Familie & Kind

Radikaler Bürokratieabbau notwendig

In deutschen Behörden gibt es viel Bürokratie und zu wenig Personal. In der Folge dauern Bearbeitungszeiten etwa für die Anerkennung ausländischer Pflegekräfte oder Pflegegradeinstufungen sehr lange. Das schadet den Pflegeeinrichtungen im Südwesten erheblich. Vorhandenes Pflegepersonal kann deshalb nicht eingesetzt werden und die Heime verlieren Millionen an Geldern für ihre erbrachten Leistungen. „Die negativen Auswirkungen der langen Bearbeitungszeiten tragen allein die Altenpflege-Einrichtungen“, kritisieren Boris Strehle und Professor Dr. Wolfgang Wasel, Sprecher des „Netzwerk Alter und Pflege“ im Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Diese unfaire Verteilung der Risiken müsse durch einen radikalen Abbau an Bürokratie beendet werden. „Wenn wir die Seniorenheime am Leben erhalten wollen, müssen die Abläufe einfacher und effizienter werden.“

Ein besonders dringendes Anliegen sei die Senkung der bürokratischen Hürden für die Anerkennung von Fachkräften aus dem Ausland, so Wasel und Strehle. Die Regierungspräsidien entschieden über die Anerkennungsverfahren für ausländische Pflegekräfte, diese „kommen mit der Prüfung der Anträge aufgrund von Personalmangel nicht hinterher. Das hat harte Konsequenzen für die Pflegeheime. Personal, das im Grunde zur Verfügung steht, kann nicht der Qualifikation entsprechend eingesetzt werden.“ Die Lösung sei eine länderbezogene pauschale Anerkennung von Qualifikationen, wenn sich gezeigt habe, dass in einem Land – beispielsweise in Serbien – die Ausbildungsqualifikationen unseren entsprächen.

Ein weiteres gravierendes Problem betrifft die Sozialhilfeanträge von Bewohnern, die ihren Eigenanteil fürs Pflegeheim nicht selbst aufbringen können. In einzelnen Landkreisen gehe die Bearbeitung der Sozialhilfeanträge so schleppend voran, dass über eine Million Euro für erbrachte Dienstleistungen ausstehe. „Die Dienstleistungen sind erbracht, die Löhne müssen bezahlt werden, aber die Sozialhilfe ist nicht bewilligt und die Gelder fließen nicht. Das stellt ein enormes Problem für die betroffenen Einrichtungen dar“, so Strehle und Wasel. Manche Bewohner seien bereits verstorben, wenn ihr Antrag bearbeitet werde. Rückwirkend sei es extrem schwierig, die Gelder für erbrachte Unterkunft und Pflegeleistungen zu bekommen. „Die Einrichtungen bleiben auf den Kosten sitzen. Die Folge: Immer mehr Häuser gehen in die Knie.“

Zudem sei der medizinische Dienst überlastet und lehne viele Anträge auf eine höhere Eingruppierung pauschal ab. „Das führt zu einem hohen Aufwand und falschen Eingruppierungen, die letztendlich die Einrichtungen tragen müssen“, so die Netzwerksprecher. Das Problem sei lösbar, etwa wenn die Seniorenheime selbst die Einstufung der Pflegegrade vornähmen und der Medizinische Dienst stichprobenartig überprüfe. „So würden für die aufwendigen Einstufungsprozesse deutlich weniger Ressourcen von Pflegefachkräften vergeudet, die für die Pflege dringend benötigt würden.“ Das Misstrauen gegenüber Pflegeeinrichtungen sei unangebracht und blockiere den notwendigen Fortschritt, so die Sprecher. „Hilfreich wäre eine Kultur des Vertrauens.“

Das Pflegekompetenzgesetz hat aus Sicht der Netzwerksprecher gute Ansätze, um Entscheidungsbefugnisse in die Einrichtungen zu verlagern und somit zu entbürokratisieren. „Die Lage ist ernst, und ohne schnelle Maßnahmen steht ein absoluter Kollaps bevor.“ Wasel und Strehle appellieren an die Verantwortlichen: „Wir müssen die bürokratischen Knäuel radikal entfernen, um den Pflegebereich zu entlasten und zukunftssicher zu machen.“

Im „Netzwerk Alter und Pflege“ haben sich 74 katholische Träger der stationären und ambulanten Altenhilfe in der Diözese Rottenburg-Stuttgart zusammengeschlossen. Die Mitglieder des Netzwerks unterstützen, pflegen und sorgen für Menschen in unterschiedlichen Bedarfslagen. Diesen Beitrag leisten die katholischen Träger auf hohem professionellen Niveau und nach anerkannten Standards bei gleichzeitiger Bezahlung von Tariflöhnen für die Beschäftigten. In Kooperation mit Akteuren aus Kirche, Politik, Kommunen und Praxis setzen sich die katholischen Träger dafür ein, dass Pflege und Betreuung im Sozialraum nah am Menschen stattfinden können.

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