Ein fiktiver Tag im Leben mit Parkinson
05:00 Uhr ich brauche keinen Wecker, mein ständiger Begleiter Parkinson lässt mich nicht länger schlafen. Ich öffne die Augen und spüre sofort, dass ich in einer OFF-Phase bin. Meine Glieder sind steif und schwer, die Müdigkeit drückt auf mich, als hätte ich die ganze Nacht keinen Schlaf gefunden. Trotzdem quäle ich mich aus dem Bett. Ich nehme meine Levodopa, meine treuen Begleiter, und gehe in die Küche, um zu frühstücken. Ein leichtes Frühstück hilft mir, den Tag zu beginnen.
05:15 Uhr Ich setze mich an meinen Schreibtisch. Der Morgen ist meine produktivste Zeit, und ich nutze sie, um E-Mails zu beantworten und Artikel für die Lokalzeitung zu recherchieren und zu schreiben. Die Ruhe dieser Stunden hilft mir, mich zu konzentrieren und kreativ zu sein. Ich beantworte die zahlreichen E-Mails, die mich täglich erreichen und plane die nächsten Artikel.
06:00 Uhr Meine Frau bringt mir eine Tasse Tee. Es ist eine kleine Geste, aber sie bedeutet uns beiden viel. Wir reden kurz über den bevorstehenden Tag, und ich genieße diesen Moment der Ruhe mit ihr.
06:30 Uhr Langsam schleppe ich mich zurück zum Schreibtisch. Die Medikamente beginnen zu wirken. Ich spüre, wie die Steifheit nachlässt und die Müdigkeit langsam verschwindet. Es ist, als würde jemand den Schalter umlegen. Plötzlich bin ich in einer ON-Phase. Mein Kopf ist klar, meine Bewegungen sind flüssiger. Ich lege meine Sportkleidung zurecht und mache mich bereit für den Tag.
08:00 Uhr Die Pflegekraft kommt vorbei und hilft mir beim Anziehen und Duschen. An Trainingstagen begleitet sie mich zum Tischtennistraining. Diese Unterstützung ist Teil meiner Pflegestufe 2, die mir ermöglicht, meine täglichen Aktivitäten besser zu bewältigen.
09:00 Uhr Beim Training treffe ich meine Freunde. Tischtennis hat sich als eine wahre Wohltat für mich herausgestellt. Es hält mich körperlich fit und geistig wach. Heute läuft es gut, ich gewinne mehrere Spiele. Die Bewegungen sind präzise, und ich fühle mich stark und motiviert. Der Gedanke, im Herbst als Ligaspieler anzutreten, treibt mich an.
11:00 Uhr Nach dem Training fühle ich mich großartig. Die Endorphine fluten meinen Körper. Zurück zu Hause dusche ich und setze mich ans Klavier. Ich habe begonnen, Klavier zu lernen. Es hält meinen Kopf fit und ist zugleich Ergotherapie. Das tägliche Üben hilft mir, meine motorischen Fähigkeiten zu verbessern und gibt mir ein Gefühl von Kontrolle.
13:00 Uhr Mittagessen mit meiner Frau. Wir genießen einen leichten Salat und reden über die neuesten Entwicklungen in der Selbsthilfegruppe, in der ich mich besonders für die stetig wachsende Zahl der jung an Parkinson Erkrankten engagiere. Es gibt immer viel zu tun, aber es gibt mir auch das Gefühl, gebraucht zu werden und etwas zurückzugeben.
14:00 Uhr Ich schreibe einen neuen Artikel für die Lokalzeitung. Heute geht es um die Vorteile der THS und wie sie mein Leben verändert hat. Seit der Operation sind meine OFF-Phasen spürbar weniger geworden, und ich brauche weniger Medikamente. Das Schreiben hilft mir, meine Gedanken zu ordnen und meine Erfahrungen zu teilen. Parallel bereite ich die Unterlagen für die Beantragung der Erwerbsminderungsrente vor. Dank der Unterstützung des VDK fällt mir der bürokratische Aufwand etwas leichter. Diese Rente ist notwendig, um meine finanzielle Sicherheit zu gewährleisten, da ich aufgrund meiner Krankheit nicht mehr voll arbeiten kann.
16:00 Uhr Die Nachmittagsmüdigkeit setzt ein, und ich merke, dass ich wieder in eine OFF-Phase gleite. Meine Bewegungen werden langsamer, und die Antriebslosigkeit überkommt mich. Ich lege mich aufs Sofa und mache ein kurzes Nickerchen. Es tut gut, einfach die Augen zu schließen und alles loszulassen.
17:30 Uhr Erwacht und erfrischt fühle ich mich wieder besser. Eine neue ON-Phase beginnt. Ich spiele mit meinen Enkeln, die gerade zu Besuch kommen. Ihre Energie ist ansteckend und bringt mich zum Lachen. Wir bauen gemeinsam mit Lego und ich bin froh, dass ich diesen Moment mit ihnen teilen kann.
19:00 Uhr Gemeinsames Abendessen mit der Familie. Meine drei erwachsenen Kinder sind oft beschäftigt, aber wir versuchen, so oft wie möglich zusammenzukommen. Es sind diese Momente, die mir Kraft geben und mir zeigen, dass das Leben trotz Parkinson wunderschön sein kann.
21:00 Uhr Nach einem langen Tag setze ich mich wieder an meinen Schreibtisch und beantworte E-Mails von Mitgliedern der Selbsthilfegruppe. Der Austausch mit anderen Betroffenen ist mir wichtig. Es tut gut zu wissen, dass man nicht allein ist und dass man sich gegenseitig unterstützen kann.
23:00 Uhr Zeit fürs Bett. Ich nehme meine letzte Dosis Levodopa und hoffe auf eine ruhige Nacht. Während ich einschlafe, denke ich daran, wie dankbar ich für die Unterstützung meiner Familie, meiner Freunde und meiner Ärzte bin. Jeder Tag mit Parkinson ist eine Herausforderung, aber auch eine Chance, das Leben in all seinen Facetten zu erleben.
23:30 Uhr Die Müdigkeit übermannt mich, und ich gleite in den Schlaf. Morgen ist ein neuer Tag, und ich bin bereit, ihn mit all seinen Höhen und Tiefen anzunehmen.
Jürgen Zender 30.05.2024
Das Parkinson Journal, vor drei Jahren als Blog des selbst an Parkinson erkrankten Jürgen Zender ins Leben gerufen, ist mittlerweile eine einzigartige Sammlung von Informationen und Tools rund um das Thema Morbus Parkinson geworden. Seine zahlreichen Beiträge (Texte, Videos, Ratgeber, Verzeichnisse oder Podcasts ), geschrieben oder produziert von namhaften Autoren oder Betroffenen selbst, sind über die Jahre zum Wegbegleiter vieler Betroffener, Angehöriger und Ratsuchender geworden. Wenn der Trend so bleibt, wie er sich bereits heute abzeichnet, werden das Parkinson Journal in diesem Jahr erstmals über 200.000 Seitenaufrufe erleben und auf Instagram die 7.000 Follower Marke überschreiten.
Es wird geschätzt, dass in Deutschland etwa 10 % der Parkinson-Kranken in Selbsthilfegruppen organisiert sind oder zumindest gelegentlich deren Angebote nutzen.
Das sind 40.000 von 400.000 Erkrankten. Es ist eines unserer Ziele, diese Zahl dauerhaft und stetig zu erhöhen, denn der Austausch mit „Leidensgenossen“, das reichhaltige Informationsangebot, die neu entstehenden Freundschaften, Sportarten, die man plötzlich (wieder) für sich entdeckt, die selbstgewählte Isolation, die man verlässt … all das sind gute Gründe, sich einer der zahlreichen Selbsthilfegruppen anzuschließen. Neben Beiträgen aus und über die Szene hilft uns dabei maßgeblich unser Verzeichnis der Parkinson-Selbsthilfegruppen und der Parkinson-Event-Kalender.
Für alle anderen, die noch nicht bereit sind, sich zu öffnen, wollen wir weiterhin ein Fenster zur Parkinson-Welt sein, deren Bewohner sie ohne eigenes Zutun geworden sind, und sie mit Wertschätzung und mit Herz und Verstand informieren.
Das zweite Ziel, das uns sehr am Herzen liegt, ist das Bewusstsein für Bewegung als eine der wenigen erfolgversprechenden, nicht medikamentösen Therapien zu schärfen. Immer mehr Studien zeigen, dass Sportarten wie Tischtennis, Nordic Walking, selbst Boxen einen positiven Einfluß auf die Symptomatik und Progredienz der bisher unheilbaren Krankheit haben.
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