Heilpädagogische Leistungen für Kinder: Interdisziplinäre Diagnostik zwingend
Eine Mutter beantragte im April 2020 heilpädagogische Leistungen für ihre Tochter wegen Verhaltensauffälligkeiten. Nach Auffassung des Gerichts ist die Tochter „seelisch und/oder geistig“ wesentlich behindert. Die Stadt, die für die Leistungen der Eingliederungshilfe (EGH) zuständig war, bewilligte die Leistungen erst ab Mai 2021, nachdem eine interdisziplinäre Diagnostik durch eine Frühförderstelle durchgeführt worden war.
Das Sozialgericht Karlsruhe gab der Stadt Recht. Es führte aus, dass die interdisziplinäre Eingangsdiagnostik zwingende Voraussetzung für die Gewährung heilpädagogischer Leistungen der EGH sei, unabhängig davon, ob eine Komplexleistung oder eine Einzelleistung beantragt werde. Die Komplexleistung sei der Regelfall und habe Vorrang vor der Einzelleistung.
Die Gewährung von heilpädagogischen Leistungen setzt voraus, dass der behinderte Mensch infolge seiner Behinderung in seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wesentlich beeinträchtigt ist. Darüber hinaus müssen die Leistungen geeignet und erforderlich sein, um diese Beeinträchtigung zu beseitigen oder zu mildern.
Die interdisziplinäre Eingangsdiagnostik ist eine verfahrensrechtliche Maßnahme, die dazu dient, den Bedarf des behinderten Menschen festzustellen und die geeignetste Maßnahme zu ermitteln.
Nach Auffassung der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) könnte der Gesetzgeber im Gesetz klarstellen, dass für die Gewährung heilpädagogischer Einzelleistungen der Eingliederungshilfe für Kinder eine interdisziplinäre Diagnostik nicht zwingend erforderlich ist. Damit würde das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen über die Art und Weise der Leistung eingeschränkt.
Insgesamt sind die Voraussetzungen unübersichtlich, und Leistungen ‚werden oft auch zu Unrecht versagt. In solchen Fällen sollte anwaltliche Hilfe gesucht werden.
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