EuroTier 2024: Trends in der Haltungs- und Fütterungstechnik für Rinder
Die Ökonomie zu sichern und den politisch gesellschaftlichen Forderungen zu neuen Tierwohlstandards zu entsprechen, ist dabei ein Spagat, der nur dann gelingen kann, wenn alle Beteiligten dieser Wertschöpfungskette und auch die Politik sich ihrer Verantwortung bewusst sind und diese auch langfristig sicherstellen. Im Rahmen der sozialen Aspekte müssen vor allem die Arbeits- und Lebensbedingungen in der Landwirtschaft sowie die politischen und gesellschaftlichen Belange berücksichtigt werden.
Zielkonflikte lösen
Diese Anforderungen alle gleichzeitig zu erfüllen ist schwierig, denn dabei entstehen Zielkonflikte, die es zu lösen gilt. Klassische Zielkonflikte entstehen scheinbar bei einer Forderung nach mehr Tierwohl in Verbindung mit einer konsequenten Reduzierung negativer Umweltwirkungen. Bei näherem Hinschauen zeigt sich aber, dass es häufig auch positive Auswirkungen gibt, die bei intelligenten Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen auch positive Effekte auf das Tierwohl haben. So können bei einer unmittelbaren Aufnahme von frisch abgesetztem Kot durch sammelnde Roboter durch die schnelle Reinigung die Emissionen reduziert werden, während die Sauberkeit auf den Laufflächen und die Klauengesundheit gleichzeitig erhalten bleiben.
Smart bauen
Die Milchviehhaltung mit angepassten Stall- und Haltungskonzepten am Markt zukunftsfähig zu entwickeln und eine Genehmigungen für den Bau von Milchviehställen zu bekommen, ist in der gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Situation nicht einfach und bedarf ebenfalls dringend fachgerechter Lösungen. Smart zu bauen ist dabei ein Weg, der sich immer deutlicher abzeichnet, denn das Zusammenspiel intelligenter Stallbaukonzepte in Verbindung mit innovativen Technologien vor allem in den Bereichen Automatisierung und Digitalisierung unterstützt nachhaltig tiergerechte Haltungsbedingungen und optimierte Umweltwirkungen. Darüber hinaus hat beides das Potenzial, die Arbeitsbelastung der Milchviehhalter und von deren Mitarbeitern zu reduzieren und die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Verbraucherinteressen ernst nehmen
Weide, Grünlandnutzung, auch die Diskussion über eine mutter- oder kuhgebundene Kälberaufzucht sind aktuelle Themen zwischen Verbrauchern und Landwirten. Wichtig ist es vor allem für die Landwirte, dass sie diese Themen und Aspekte ernst nehmen, um auch für diese Anforderungen transparente und nachvollziehbare Lösungen zu generieren und diese, falls möglich, transparent in die tägliche Praxis einzubinden.
Neben der Milchviehhaltung sind aber auch intelligente Entwicklungen in der Rindermast gefragt. Die klassische Mast von Bullen auf Vollspaltenböden entspricht nicht den ethologischen Bedürfnissen der Tiere und auch nicht den Erwartungen von Verbrauchern und Politik. Somit geht es auch hier darum, neue Konzepte zu entwerfen und umzusetzen, die ökonomisch sind, aber auch vom Verbraucher und von der Politik anerkannt werden.
Herausforderungen für Milchviehhalter
Nachhaltigkeit, gesellschaftliche Forderungen nach mehr Tierwohl sowie die gesetzlichen Auflagen und politischen Diskussionen fordern Milchviehhalter heute nicht allein auf der fachlichen Ebene, sondern immer mehr auch im Bereich der Kommunikation und der administrativen Herausforderungen. Aber wie berechtigt ist dieser Ruf nach Veränderung und Transformation in der Milchviehhaltung? Was ist der aktuelle Stand und welche Themen und Herausforderungen müssen in der heutigen Zeit weiter bzw. stärker in den Fokus gerückt werden?
In der Milchviehhaltung konnten in den vergangenen Jahren viele Aspekte in Bezug auf mehr Tierwohl und auf eine optimierte Arbeitserledigung gelöst werden. Die Notwendigkeit zur Optimierung der negativen Umweltwirkungen ist erkannt und daran muss weiter intensiv gearbeitet werden. Auch durch die Automatisierung und Digitalisierung veränderten sich die Haltung und Produktionsabläufe. Das Leistungsniveau wurde deutlich beeinflusst und die arbeitsorganisatorischen Anforderungen an den Milchviehhalter und sein Team veränderten sich.
24/7 steht für eine dauerhafte Präsenz und Erreichbarkeit und somit für eine permanente Anwesenheit im Betrieb. Intelligente Techniken in Verbindung mit einem konsequenten, präventiven Management führen jedoch zu einer deutlichen Entlastung und zu einer neuen Bewertung der Arbeitsqualität. Dabei bleibt zwar die generell geforderte Erreichbarkeit an sieben Tagen und rund um die Uhr bestehen, aber die Wahrscheinlichkeit wirklich gebraucht zu werden, sinkt deutlich und die freien Zeiten im Laufe der Woche werden deutlich steigen.
Intelligente Digitalisierung
Der Prozess der Digitalisierung wird die Rinderhalter auch in den kommenden Jahren begleiten. Mehr noch: Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass die intelligente Digitalisierung der Landwirtschaft gerade erst begonnen hat und es weitere deutliche Veränderungen geben wird. Künstliche Intelligenz ist das Zauberwort. Erste Entwicklungen zur Sensorik und Tierüberwachung werden auf der EuroTier 2024 vorgestellt und man kann gespannt sein, wie sich dieses spannende Arbeitsfeld in den kommenden Jahren weiter entwickeln wird.
Neue Stall- und Haltungskonzepte
Eine solche Ruhe beim Stallbau, wie sie derzeit herrscht, gab es lange nicht. Die Nachfrage nach neuen Stallkonzepten ist quasi auf null gesunken. Auch die bauwilligen Milchviehhalter warten ab, wie sich die politischen Vorgaben entwickeln und wie dann entsprechend zu reagieren oder zu bauen sein wird.
Kompostierungs- und Freilaufställe spielen zurzeit eine eher untergeordnete Rolle. Planungsrelevant bleiben nach wie vor die klassischen Liegeboxenlaufställe. Im Sinne von Ökonomie, Ökologie sowie Arbeitsqualität und Tierwohl erfüllen sie nach wie vor viele der aktuellen Forderungen. Bei den alternativen Systemen wie etwa dem Kompostierungsstall müssen aber auch die ökologischen Bedingungen und Auswirkungen beachtet werden, denn in diesen Systemen steigt allein schon der Flächenbedarf je Kuh gegenüber dem klassischen Liegeboxenlaufstall deutlich an.
In der Kälberhaltung werden neue Haltungskonzepte diskutiert. Durch die aktuelle Vorgabe, die Kälber für 28 Tage auf dem Betrieb zu halten, ergeben sich neue Fragen, aber auch theoretische Möglichkeiten einer besseren Vermarktung. Dazu braucht es aber auch neue Managementansätze in Bezug auf die Haltung und vor allem die Fütterung der jungen Kälber. Vom Iglu verabschieden sich dabei viele Milchviehhalter, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden. Geschlossene Ställe mit flexiblen Boxen und Buchtenabtrennungen zur Einzel-, Doppel und Gruppenhaltung bieten neue Möglichkeiten für mehr Tierwohl, Effizienz und auch Akzeptanz durch die Verbraucher und die Politik.
Automatisierung nutzen
Autonom melken und füttern, Gülle aufnehmen und Futter anschieben – Automatisierungssysteme, die solche Aufgaben erledigen, haben die Praktiker in den vergangenen Jahren schätzen gelernt.
Das automatische Füttern wird mehr in den Fokus rücken, da es viel Potenzial hat. Eine häufigere Vorlage mit frischem Futter regt zu einer höheren Futteraufnahme an, die Verluste sinken und auch der Energieeinsatz ist gegenüber den mit Diesel angetriebenen Maschinen geringer.
Mit der Sensorik und den daraus resultierenden Möglichkeiten bieten sich für das Herdenmanagement weitere Optionen, mit denen die Qualitätsmilcherzeugung optimiert werden kann. Vor allem im Bereich der intelligenten Tierüberwachung auf Basis von Kameras lassen sich verschiedene, auch unerwünschte Verhaltensweisen schnell erkennen, eventuell aufkommende Probleme kurzfristig beschreiben und in Verbindung mit den richtigen Schlussfolgerungen auch beheben.
Funktionsbereiche optimieren
In diesem Jahr rücken die Laufflächen stärker in den Fokus. Ihre Sauberkeit zu erhalten, steht als einfache Forderung im Raum. Dazu werden Konzepte benötigt, in denen Roboter das Sammeln von Kot, Mist und Gülle zeitnah und sauber erledigen. In Verbindung mit den richtigen Laufflächen, die ein schnelles Abfließen von Urin garantieren, werden wesentliche Ziele erreicht: Die Emissionen sinken, die Klauengesundheit bleibt durch die Trockenheit der Laufflächen erhalten und die Arbeitsbedingungen sind durch die sauberen Laufflächen angenehmer.
Fazit
Die Rahmenbedingungen in der Milcherzeugung und Rinderhaltung sind zurzeit nicht einfach und es braucht ein konsequentes Management und eine gute Produktionstechnik, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden. Bei all dem sollten aber auch die Vorteile gesehen werden. Milch und Rindfleisch haben einen guten Ruf und stehen nach wie vor hoch im Kurs der Verbraucher. Es braucht weiterhin intelligente Ansätze, um den Zielen einer nachhaltigen Produktion gerecht zu werden. Industrie und Praxis haben es in der Hand, innovative Wege zu entwickeln und zum Teil auch neue Wege zu gehen. Politik und Handel müssen sich positionieren und langfristige Planungssicherheit garantieren. Mit Kreativität, neuen Ideen und Gedanken und natürlich auch mit Mut ließen sich auf allen Seiten Hürden abbauen und die Märkte sichern.
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Als eine der führenden Organisationen ihrer Branche organisiert die DLG Messen und Veranstaltungen in den Bereichen Landwirtschaft und Lebensmitteltechnologie und testet Lebensmittel, Landtechnik sowie Betriebsmittel. Die DLG steht mit ihren Fachzentren für Landwirtschaft und Lebensmittel sowie den Medien der DLG-Verlage für unabhängigen Know-how-Transfer. Darüber hinaus erarbeitet die DLG in zahlreichen nationalen und internationalen Experten-Gremien Lösungen für die Herausforderungen der Land-, Agrar- und Lebensmittelwirtschaft.
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