Rückzahlungsanspruch bei Online-Sportwetten – BGH legt EuGH Fragen vor
In dem Verfahren vor dem BGH hatte ein Spieler, der zwischen 2013 und 2020 beim Wettanbieter Tipico an Online-Sportwetten teilgenommen hatte, auf die Rückzahlung seiner Verluste geklagt. Da Tipico in diesem Zeitraum nicht die erforderliche Erlaubnis für das Veranstalten von Online-Sportwetten hatte, seien die abgeschlossenen Wettverträge nichtig und er habe daher Anspruch auf die Rückzahlung seiner Verluste.
Lizenz erforderlich
Der BGH hatte bereits in einem Hinweisbeschluss vom 22. März 2024 deutlich gemacht, dass er Online-Sportwetten in Deutschland ohne die entsprechende Genehmigung für verboten hält und die Spieler ihre Verluste zurückfordern können. Neben einer fehlenden Lizenz hatte sich der Anbieter hier auch nicht an Auflagen wie die Einhaltung eines Einzahlungslimits von 1.000 Euro monatlich gehalten.
Daher kam es etwas überraschend, dass der BGH nun keine Entscheidung getroffen, sondern mit Beschluss vom 25. Juli 2024 den EuGH eingeschaltet hat. Knackpunkt war, dass Tipico eine Lizenz in Deutschland beantragt hatte. Da das Vergabeverfahren jedoch unionsrechtswidrig durchgeführt wurde, konnte die Genehmigung nicht erteilt werden. Die Lizenz hat Tipico dann erst im Oktober 2020 erhalten. „Die Vergabe der Lizenzen ist mit Auflagen wie der Einhaltung eines Einzahlungslimits verbunden. Verstöße gegen dieses sog. materielle Glücksspielrecht können ebenfalls dazu führen, dass die Verträge nichtig sind und der Spieler seine Verluste zurückfordern kann“, sagt Rechtsanwalt István Cocron, CLLB Rechtsanwälte.
Ob ein Verstoß gegen materielles Glücksspielrecht vorliegt, hatte der BGH in diesem Fall allerdings nicht zu entscheiden. Der Vorsitzende Richter machte zwar deutlich, dass er einen Rückzahlungsanspruch der Spieler sieht, wenn die Sportwetten ohne die in Deutschland notwendige Lizenz durchgeführt wurden. Da aber eine Lizenz bereits beantragt war und aufgrund eines fehlerhaften Vergabeverfahrens nicht erteilt werden konnte, geht der BGH auf Nummer sicher und möchte durch den EuGH klären lassen, ob das deutsche Verbot dann gegen europäisches Recht verstößt und die Dienstleistungsfreiheit unzulässig beschränkt.
EuGH soll Fragen klären
Konkret legt der BGH dem EuGH zwei Fragen zur Vorabentscheidung vor: Der BGH möchte wissen, ob
- Verträge über Online-Sportwetten in Deutschland ohne die erforderliche Lizenz als nichtig anzusehen sind, wenn der Veranstalter eine Genehmigung beantragt hat, das Vergabeverfahren aber unionsrechtswidrig durchgeführt wurde?
- Das deutsche Verbot für Online-Sportwetten mit Erlaubnisvorbehalt als Schutzgesetz mit der möglichen Folge einer Schadensersatzpflicht betrachtet werden kann, wenn der Veranstalter eine Konzession beantragt hat, das Vergabeverfahren aber unionsrechtswidrig durchgeführt wurde?
Konzession mit Auflagen für Spielerschutz
Der BGH machte in seinen Ausführungen deutlich, dass das in Deutschland bis zum 1. Juli 2021 geltende grundsätzliche Verbot von Online-Glücksspielen u.a. dem Zweck diene, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und Spieler vor ggf. erheblichen finanziellen Verlusten zu schützen. Der Spielerschutz werde bei Online-Sportwetten insbesondere dadurch verwirklicht, dass minderjährige und gesperrte Spieler ausgeschlossen sind und der Spieler nicht mehr als 1.000 Euro im Monat einsetzen darf. Auch nach einer Konzessionserteilung unterliegen die Sportwetten weiterhin der Aufsicht der zuständigen Behörde, die auch überwacht, dass solche Bestimmungen eingehalten werden. Bei Verstößen können verschiedene Maßnahmen bis zum Widerruf der Lizenz eingeleitet werden.
Verstoß gegen Einzahlungslimit
Das deutsche Verbot von Online-Sportwetten mit Erlaubnisvorbehalt stehe auch grundsätzlich mit europäischem Recht im Einklang, führte der BGH weiter aus. Allerdings müsse bei einem solchen Verbot auch die Dienstleistungsfreiheit berücksichtigt werden. Diesen Anforderungen habe das Vergabeverfahren nicht genügt. Der BGH verweist aber auch auf seinen Hinweisbeschluss, nach dem Online-Sportwetten auch in einem unionsrechtskonformen Vergabeverfahren nicht ohne weiteres eine Lizenz erhalten hätten, wenn sie gegen materielles Glücksspielrecht, z.B. Einhaltung von Einzahlungslimits, verstoßen. So sei die Begrenzung des monatlichen Höchsteinsatzes eine Voraussetzung für die Erlaubnisfähigkeit eines Glücksspielangebots. Rechtsanwalt Cocron: „Der BGH machte deutlich, dass in solchen Fällen die Wettverträge nichtig sind und es keiner Klärung durch den EuGH bedarf. Da Veranstalter regelmäßig gegen materielles Glücksspielrecht verstoßen haben, haben Spieler weiterhin gute Chancen, Rückzahlungsansprüche durchzusetzen.“
Der BGH machte weiter deutlich, dass er Online-Sportwetten ohne erforderliche Lizenz für verboten und die Spielverträge für nichtig hält. Dazu müsse aber vom EuGH geklärt werden, ob dies gegen die Dienstleistungsfreiheit eines Glücksspielanbieters mit Sitz in einem EU-Mitgliedsstaat verstößt.
Verstoß gegen Schutzgesetz
Zudem machten die Karlsruher Richter deutlich, dass den Spielern auch ein deliktsrechtlicher Schadenersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB wegen Verstoßes gegen das Verbot aus dem Glücksspielstaatsvertrag zustehen kann. Nach dieser Regelung ist derjenige, der gegen ein Gesetz verstößt, das den Schutz eines anderen bezweckt, zu Schadenersatz verpflichtet. Da das Verbot aus dem Glückspielstaatsvertrag dem Schutz der Spieler vor gesundheitlichen und wirtschaftlichen Gefahren diene, sei es als Schutzgesetz zu betrachten. Der EuGH müsse klären, ob die Dienstleistungsfreiheit einem solchen Schutzgesetz entgegenstehe.
Selbst wenn der EuGH zu Gunsten des Wettanbieters entscheiden würde, würde das nicht bedeuten, dass der Spieler seine Verluste nicht zurückfordern kann. Denn der BGH machte in seinem Beschluss deutlich, dass er einen Rückzahlungsanspruch sieht, wenn der Wettanbieter gegen materielles Glücksspielrecht verstoßen hat. Das müsste dann das zuständige Landgericht Ulm klären.
Bis der EuGH eine Entscheidung verkündet, kann noch dauern. So lange sollten die Spieler nicht warten, denn die Verjährung ihrer Ansprüche läuft. „Daher sollte Klage erhoben oder andere rechtliche Maßnahmen getroffen werden, um die Verjährung zu hemmen“, so Rechtsanwalt Cocron.
CLLB Rechtsanwälte Cocron, Liebl, Leitz, Braun, Kainz Partnerschaft mbB
Liebigstraße 21
80538 München
Telefon: +49 (89) 552999-50
Telefax: +49 (89) 552999-90
http://www.cllb.de
Rechtsanwalt
Telefon: +49 (30) 28878960
Fax: +49 (30) 288789620
E-Mail: kanzlei@cllb.de