„Frührentner sind keine Lösung“
FRAGE: Herr Dr. Antonic, zur Zeit, als Sie Ihre Tätigkeit aufnahmen, hatte der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog gerade verlangt, dass ein Ruck durch Deutschland gehen müsse…
ANTONIC: …Ja genau, passiert ist wenig. Und in gewisser Weise lebe ich davon, weil ich meistens der bin, der den Ruck ins Unternehmen bringen muss, weil es sonst niemand getan hat.
FRAGE: Dann müssten Sie ja gut davon leben?
ANTONIC: Einerseits ja, ich kann nicht klagen. Andererseits wünscht man sich für sein Land natürlich auch Aufbruch, Dynamik und Wachstumsperspektiven. Auch dafür wäre ich als Manager zu haben und wüsste sicherlich, was ich beitragen könnte. Aber unsere Gesellschaft ist doch eher verkrustet, und teilweise betrifft das auch die Märkte und Unternehmen.
FRAGE: Aber ist Deutschland nicht das Land der Weltmarktführer?
ANTONIC: Weltmarktführer in der Transformation sind wir jedenfalls nicht. Und Weltmarktführer ist man so lange, bis es jemand anders ist. Im Wettbewerb kann man sich nicht ewig auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausruhen. In vielen deutschen Schlüsselbranchen haben wir den Anschluss verpasst, und ich meine ausdrücklich nicht nur die Auto-Industrie. Das leuchtende Beispiel Biontech strahlt ja auch deshalb besonders hell, weil es drumherum eher schummrig ist.
FRAGE: Die Konjunkturprognosen für dieses Jahr dümpeln um die Nulllinie, im nächsten Jahr soll es aber besser werden. Erleben wir nicht einfach nur eine Flaute aufgrund des Ukraine-Krieges?
ANTONIC: Wenn ich ehrlich bin, interessieren mich Konjunkturprognosen nicht sonderlich. Und die Begründungen und Ausreden für ein Prozent rauf oder runter auch nicht. Ich erlebe viele Unternehmen in der Praxis, ich erlebe ihre Defizite, aber auch ihre ungenutzten oder vergeudeten Potenziale. Bevor man sich auf volkswirtschaftliche Kennzahlen zurückzieht, muss man erst mal die eigenen Hausaufgaben machen. Wie entwickeln sich die Bedürfnisse und Produkte in den eigenen Märkten, womit kann man auch unabhängig von Konjunktur und Rahmenbedingungen stabiles Geschäft generieren?
FRAGE: Und Sie sind der Nachhilfelehrer, der bei den Hausaufgaben hilft?
ANTONIC: Ein nettes Bild, aber es passt nicht ganz. Ich sage ja nicht einfach nur anderen, was sie nach Lehrbuch tun sollen, ich packe die Dinge selbst an. Ich gehe rein ins Unternehmen, ich schaue mir Strukturen und Prozesse an, vor allem stelle ich Fragen. Das ist das, was mich immer wieder selbst überrascht; wie wenig zielführende Fragen gestellt werden, und wie wenig insgesamt in Frage gestellt wird.
FRAGE: Werden sie da nicht als Bedrohung empfunden, wenn Sie Dinge infrage stellen?
ANTONIC: Vielleicht kurz am Anfang. Aber die Leute in den Unternehmen wissen doch auch, wenn‘s nicht rund läuft. Die meisten sind froh, dass ich die richtigen Fragen stelle und manchmal habe ich das Gefühl, dass alle nur darauf gewartet haben, dass so eine kleine Erschütterung durch den Laden geht. Das rüttelt auf.
FRAGE: Liegt darin die Kernaufgabe eines Interim-Managers?
ANTONIC: Naja, den großen Zampano zu geben und alle nur zu verunsichern hilft ja nicht weiter. Es muss ja nach der Erschütterung schon noch was kommen. Sie müssen mit den Leuten zusammen einen Plan machen, wohin die Reise geht und welchen Beitrag alle jeweils bringen müssen. Interim-Management ist eigentlich Transformations-Management. Raus aus alten, unwirtschaftlichen und frustrierenden Routinen, rein in eine neue Herausforderung, die etwas abverlangt, aber auch etwas verspricht.
FRAGE: Und diese Form des Interim-Management scheint auch immer beliebter zu werden.
ANTONIC: Sehe ich anders. Das ist eine Definitionsfrage. Wenn Frührentner oder vorübergehend arbeitslos gewordene Führungskräfte den Lückenbüßer in Unternehmen geben, ist das kein echtes Interim-Management. Es fehlt nämlich genau die Transformations-Perspektive. Solche Leute kriegen das nicht hin. Und auch die Vorstellung auf Unternehmensseite, man müsse irgendetwas überbrücken, ist tatsächlich ein Zeichen von Entscheidungsschwäche.
FRAGE: Kritisieren Sie da nicht Ihre eigene Branche?
ANTONIC: Wie gesagt, ich betrachte achtzig Prozent derer, die sich so ausgeben nicht wirklich als Interim-Manager. Ich glaube auch, dass dieser Markt verschwinden wird. Aus drei Gründen. Erstens werden die Unternehmen immer weniger Zeit haben, notwendige Transformation mit einer pro-forma-Besetzung hinauszuschieben. Zweitens wird der knappe Personalmarkt in Bälde jegliche Führungskraft aufsaugen wie einen Schwamm, und diese Leute werden alle lieber in eine dauerhafte Festanstellung gehen, als die Risiken und Verantwortung eines Transformationsprojekts aus der Interim-Rolle zu schultern. Es wird, und das ist der dritte Aspekt, einen hochspezialisierten Expertenmarkt geben, in den Sie als Anbieter ohne Tools und Erfahrung kaum noch reinkommen können.
FRAGE: Wo soll man denn diese Rolle lernen, kann man das studieren?
ANTONIC: Studieren können Sie viel. Ich bin Chemiker. Über diese Fachlichkeit bin ich eigentlich ganz froh, im Studium habe ich analytisch und rational denken gelernt. Management lernt man in der Praxis, es ist eigentlich nur das Umsetzen von Unternehmenszielen. Kompliziert ist, wenn man es kompliziert macht, der Umgang mit Menschen. Aber auch hier setze ich auf Rationalität. Die meisten Menschen sind für gute Argumente zugänglich und wissen, was auch in ihrem Interesse ist. Und gegen Irrationalität muss man sich eben manchmal auch mit Macht durchsetzen.
FRAGE: Herr Dr. Antonic, wir danken für das Gespräch.
ANTONIC: Danke ebenso.
Dr. Bodo Antonic ist "Steinbeis Expert of the Year 2024" und "Interim-Manager des Jahres 2023" in Österreich.
Der Geschäftsführer von "die kontur GmbH" mit Sitz in Luzern (Schweiz) ist seit zwanzig Jahren als Krisen- und Turnaroundmanager tätig, berät zu Fragen der Business Continuity, veröffentlicht und hält Vorträge zum Thema. Zuletzt steuerte er ein Kapitel zum Buch Hilgenstock / Richter / Gutowski, Business Transformation: Interim Manager berichten aus der Praxis bei (ISBN 978-3-9867400-9-2). Es trägt den Titel: So werden Menschen und Unternehmen resilient.
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