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Ukraine kann Kirchen mit Verbindung zu Russland verbieten

Kritiker sähen die Religionsfreiheit in Gefahr, schreibt Reinhold Scharnowski bei Livenet.ch. Das neue Gesetz soll es den ukrainischen Behörden leichter machen, eine Kirche zu schließen, wenn sie Verbindungen zu Russland hat. Falls der staatliche Dienst der Ukraine für ethnische Politik und Gewissensfreiheit Verbindungen nach Russland feststellt, hat die religiöse Organisation 90 Tage Zeit, diese zu beenden. Geschieht dies nicht, wird sie in der Ukraine verboten.

Das Gesetz war seit einiger Zeit in Vorbereitung. Im Parlament, der Werchowna Rada, stimmten ihm 265 von 450 Abgeordneten zu. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi hat es am 24. August unterzeichnet. Es wird damit gerechnet, dass das Gesetz 30 Tage nach seiner Veröffentlichung in Kraft treten wird.

Klares Ziel: die ukrainisch-orthodoxe Kirche

Das neue Gesetz ermöglicht es den Richtern, unter anderem die ukrainisch-orthodoxe Kirche zu verbieten. Diese Kirche steht historisch in Verbindung mit dem Moskauer Patriarchat, das von Patriarch Kirill geleitet wird, der den Krieg vehement unterstützt. Nach Ansicht der ukrainischen Regierung steht die ukrainisch-orthodoxe Kirche auch mit der Regierung in Moskau in Verbindung. Die ukrainisch-orthodoxe Kirche hat letzteres bestritten. Sie hatte sich nach der russischen Invasion im Jahr 2022 für unabhängig vom Moskauer Patriarchat erklärt; viele vermuten allerdings, dass zumindest ein Teil der Kirchenführung immer noch Loyalitäten zu Russland hegt, so Scharnowski.

„Die Regierung in Kiew möchte den russischen Einfluss in der ukrainischen Gesellschaft so gering wie möglich halten“, sagt Andreja Bogdanovski, Autor, Wissenschaftler und Kenner des orthodoxen Christentums. Präsident Selenskyi hatte erklärt, das Gesetz werde «“garantieren, dass es keine Manipulation der ukrainischen Kirche von Moskau aus geben wird“.

Zwei orthodoxe Kirchen

Die „Orthodoxe Kirche der Ukraine“ (OCU), die größte Glaubensgemeinschaft in der Ukraine, entstand im Jahr 2018 durch Fusion zweier nationaler Kirchen. Die Kirche, zu der sich rund die Hälfte der Bevölkerung zählt, wurde mit dem Segen des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel als kanonisch und völlig unabhängig von Moskau anerkannt.

Neben ihr existiert die „Ukrainisch-orthodoxe Kirche Moskauer Patriarchats“ (UOC), die sich nach der russischen Invasion offiziell von Moskau lossagte und die Unterstützung der Invasion durch die russisch-orthodoxe Kirche und Patriarch Kirill verurteilte. In der jüngsten Erklärung vom 17. August schreibt die Kirche beispielsweise: „Wir verurteilen kategorisch die Aktivitäten der Russisch-Orthodoxen Kirche, die zum Komplizen der blutigen Verbrechen der russischen Invasoren gegen die Menschheit geworden ist, die Massenvernichtungswaffen heiligt und offen die Notwendigkeit erklärt, die ukrainische Staatlichkeit, Kultur, Identität und neuerdings auch die Ukrainer selbst zu zerstören.“

Im Jahr 2021 bezeichneten sich 18 Prozent der gläubigen Ukrainer als Mitglieder der UOC, doch nach der Invasion Russlands sank diese Zahl auf nur 4 Prozent. Gleichzeitig stieg die Mitgliedschaft in der OCU von 34 Prozent auf 54 Prozent. Hunderte von orthodoxen Gemeinden traten von der UOC zur OCU über; aber nur wenige Mönche, die traditionell als Quelle der Autorität in der Kirche gelten, sind ihnen gefolgt.

Problem der Kirchenstruktur

Trotz aller Erklärungen sei die Position der UOC heikel, schreibt Scharnowski. Aus orthodoxer Sicht sei es grundsätzlich schwierig, die Zugehörigkeit zum Patriarchat zu kappen, da dieses die Kirche mit der Weltorthodoxie verbindet. „Eine lokale protestantische Kirche kann für sich in Anspruch nehmen, eine ‚wahre Kirche Christi‘ zu sein, unabhängig davon, ob sie mit einer Synode oder einer anderen Gemeinde verbunden ist oder nicht, aber aus orthodoxer Sicht ist das unmöglich. In der orthodoxen Theologie sind die Sakramente der Kern, und ihre Rechtmäßigkeit in einem solchen Fall fragwürdig (ebenso wie die in den Sakramenten implizierte Vergebung der Sünden)“, so der Autor.

Verletzung der Religionsfreiheit?

Das neue Gesetz werde von vielen Beobachtern jedoch auch aus Gründen der Religionsfreiheit kritisiert – nicht zuletzt, weil die Ukraine sich der Europäischen Union annähert. „Es ist diplomatisch sehr schwer, dieses Gesetz mit den europäischen Ambitionen der Ukraine in Einklang zu bringen“, sagte Samuel Noble, Religionswissenschaftler an der Aga Khan University in London. „Normalerweise tut man so etwas nicht in einem Land, das der Europäischen Union beitreten möchte. Andererseits befindet sich die Ukraine nicht in einer normalen Situation“, fügte er hinzu.

Smilen Markov, ein bulgarischer Forscher des orthodoxen Christentums, drückte es deutlicher aus: „Der ukrainische Staat verletzt die Religionsfreiheit. Er erklärt eine Religionsgemeinschaft für pro-russisch, was rechtlich problematisch, spaltend und ruinös ist.“

Regina Elsner, Lehrstuhlinhaberin für Ostkirchen und Ökumene am Ökumenischen Institut der Universität Münster, schrieb auf X, die Verabschiedung des Gesetzes sei „zutiefst beunruhigend“. „Dieses Gesetz öffnet die Tür für schwerwiegende Verstöße gegen die Religionsfreiheit und eine neue Zersplitterung innerhalb der Ukraine“, sagte sie. „Hass und Gewalt gegen UOC-Gläubige werden öffentlich gebilligt. Das ist traurig.“

Seit dem Ausbruch des Krieges hat die Ukraine mehr als 100 Priester der UOC wegen „Spionage“ und anti-ukrainischer Äußerungen ins Gefängnis geworfen, etwa wegen Beiträgen in sozialen Medien und Äußerungen von der Kanzel.

Quellen: Livenet / Evangelical Focus / Christian Times

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