Mission = Kolonialismus?
Multiperspektivische Betrachtung eines komplexen Themas
In insgesamt vier Workshops untersuchten die Teilnehmenden die Handlungsräume der damaligen Mission anhand zahlreicher Objekte und zeitgenössischer Stimmen aus dem Museum und dem Archiv der VEM. Die ergebnisoffenen Diskussionen drehten sich vor allem um die vielschichtige Verhältnisbestimmung zwischen Mission und Kolonialismus. In den Gesprächen wurde deutlich, dass eine differenzierte und sensible Betrachtung des Themenkomplexes notwendig sei und dass Pauschalisierungen der historischen Sachlage nicht gerecht werden.
Die Entwicklung des Missionsbegriffs der VEM in der Vergangenheit und Gegenwart sowie aus dem exemplarischen Blickwinkel einer javanischen Mitgliedskirche bildete einen weiteren Diskussionsgegenstand. Hier bestimmten die Teilnehmenden ihren Standort und reflektierten im Gespräch ihr eigenes Verständnis von Mission. Ein weiterer Workshop beschäftigte sich mit den „Stimmen von der anderen Seite“, um die Ambivalenzen von Mission und Kolonisation zu entschlüsseln. Unter der Leitung der mehrheitlich aus Afrika und Asien stammenden VEM-Mitarbeitenden wurden hier die verschiedenen zeit- und kontextabhängigen Auswirkungen des missionarischen Handelns im Globalen Süden thematisiert.
Historische Machtstrukturen heute überwinden
Und die Mission heute? In Bezug auf die Gegenwart verwies Alena Höfer, Referentin für Frauenpolitik und intersektionalen Feminismus am Institut für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen, in ihrem interaktiven Vortrag darauf, dass die historischen Machtstrukturen der Mission innerhalb der VEM-Gemeinschaft gegenwärtig noch spürbar seien. Es bedürfe ihrer Ansicht nach fortwährender Trainings und Reflexionen, um die nach wie vor wirkenden historischen Machtstrukturen innerhalb der heutigen ökumenischen Gemeinschaft zu überwinden. Sie appellierte an die Delegierten, auf eine Glaubensgemeinschaft mit kolonialkritischem Bewusstsein für Machthierarchien hinzuarbeiten.
„Die Konferenz hat deutlich gemacht, dass es unumgänglich ist, sich immer wieder mit der eigenen Geschichte und der eigenen Perspektive auf den Themenkomplex ‚Mission und Kolonialismus‘ auseinanderzusetzen, um den Dekolonisierungsprozess voranzutreiben, und zwar auf institutioneller Ebene, aber auch auf persönlicher. Was hat mich, was hat uns biographisch geprägt? Wo stehe ich, wo stehen wir in der Ökumene? Nur daraus kann ein verantwortungsvoller Umgang miteinander für die Gegenwart gelingen. Eine selbstkritische Auseinandersetzung braucht ‚save spaces‘. Und die Konferenz hat auch genau das gezeigt: Dass ein respektvoller, kritischer, aber immer konstruktiver Austausch innerhalb der VEM-Gemeinschaft möglich ist. Die Komplexität und Schwere des Themas haben dem Willen, gemeinsam die Welt ein Stückchen besser zu machen, keinen Abbruch getan – das stimmt mich hoffnungsvoll“, resümiert Pfarrerin Marie-Anne Halim, Leiterin der Abteilung Deutschland bei der VEM und Koordinatorin der Konferenz.
Übergeordnete Themenstellung in allen VEM-Regionen
Die Verhältnisbestimmung von Mission und Kolonialismus fügt sich in die übergeordnete VEM-Themenstellung „Diskriminierung in Kirche und Diakonie“ ein, die auf der Vollversammlung im Jahr 2022 für die programmatische Arbeit der Mitglieder in allen drei Regionen der VEM festgelegt wurde. Der Geschäftsführende Ausschuss als Leitungsgremium der Region Deutschland war deshalb an der Planung der thematischen Konferenz beteiligt.
Die deutschen Mitglieder der VEM sind: die Evangelische Kirche im Rheinland, die Evangelische Kirche von Westfalen, die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, die Evangelische Kirche von Hessen-Nassau, die Evangelisch-Reformierte Kirche, die Lippische Landeskirche sowie die von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel.
Die heutige VEM ist die Rechtsnachfolgerin der vormaligen Rheinischen Missionsgesellschaft und hat sich 1996 von einem deutschen Missionswerk zu einer internationalen Mission mit gleichberechtigten Macht- und Entscheidungsstrukturen für alle Mitglieder in Afrika, Asien und Deutschland weiterentwickelt.
Die Vereinte Evangelische Mission (VEM) mit Büros in Wuppertal, Indonesien und Tansania ist eine internationale, gleichberechtigte Gemeinschaft von 39 Mitgliedern, darunter 32 evangelische Kirchen in Afrika und Asien sowie sechs deutsche EKD-Kirchen und den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Die VEM verfolgt konsequent ein ganzheitliches Missionsverständnis. Dazu gehört, die Lebensumstände notleidender und benachteiligter Menschen unter Achtung ihrer persönlichen Würde und Berücksichtigung ihres kulturellen Kontexts zu verbessern.
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