Vertraglich vereinbarte Tantiemen: Müssen Gesellschafter-Geschäftsführer auch nicht erhaltene Gewinnanteile versteuern?
Der vom Gericht zu klärende Sachverhalt
In dem Streitfall ging es um einen alleinigen Geschäftsführer und Gesellschafter einer GmbH. Laut seinem Geschäftsführervertrag sollte er für seine Tätigkeit neben einem monatlichen Bruttogehalt einen Monat nach der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung eine Tantieme in Höhe von 20 Prozent des Jahresgewinns bekommen.
In den Jahren 2015 bis 2017 erhielt der Geschäftsführer jedoch keine Tantieme. Die GmbH bildete zudem auch keine entsprechenden Passivposten. Folglich gab der Geschäftsführer auch keine Tantieme in seiner Einkommensteuererklärung an. Das Finanzamt ging jedoch davon aus, dass die nicht gezahlten Tantiemen vom Kläger als Arbeitslohn zu versteuern seien, und zwar jeweils in der vereinbarten Höhe von 20 Prozent des Gewinns des Vorjahres. Daraufhin änderte das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide des Gesellschafter-Geschäftsführers, da die Tantieme angeblich zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung zugeflossen seien. Es sei irrelevant, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer die Tantieme tatsächlich erhalten hat, denn er sei selbst dafür verantwortlich, ob er sich den Betrag auszahlen lassen will.
Die Sicht des Finanzamts
Grundsätzlich fließt ein Gehaltsbestand dann zu, wenn der Begünstigte darüber wirtschaftlich verfügen kann. Doch bei Einkünften an einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer kann der Zufluss von Einnahmen auch ohne Zahlung oder Gutschrift vorliegen. Laut aktueller Rechtsprechung passiert der Zufluss bei Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft bereits mit der Fälligkeit der Forderung – in der Regel mit der Feststellung des Jahresabschlusses.
Die Argumentation des Bundesfinanzhofs
Laut dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Juni 2024 (VI R 20/22) fließt die Tantieme nur zu, wenn die Kapitalgesellschaft die Forderung auch tatsächlich schuldet, sie also fällig ist, und sie sich bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft ausgewirkt hat. Wenn die Forderung jedoch nicht bilanziert wurde, dann ist die Fälligkeit des Anspruchs auch noch nicht eingetreten. Daraus folgt, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer keine Steuer auf die Forderung an das Finanzamt abführen muss.
Die Richter des BFH waren der Auffassung, dass die streitigen Tantiemeansprüche im Streitfall noch nicht fällig waren, da die GmbH die Tantiemeforderungen in ihren Jahresabschlüssen nicht berücksichtigt hatte. Tantiemeforderungen, die in den festgestellten Jahresabschlüssen nicht ausgewiesen sind, fließen dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nicht zu. Das gilt unabhängig davon, ob die Verbindlichkeit hätte eingebucht werden müssen. Folglich sind die Tantiemenansprüche auch nicht zu versteuern.
Ob durch einen Verzicht auf Tantiemen ein Zufluss stattfindet, lies der BFH offen. Die Feststellungen des Finanzgerichtes waren nicht ausreichend, um darüber zu entscheiden.
Was Unternehmerinnen und Unternehmer beachten sollten
Ob ein Gehaltsverzicht zu einem Zufluss von Arbeitslohn beim Gesellschafter-Geschäftsführer führt, hängt davon ab, wann der Verzicht erklärt wurde. Wenn der Steuerpflichtige nach der Entstehung seines Gehaltsanspruchs auf die Tantieme verzichtet, dann liegt eine verdeckte Einlage und daher ein Zufluss von Arbeitslohn vor, den er versteuern muss.
Wenn der Steuerpflichtige aber bereits vor der Entstehung seines Gehaltsanspruchs auf die Tantieme verzichtet, dann ist er unentgeltlich tätig und es besteht kein Zufluss von Arbeitslohn.
„Steuerpflichtige sollten rechtzeitig handeln, wenn sie sich Gehaltsbestandteile nicht länger auszahlen lassen wollen, damit nicht ausgezahlte Tantieme nicht steuerpflichtig werden“, empfiehlt Ecovis-Steuerberater Jonas Gallersdörfer.
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