Zwei Prozent sind nicht genug
Die alternde Gesellschaft ist keine Fiktion, der demografische Wandel hat längst begonnen. Die inklusive Gestaltung von Wohn- und Lebensräumen ist imstande, einen bedeutenden Beitrag zur eigenständigen Lebensführung von älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern, aber auch von Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen zu leisten.
„Nur barrierefreier Wohnungsbau verdient das Prädikat sozialer Wohnungsbau! Unser Hauptproblem: Uns fehlen mehr als zwei Millionen barrierefreie und bezahlbare Wohnungen – Tendenz steigend. Dabei hat Deutschland vor mittlerweile 15 Jahren die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert – darin ist auch das Recht von Menschen mit Behinderungen enthalten, frei wählen und entscheiden zu können, wo sie wohnen wollen“, so Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen. „Umgesetzt wurde dieses Recht bislang nur unzureichend, dieses Versäumnis wurde Deutschland bei der Staatenprüfung der UN im letzten Jahr attestiert und muss dringend aufgeholt werden.“
„In Deutschland sind aktuell gerade etwas mehr als zwei Prozent des Wohnungsbestandes barrierefrei ausgestaltet“, so BAK-Vizepräsident Martin Müller. „Dem großen und wachsenden Bedarf an barrierefreiem Wohnraum steht ein viel zu kleines Angebot gegenüber. Das Ziel einer inklusiven Gesellschaft darf auch in Zeiten knapper Kassen nicht vernachlässigt werden. Architekt:innen und Planer:innen können durch ihre Fachexpertise eine für alle zugängliche und nutzbare Umgebung schaffen. Wie die auf der Regionalkonferenz präsentierten Best-Practice-Beispiele belegen, profitieren vom inklusiven Bauen keineswegs nur Menschen mit Behinderungen, sondern genauso Ältere und Familien mit Kindern. Eine zukunftsorientierte barrierefreie Gestaltung – auch dieser Aspekt soll nicht ausgeklammert werden – wird perspektivisch zudem den Wert einer Immobilie deutlich steigern – und die Nachfrage wird zunehmen.“
„Ob ein Gebäude barrierefrei zu gestalten ist, steht nicht zur Debatte – Barrierefreiheit ist ein zwingendes Muss!“, betonte AKBW-Landesvorstandsmitglied Andreas Grube. „Für dieses Selbstverständnis müssen wir als Berufsstand bei den Bauherrschaften, aber auch gesamtgesellschaftlich werben.“ Verpflichtende Konzepte ab einer gewissen Projektgröße, wie in manchen Bundesländern geregelt, seien nicht zwingend, so der Vorsitzende des Kammerbezirks Karlsruhe: „Wir Architektinnen und Architekten sollten aktiv vorangehen mit einer Selbstverpflichtung zur Barrierefreiheit, die Bereitschaft zur Fortbildung eingeschlossen.“
Bei der Regionalkonferenz wurden mit Impulsvorträgen, Podiumsgesprächen und gelungenen Praxisbeispielen interdisziplinäre und intelligente Planungsansätze veranschaulicht. Bei den Best-Practice-Projekten standen das „work-life-living“ in Kirchheim unter Teck (Matthias Schuster, LEHENdrei Architektur und Stadtplanung, Stuttgart), „Das besondere Haus“ in Augsburg (Sigrid Müller-Welt, UTA Architekten und Stadtplaner, Stuttgart) sowie „Inklusives Wohnen“ in Furtwangen (Philipp Kuner, Kuner Architekten, Furtwangen) auf dem Programm. Die Architekten stellten ihre Objekte jeweils gemeinsam mit Projektentwicklern, Sozialunternehmen bzw. Genossenschaft vor. Am Podiumsgespräch zur Frage „Inklusive Gesellschaft – Was bedeutet dies für das Planen und Bauen?“ wirkten neben Jürgen Dusel auch Martin Müller, BAK-Vizepräsident, Simone Fischer, Landesbehindertenbeauftragte BW, sowie Oliver Appel vom Landeszentrum Barrierefreiheit BW mit. Die AKBW wurde durch den Vorsitzenden des Kammerbezirks Karlsruhe, Andreas Grube, vertreten.
Die nächste Regionalkonferenz „Inklusiv gestalten – Ideen und gute Beispiele aus Architektur und Stadtplanung“ findet am 15. April 2024 in München statt.
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