„Referentenentwurf zur Klinikreform trägt der Vielfalt der Kliniklandschaft nicht ausreichend Rechnung“
In seinen Ausführungen bezog sich Prof. Augurzky auf den Stand des 180-seitigen Referentenentwurfs zur Krankenhausre-form vom 13. März 2024. Bei der nächsten Anhörung in Berlin werde erneut „die große Richtung“ besprochen. Im Anschluss seien noch Feinjustierungen auf der Arbeitsebene nötig.
Thema Leistungsgruppen
Bezüglich der geplanten Einführung bundeseinheitlicher Leis-tungsgruppen auf Basis des NRW-Modells gebe es im derzeiti-gen Referentenentwurf noch wichtige zu diskutierende Punkte. Insgesamt sei seine Wahrnehmung, dass in den Bundesländern „durchaus die Neigung“ bestehe, die Systematik aus NRW in die Krankenhausplanung zu übernehmen. Die Idee, dass irgend-wann alle Bundesländer nach demselben Schema planen, werde grundsätzlich als Fortschritt erachtet, da somit künftig ein Aus-tausch auch über Landesgrenzen hinweg stattfinden kann.
Mittlerweile wurden die zunächst 60 somatischen Leistungsgrup-pen um fünf weitere ergänzt (Infektiologie, Notfallmedizin, Spezi-elle Traumatologie, Spezielle Kinder- und Jugendmedizin, Spezi-elle Kinder- und Jugendchirurgie). Die Mindestanforderungen für die Zuordnung zu einer Leistungsgruppe (personelle und appara-tive Ausstattung, und neu: Mindestvorhaltezahlen) stellen jedoch besonders die kleineren Einrichtungen und Fachkliniken vor Probleme. Kritisch ist in diesem Zusammenhang: die Kranken-häuser müssen dem MD melden, wenn Kriterien für mehr als einen Monat nicht eingehalten werden können. Kleineren Anbie-tern riet Prof. Augurzky, auf hohe Fallzahlen in einem Segment zu setzen.
Um spezialisierte Leistung erbringen zu können, wird es für eini-ge Häuser unumgänglich sein, verwandte Leistungsgruppen an-zubieten. Eine Möglichkeit, um diese zu erhalten, besteht in der Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern. Bei diesen muss es sich um ein Krankenhaus, eine Praxis oder ein MVZ handeln und der Vertrag muss auf Dauer angelegt sein. Für kleinere Kliniken könne es von Vorteil sein, auf diese Weise an größere Versorger „anzudocken“, so der Referent. Auch telemedizinische Koopera-tionen sind möglich. Die Frage, ob die Kriterien auch durch Ko-operation mit Belegkliniken erfüllt werden können, konnte nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Der Grund: zu einigen Fragen gibt es noch keine klaren Regelungen.
Insgesamt sei es wichtig, bei Kooperationen „nicht nur auf eine Karte zu setzen“, sondern sich durch mehrere entsprechende Kooperationen abzusichern, so Prof. Augurzky. Denn sollte der vorhaltende Kooperationspartner eine Leistungsgruppe verlieren, bricht diese auch für die kooperierende Einrichtung weg. Auch könnten regionale Vernetzungen von Vorteil sein, so sein Hin-weis, da bei mehreren Anbietern in einem Gebiet derjenige prio-risiert wird, der regionale Kooperationen hat.
Thema Vorhaltefinanzierung
Vorhaltefinanzierung schafft Anreiz für Kliniken und Bundeslän-der, Leistungsgruppen zu bündeln, um kostendeckend arbeiten zu können. Auch bei diesem Thema seien noch wichtige Punkte zu diskutieren, so Augurzky. Gemäß dem Referentenentwurf werden Vorhaltebudgets (VB) auf Standortebene erstmalig nach der Fallzahl und Vorhalte-CMI bestimmt. Danach erfolgt die An-passung alle drei Jahre, mit einem Fallzahlkorridor von +/-20%. Eine lokale Reduktion führt dazu, dass die VB aller Standorte im eigenen und in Nachbarbundesländern neu kalibriert werden; dies widerspricht der Fallmengenunabhängigkeit der Vorhalte-budgets, warnte er. Seiner Meinung nach könnte der Gesetzge-ber die regionale Schwerpunktbildung durch Verlagerung von Leistungsgruppen zwischen zwei Standorten besser unterstüt-zen, indem das an die Leistungsgruppe gebundene Vorhalte-budget mitwandern und für mindestens drei Jahre am neuen Standort behalten werden kann. Wichtig zu berücksichtigen wäre aus seiner Sicht überdies, das Vorhaltebudget auf Landesebene nicht jährlich anzupassen. Insbesondere solle es nicht abgesenkt werden, wenn Krankenhäuser ambulantisieren bzw. mehrheitlich an die untere Korridorgrenze gehen.
Impulse aus dem Auditorium
Besondere Einrichtungen, individuell verhandelte Entgelte
Eine der Anregungen aus dem Auditorium lautete, den derzeit noch ungeklärten Status der Besonderen Einrichtungen zu klä-ren. Auch hier müssten die Entgelte der Tarifsteigerungen refi-nanziert und die Basisfallwerte entsprechend angepasst werden, so die Forderung. Das gleiche gilt für die PEPPs und die indivi-duell verhandelten Entgelte. Auch die Frage, wie individuell ver-handelte Erlöse (außerhalb Besonderer Einrichtungen, zum Bei-spiel in Fachkliniken) im Rahmen der Kalkulation der Vorhalte-budgets berücksichtigt werden, sei noch zu klären.
Psychosomatik und Psychiatrie
Der Bereich Psychosomatik müsse komplett aus der Reform ausgeklammert bleiben und nicht über die NRW-Leistungsgruppen doch noch hereinkommen – zumindest aber sollten die Leistungsgruppen Psychosomatik und Psychiatrie getrennt werden. Dieses Beispiel zeigt (wie auch der Leistungs-bereich der Phase B, neurologische Frühreha), dass Einheitlich-keit über Bundesebene kein sinnvoller Weg ist, wenn die Rah-menbedingungen auf Landesebene nicht einheitlich sind.
Berufsgruppen
Klarheit sollte geschaffen werden über die Frage, welche Berufs-gruppen bei den ärztlichen Vorgaben berücksichtigt werden kön-nen und ob Kooperationen auch über Belegärzte oder Telemedi-zin möglich sind.
Fachkliniken
Prof. Augurzky notierte alle Impulse und auch die große Bitte der Teilnehmenden, insbesondere die Besonderheit der Fachkliniken zu berücksichtigen, mit ihren speziellen überregionalen Versor-gungsangeboten.
Fazit
Am Ende der anspruchsvollen zweistündigen Veranstaltung re-sümierte er, der enorme und wachsende Fachkräftemangel be-wirke, dass viele Vorgaben langfristig wohl nicht alle zu erfüllen seien. Er rechne damit, dass „aus der Not heraus auch wieder eine Zeit der größeren Gestaltungsfreiheit mit mehr Ergebnisver-antwortung“ kommen werde. VPKA-Hauptgeschäftsführerin Dr. Ann-Kristin Stenger begrüßte diese Aussicht: „Die Perspektive von Gestaltungsfreiheit und der Schwerpunkt auf der Output-Qualität kommen uns als VPKA entgegen.“
Der Verband der Privatkrankenanstalten in Bayern e. V. (VPKA) setzt sich als dynamischer und praxisnaher Verband seit mehr als 75 Jahren bayernweit für die inhaltlichen Belange der privaten Akut- und Rehakliniken ein. Er vertritt als größter Landesverband rund 170 Einrichtungen mit knapp 25.000 Betten. Sein Ziel ist eine qualitativ hochwertige, innovative und wirtschaftliche Patientenversorgung in Krankenhäusern und Rehabilitationskliniken. Neben der Beratung seiner Mitglieder vertritt er die Belange der Privatkrankenanstalten in gesellschaftlichen, sozialpolitischen und tariflichen Angelegenheiten.
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