassen und Immobilienprojekte sowie der unterlegten Finanzierung notwendig. Dies unterscheidet das neue Marktumfeld im Vergleich zur langen Ära des Immobilienbooms.

Über DVFA Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management

Der DVFA e.V. (Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Assetmanagement) ist die Standesorganisation aller Investment Professionals in den deutschen Finanz- und Kapitalmärkten. Die über 1.400 Mitglieder repräsentieren die Vielfalt des Investment- und Risikomanagements in Deutschland. Der DVFA engagiert sich für die Professionalisierung des Investment-Berufsstandes, erarbeitet Standards und fördert den Finance-Nachwuchs. Der Verein bündelt die Meinung der Mitglieder und bringt sich über die DVFA-Gremien in die regulatorische und politische Diskussion ein. Das Netzwerk bringt Praktiker und Theoretiker sämtlicher Investmentdisziplinen unter dem DVFA-Dach zusammen. Über den Dachverband der European Analysts Societies (EFFAS) bietet der DVFA Zugang zu einem europaweiten Netzwerk mit mehr als 17.000 Investment Professionals in 26 Nationen. Über die Association of Certified International Investment Analysts (ACIIA) ist der DVFA Teil eines weltweiten Netzwerks von mehr als 60.000 Investment Professionals. https://www.dvfa.de/dvfa.html

Weitere Informationen zur DVFA-Kommission Immobilien:
Unter Leitung von Professor Dr. Sven Bienert MRICS REV befasst sich ein Kreis von über 40 renommierten Experten und Führungskräften in der DVFA-Kommission Immobilien mit Investmentthemen rund um den Immobilienbereich.
https://www.dvfa.de/der-berufsverband/kommissionen/immobilien.html

Firmenkontakt und Herausgeber der Meldung:

DVFA Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management
Mainzer Landstraße 47a
60329 Frankfurt am Main
Telefon: +49 (69) 50004230
Telefax: +49 (6103) 5833-33
http://www.dvfa.de

Ansprechpartner:
Martina Rozok
Telefon: +49 (30) 40044681
E-Mail: m@rozok.de
Für die oben stehende Story ist allein der jeweils angegebene Herausgeber (siehe Firmenkontakt oben) verantwortlich. Dieser ist in der Regel auch Urheber des Pressetextes, sowie der angehängten Bild-, Ton-, Video-, Medien- und Informationsmaterialien. Die United News Network GmbH übernimmt keine Haftung für die Korrektheit oder Vollständigkeit der dargestellten Meldung. Auch bei Übertragungsfehlern oder anderen Störungen haftet sie nur im Fall von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Die Nutzung von hier archivierten Informationen zur Eigeninformation und redaktionellen Weiterverarbeitung ist in der Regel kostenfrei. Bitte klären Sie vor einer Weiterverwendung urheberrechtliche Fragen mit dem angegebenen Herausgeber. Eine systematische Speicherung dieser Daten sowie die Verwendung auch von Teilen dieses Datenbankwerks sind nur mit schriftlicher Genehmigung durch die United News Network GmbH gestattet.

counterpixel