Urlaub mit dem E-Auto: Abenteuer oder Albtraum?
Was muss man bei der Routenplanung unbedingt bedenken?
Jan Kemperdiek: Der erste Schritt zu einem gelungenen Urlaub mit dem Elektroauto ist eine sorgfältige Routenplanung und eine bei Abfahrt vollständig geladene Batterie. Im Gegensatz zu herkömmlichen Fahrzeugen muss bei einem Elektroauto die Ladeinfrastruktur entlang der Strecke berücksichtigt werden. In Mittel- und Nordeuropa ist das Netz recht gut ausgebaut, vor allem in den Niederlanden und in Skandinavien; dort ist das Netz fast flächendeckend. In vielen südeuropäischen Ländern hingegen sollte man die Route eher an den Ladestationen ausrichten. Verschiedene Apps und Online-Tools, wie etwa A Better Routeplanner oder Lemnet, können hierbei eine wertvolle Hilfe sein. Sie zeigen nicht nur Ladestationen entlang der Route an, sondern auch deren Verfügbarkeit und Ladegeschwindigkeit. Innerhalb Deutschlands kann ich die Ladesäulenkarte der Bundesnetzagentur empfehlen. Darauf sind sämtliche öffentlichen Ladesäulen unabhängig vom Anbieter verzeichnet.
Zu einer guten Vorbereitung gehört auch der Check, ob man sich für das Laden der Batterie bei der Station anmelden oder registrieren muss. In manchen Fällen, vor allem im Ausland, muss man das – und zwar schon einige Wochen vorher. Touristikinformationen können dazu meist Auskunft geben. Es hilft auch, sich nur Stromtankstellen auszusuchen, an denen es mehrere Ladepunkte gibt. Denn ist die Ladesäule besetzt, wartet man unter Umständen mehrere Stunden, bis man an der Reihe ist.
Gibt es auch echte Vorteile, mit einem Stromer in den Urlaub zu fahren?
Jan Kemperdiek: Neben der Tatsache, dass man klimaneutral unterwegs ist und einen recht kleinen CO2-Fußabdruck hinterlässt, darf man z. B. in Norwegen oder Tschechien mautpflichtige Autobahnen kostenfrei nutzen, wenn man ein E-Kennzeichen hat. Und in einigen Städten, auch in Deutschland, ist das Parken in der Innenstadt umsonst möglich.
Mit welchen Ladezeiten muss man rechnen und wie kann man sie sinnvoll nutzen?
Jan Kemperdiek: Ladezeiten sind in der Tat ein entscheidender Faktor beim Reisen mit dem Elektroauto. Viele moderne Ladestationen befinden sich aber in der Nähe von Restaurants, Spielplätzen oder Sehenswürdigkeiten. Dort kann man die Ladepausen für ein entspanntes Mittagessen, einen Spaziergang oder eine kurze Besichtigungstour nutzen. In zehn Minuten lädt man an einer Schnellladesäule etwa 100 Kilometer Reichweite.
Urlauber sollten ihr Elektroauto aber grundsätzlich laden, wann immer sie die Möglichkeit dazu haben. Viele Hotels und Ferienwohnungen bieten inzwischen Ladestationen für ihre Gäste an. Auch Supermärkte und Einkaufszentren stellen zunehmend Lademöglichkeiten zur Verfügung. Diese Gelegenheiten sollten genutzt werden, um immer ausreichend Energie für die nächste Etappe zu haben. Allerdings muss ich gleichzeitig davor warnen, hauptsächlich Schnellladestationen zu nutzen, die den Akku in kürzester Zeit voll aufladen. Das ist nicht nur meist sehr viel teurer, sondern schadet auf Dauer der Batterie.
Gibt es Tricks, die Reichweite von E-Fahrzeugen zu erhöhen?
Jan Kemperdiek: Die Reichweite eines Elektroautos hängt von vielen Faktoren ab: Geschwindigkeit, Beladung, Wetter und Fahrstil spielen eine große Rolle. Ich empfehle, die Reichweite eher konservativ einzuschätzen und regelmäßig nachzuladen, statt bis zur letzten Kilowattstunde zu fahren. Auf langen Strecken sollte der Akku nie unter 20 Prozent Ladung fallen bzw. immer eine restliche Reichweite von 100 Kilometern haben, falls beispielsweise die angepeilte Ladestation besetzt oder defekt ist.
Um die Reichweite zu erhöhen, können Fahrer während der Fahrt einige Tricks anwenden. So kann gleichmäßiges, vorausschauendes Fahren und das Vermeiden von starkem Gas geben und Bremsen den Energieverbrauch etwas senken. Wenn möglich, sollten E-Auto-Fahrer die sogenannte Rekuperationsfunktion nutzen. Dabei gewinnt das Fahrzeug beim Bremsen Energie zurück. Sollte es also bergige Streckenabschnitte geben, lädt das Auto während der Fahrt.
Wie kann man den Strom unterwegs bezahlen und was gibt es dabei zu beachten?
Jan Kemperdiek: In Deutschland und auch im Ausland gibt es vielfältige Bezahlmethoden an Ladesäulen. Die reichen von der klassischen Ladekarte über mobile Apps bis hin zur direkten Zahlung mit Kreditkarte oder kontaktlosem Bezahlen. Im europäischen Ausland ist das Laden in der Regel etwas günstiger als in Deutschland. Doch es gibt einen Haken bei einigen Ladekarten: Sie funktionieren zwar im Ausland, aber Urlauber müssen unter Umständen mit Roaming-Gebühren rechnen, wie man es früher beim mobilen Telefonieren aus dem Ausland kannte. Dadurch wird die Kilowattstunde deutlich teurer. Zahlt man hingegen mit der App des jeweiligen Anbieters, ist es günstiger, aber man muss jedes Mal die entsprechende App herunterladen und seine Kreditkarte verifizieren lassen. Da muss jeder für sich sein Kosten-Nutzen-Verhältnis festlegen.
Es gibt mittlerweile auch deutsche Ladestrom-Anbieter mit Ladepunkten in ganz Europa. Die haben einheitliche Roaming-Tarife, die 24/7 gelten – egal, in welchem Land. Da zahlen Urlauber dann je nach gewähltem Tarif eine monatliche Grundgebühr und einen festgelegten Preis pro Kilowattstunde. Das ist zwar etwas teurer, aber bequem.
Was gehört in die Notfallausrüstung?
Jan Kemperdiek: Ein kleiner Notfallkoffer sollte immer an Bord sein. Dieser könnte neben den üblichen Utensilien wie Warndreieck und Erste-Hilfe-Kasten auch ein mobiles Ladegerät, Verlängerungskabel und gegebenenfalls Adapter für unterschiedliche Steckertypen enthalten.
Wenn man trotz allem unterwegs liegen bleibt, sollte man unbedingt einen Pannendienst rufen, der speziell für Elektrofahrzeuge geschultes Personal hat. Aber auch viele E-Auto-Hersteller bieten spezielle Pannendienste für ihre E-Fahrzeuge, die ihre liegen gebliebenen Kunden kostenlos zur nächsten Ladestation bringen oder die Batterie mit mobilen Ladegeräten vor Ort wieder flott machen.
Und abschließend noch eine rechtliche Frage an den Fachanwalt: Wie verhält es sich mit Bußgeldern aus dem Ausland? Kann man Knöllchen getrost ignorieren?
Jan Kemperdiek: Auf keinen Fall! Rechtskräftige Bußgeldbescheide aus EU-Ländern können ab einer Höhe von 70 Euro in Deutschland vollstreckt werden. Die Vollstreckung ist bereits dann möglich, wenn das Bußgeld zusammen mit den Verwaltungskosten diese Grenze überschreitet. Da die Bußgelder im Ausland oft wesentlich höher als in Deutschland ausfallen, kann das auch schon bei einem harmlosen Parkverstoß der Fall sein.
Zuständig für die Vollstreckung ist das Bundesamt für Justiz (BfJ) in Bonn. Zahlungsaufforderungen von Inkassounternehmen können also ignoriert werden. Das BfJ leitet die Vollstreckung nur dann ein, wenn der Bescheid aus dem Ausland eine deutsche Übersetzung enthält, die zumindest den wesentlichen Inhalt wiedergibt. Und wenn der Betroffene in dem ausländischen Verfahren keine Gelegenheit hatte, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, scheidet eine Vollstreckung ebenfalls aus.
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